Gestatten, Steffen Bollmann

Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Sommerkurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“des Career Center der Humboldt Universität

Steffen Bollmann.jpg Steffen Bollmann portraitiert von Frank Haberland

Freiheitsbewegung

Niemand mag Käfige. Wellensittiche nicht und Menschen noch weniger.

Steffen ist zwölf Jahre als er zum ersten Mal mit der Staatssicherheit der DDR aneinandergerät. Er und seine Familie kommen gerade aus der US-Botschaft, als sie von Beamten der Stasi umstellt werden. Ausweise vorzeigen, Erklärungen abgeben, Drohungen: Wer sich für den Klassenfeind interessiert, wird selbst zum Feind.

Dreiundzwanzig Jahre später gibt es die Stasi nicht mehr – ihr dunkles Erbe besteht aber fort. Heute verwaltet und erforscht die Gauck-Behörde die Dokumente, Akten und Unterlagen, die ein Regime angelegt hat, um seine eigenen Bürger zu unterdrücken.

Steffen war während des Studiums selbst für die Gauck-Behörde tätig. Dabei entstand auch der Wunsch, seine Magisterarbeit über dieses Thema zu schreiben. Vor allem interessierte ihn das Stasi-Unterlagen-Gesetz. Erst damit wurde eine aktive und methodische Aufarbeitung der zahllosen Akten möglich.

Steffen war es wichtig, das Thema aus allen Perspektiven zu betrachten. Also nicht nur die rechtlichen Auswirkungen des Gesetzes herauszustellen, sondern auch die öffentliche Wirkung zu erforschen. „Wie reagierten die Menschen auf die Arbeit der Gauck-Behörde?“ Denn um die Menschen ging es: Sie waren es, die systematisch ausspioniert wurden.

Während seiner Tätigkeit für die Institution hatte Steffen tiefe Einblicke in die Arbeitsweise der Gauck-Behörde gewonnen. So flossen in seine Magisterarbeit umfangreiche Recherchen am Aktenmaterial selbst und Interviews mit den Mitarbeitern ein. Was er dabei herausfand, bestärkte ihn nur in seinen Erfahrungen mit dem Unrechtsregime der DDR.

„Ich habe auch wenig Verständnis für die Ostalgiewellen“, erzählt der junge Historiker. Allzu schnell werden Stasigefängnisse und Bespitzlungen angesichts des Vollbeschäftigungswunders vergessen. Steffen wünscht sich mehr Aufklärung und weniger Verklärung. Freiheit ist ein zu wichtiges Gut, um es leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Sie muss gewagt werden.

Vielleicht hatte auch Steffens Wellensittich Godo diesen Gedanken, als der aus der geöffneten Käfigtür floh, während Benni der andere Vogel nicht in die Freiheit folgte. Steffen kennt zwar nicht Godos späteres Schicksal, doch will er nicht ausschließen, dass ihm auch die Flucht über die Berliner Mauer gelungen ist.

Von solchen kleinen Geschichten zur großen Historik: Inzwischen hat sich Steffens Fokus von der Wendeproblematik wegbewegt. So untersucht er beispielsweise demokratische Prozesse in den britischen Kolonien oder das napoleonische Europa. Aber auch hier geht es immer um Freiheit, immer um Unabhängigkeitsbewegungen.

Die können auch groteske Formen annehmen, besonders, wenn die Bewegung der Schwerkraft folgt: Steffen muss noch immer grinsen, wenn er von seinem Dozenten erzählt, dessen Hose plötzlich bis zu den Knien hinabrutschte und den verblüfften Studenten tiefere Einsichten ermöglichte, als sie sich jemals gewünscht hatten.

Überhaupt empfiehlt Steffen mehr Humor in der Gesellschaft. „Die Menschen sollten sich nicht immer selbst so ernst nehmen.“ Einfach mehr Gelassenheit. Zumindest bei ihm spürt man sie schon.

Der junge Historiker wünscht sich für die Zukunft mehr Zeit für die Familie. Allerdings ohne Wellensittiche.

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