„Oh, Bülow du“ (Hausbesetzerreminiszenzen)

Anfänge in Schnee mit Sonnenblumen

Weißt du noch wie der hieß – Erinnerst du dich nicht mehr daran – da war irgendwas mit einem Drogendealer im anderen Aufgang und deshalb mussten wir Nachtwache schieben – Meine heroischen Kämpfe für Schwarzstrom. Den illegalen Kabelanschluss gibt’s bestimmt noch immer. Lass uns nachgucken.


Am 31. Januar 1981 öffneten die ersten Besetzer die Türen der Bülow 52. Das 30jährige Jubiläum wurde am vergangenen Wochenende groß gefeiert. Innerhalb von wenigen Wochen waren über 350 ehemalige BewohnerInnen auf dem Weg einer internen Webseite gefunden worden. Schon dort wurden Bilder ausgetauscht, Erinnerungen. Auch diejenigen, die erst am Tag zuvor angerufen wurde, hatte es schon längst über drei andere und ihren Friseur gehört.  

Danke an die, die das Haus besetzt haben. Wir haben hier trotz Stress, soziale Kompetenz und Instandbesetzung gelernt und das Haus für unsere Kinder erhalten. Die Arbeit hat sich gelohnt.

Sagte einer und sprach allen anderen aus Alle sind sich einig. Von denen, die jetzt 50-60 sind, über Jüngere Jugendliche, hin zu Kindern. Es ist ein Generationenfest. Es gibt eine Fete, Reden, eine Ausstellung, Musik, Gespräche, Gespräche.

Die ersten Besetzer von 81 gingen schon nach ein paar Jahren wieder. Sie sagen es seien die intensivsten Jahre ihres Lebens gewesen. Andere leben bis heute hier. Sie befinden sich an diesem Abend in einem kontinuierlichen deja-vu, je nachdem welchen Menschen sei aus welcher Phase begegnen.

Wer war Erstbesetzer“, „wer hat aufgeschlossen.“ „Ich bin erst nach zwei Monaten gekommen.“ „Ich war die erste, die hier ein Kind bekam.“ Bei der Wiederbegegnung gibt es klare Abstufungen. Rückkehrerinnen gehen durch die Aufgänge, schauen in ihre alten Wohnungen. Teilweise, ohne sie wiederzuerkennen. Sie stehen im Hof und deuten auf Fenster und Fassaden. Lassen sich die neuen Strukturen erklären. Es gibt jetzt einen Beachvolleyballfeld hinterm Haus – Wahnsinn.  

Die „Günter Grass Ecke“ auf dem Dachboden wird in ironischer Ehre gehalten. Er hielt hier eine Lesung, unterstützte die Besetzer. Und wieder kommt die Sprache auf „Wo eigentlich das Plakat hin ist, das Christo damals gespendet hat“ – eine Art Sponsoring halt – verweht in der Zeit.

In einem Aufgang waren die Frauen dominant. Einer erinnert sich: dort sei die Atmosphäre anders gewesen, nicht so aggressiv, sondern konstruktiver. Das fanden die Frauen auch. Früh gab es Diskussionen um die Einrichtung von Frauenküchen und Männerküchen. Ein anderer durfte in der Frauenküche bleiben und lernte nachhaltig, dass es da unterschiedliche Bedürfnisse gab.  

Das Mann/Frau-Thema war ein Thema definitiv. Ein 20-minütiger Spielfilm wurde darüber gedreht. Die Protagonistinnen schauen sich 30 Jahre später das Machwerk mit Humor an. 8Mm-Film, die Kamera surrt, die Sprache nimmt alle mit zurück in die 80er Jahre.  

Es gab eine spinnerte Katze, die griff alle an, die besoffen nach Hause kamen. Die Versuche, sie beim Besitzer im ersten Stock zu verbannen schlugen fehl. Sie hat eine eigene Sequenz im Film.  

Ein Aufgang hatte Telefon. Das hatte einer – dank eines freundlichen Postbeamten – aus der Goebenstrasse mitgebracht. Es lief auf den Namen Teddy Podgorski, so wie auch das Zeitungsabo und die Anmeldungen beim Einwohnermeldeamt.

Es gab einen Selbstmord in der Zeit.

Konflikte zwischen den Aufgängen wurden in der nahe gelegenen Pizzeria an nach Aufgängen getrennten Tischen diskutiert. Gab es nach mehreren Bieren doch Verbrüderungen, wurden die wiederum am nächsten Tag heftig diskutiert.  

Es gab einen im Bett entleerten Müllsack. Eine besondere Art der Auseinandersetzung.

Diskussionen ohne Ende. Man rang um die Strukturen, stritt. Man rannte los, wenn andere Häuser geräumt werden sollten und demonstrierte um wichtiges. Und man baute baute baute baute. Setzte instand. In vielen Häusern ringsumher schlug die Abrissbirne ein. Hier in der Bülow entstand bis heute gültiger Wohnraum.

„Ach Bülow du, ich lebte gerne hier, war überzeugt es könnte ewig so weiter gehen.“ Vorbei ist es auf keinen Fall. Da ist noch viel.

Weitersagen! Danke.
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Eine Antwort zu “„Oh, Bülow du“ (Hausbesetzerreminiszenzen)

  1. Nachtrag einer Spätbewohnenden
    Seit der Fete am Wochenende, beim Schreiben des Artikels und auch beim Betrachten der Fotos bin ich immer wieder beeindruckt über den Erfolg dieser Instandsetzung und auch die Nachhaltigkeit dieser Zeit. Ich war damals in England, wo der Falklandkrieg (übrigens auch im besagten Film dokumentiert) eine absurde Entwicklung nahm. Wie dem auch sei: ich schließe mich dem einen Redner an und sage Danke an alle.
    Die Fotos habe ich übrigens von der Wand abfotografiert, wo sie während der Party gebeamt wurden. Und von der Ausstellung – es sind also keine Originale. Danke an alle, die sie wieder rausgekramt haben.

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