im listrosjahr 2010 – 12 MALEREIEN VON GRIMMLING

Seine Bilder sind fast immer schwarz. Seine Autobiographie die umerziehung der vögel beginnt mit dem Kapitel „Das Schwarz.“ Schwarz ist er gekleidet.

Nur zu Jahresbeginn, da gibt es immer diese Farbtupfer. Das passiert. Auch Anfang 2011.

„Rot-grün-gelb,“ sagt Hans-Hendrik Grimmling belustigt. „Ich habe diesmal unbewusst die äthiopischen Flaggenfarben gewählt.“

Wir sitzen auf einem Ledersofa in einem Raum der Listros Galerie in der Kurfürstenstraße. In den anderen Räumen wird noch seine Ausstellung im listrosjahr 2010 – 12 MALEREIEN VON GRIMMLING vorbereitet. Links von uns ein Regal gefüllt mit Schuhputzmaterialien und äthiopischen Schuhputzkisten. An der Wand vier seiner Bilder.

Die Listros Galerie arbeitet mit KünstlerInnen, die mit ihren Arbeiten das Thema der Listros, der äthiopischen Schuhputzer, thematisieren und so ein Bewusstsein für ihre Situation in Äthiopien und Deutschland schafft. Der Erlös aus Exponaten ermöglicht die politisch-soziale Arbeit des Vereins. Während der Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm zu afrikanischen Themen.

In dem letzten Jahr traf ich hier jeden zweiten Tag mit Dawit Shanko und den StudentInnen von der btk zusammen und arbeitete mit ihnen am Projekt „Perspektivwechsel“. Dann ging ich ins Atelier und stand am eigenen Bild. Das Projekt war keine Störung, sondern half mir, mein Kontinuum zu halten.“

Das Projekt „Erste Berliner Glanzwerke: Für einen Perspektivwechsel auf Afrika“ des äthiopisch-deutschem Vereins Listros sollte dazu beitragen, so Dawit Shanko, das Klischee des hoffnungslosen Krisenkontinentes Afrika aufzubrechen. Professor Grimmling kuratierte die Ausstellung in den Potsdamer Platz Arkaden.

Dawit Shanko und Hans-Hendrik Grimmling

Dawit Shanko gründete Listros 2003 und bereits damals lernte auch Grimmling ihn kennen, denn gemeinsam mit seinen ostdeutschen Malerkollegen, Peter Herrmann, Wolfgang Petrick, Hans Scheib, Reinhard Stangl und Robert Weber schuf er Arbeiten, in denen sie ihren ganz persönlichen Blick auf den Lebensalltag der Listros (der äthiopischen Schuhputzer) festhielten.

Wir sind alle Weggegangene,“ sagt Hans-Hendrik Grimmling, der 1986 die DDR verließ. Wir sind Leute, die das ins Leben stecken, was sie nicht in die Bilder kriegen. Bei uns ist immer diese Energie gewesen, in Projekte einzusteigen, die einen Meinungstransfer zum Ziel haben.

Doch das Weggehen beschreibt er nicht nur als eine politische Äußerung, (seine Autobiographie heißt die Umerziehung der vögel, sondern auch als Möglichkeit, den eigenen Sehnsüchten zu folgen. In der DDR war Äthiopien nur als Staatsinstitution bekannt. Vertragsarbeiter aus dem Kongo, Namibia und Angola lebten hermetisch abgeschlossen von der Bevölkerung. An Afrika zu denken war eine exotische Fantasie,“ sagt der Maler. Afrika, das ist ein anderer Kontinent, eine andere Kultur. Da gab es einen Nachholbedarf.

Und so passte die Begegnung mit Listros in sein Lebens- und in sein Künstlerkontinuum Was ist Demut, was ist Freisein, das Freisein von der Welt und egomanischen Positionen, sind Fragen, die er zu beantworten sucht. Seine StudentInnen versucht er vom reinen Kommerz wegzubringen. Im Projekt Perspektivwechsel war deutlich, dass ein designerisches und ein soziales Produkt sich nicht ausschließen, dass Kunst auch immer eine soziale Komponente hat.

Als Künstler arbeitete Hans-Hendrik Grimmling im Listros-Jahr mit Elementen, die schon immer in seinen Malereien enthalten. Ich bin ein passionierter Zwei-Dimensionaler. Die 3-Dimensionalität erledigt die Fantasie. Das schönste Gesetz der Fläche ist das Kreuz. Das Kreuz ist das Zeichen unserer Mitte. Jeder Körper ist eine Kreuzkonstitution, das Kreuz gibt uns Halt. Ohne Kreuz gibt es keine Komposition.

Seine Bilder sind häufig seriell, doch er macht keine Skizzen, plant nicht. Farbe und Form sind im Widerstreit, unterstützen sich nicht immer. Meine Bildfindung geschieht über die Form, sowohl bei den Mensch- als auch bei den Objektfiguralen. Meine Bilder sind immer frei angelegt, ich beginne die Arbeit auf dem Boden, arbeite mit langen Stäben und versuche das Körperhafte in einem mentalen Transport auf die Leinwand zu bringen. Das ist keine bewusste Bildfindung, sondern Farbe und Struktur suchen miteinander etwas zu werden. Wenn das Bild dann an der Staffelei senkrecht steht, zeigt sich das Thema.

Die Begegnung mit Kunst dient dazu, den Sinn zu erkennen, seiner Selbst wahrhaftig zu werden, sagt er. Im Alltag spreche ich nicht so gerne von Demut, sondern von Besinnung. Wir leben zu sehr von Geschwindigkeiten, alles muss schnell verbraucht sein. Bei der Berührung mit einem Bruch, mit Not, erhalten wir die Aufforderung, uns zu besinnen, verlieren wir das Gefühl der Selbstvergewisserungen im Alltag. Erst nach der Katastrophe, wie jetzt in Japan, geschieht das. Wir kommen erst durch das apokalyptische Erleben zur Besinnung. Kunst versucht Formen zu finden, um die Klippe vor dem Abgrund zu antizipieren und zu beschreiben, dass es an dieser Stelle trotzdem schön sein kann.

Als er in der DDR lebte, hat sich Hans-Hendrik Grimmling immer gegen alle Autorität aufgelehnt. Stellte einen Ausreiseantrag und konnte 1986 mit Frau und Tochter nach West-Berlin ausreisen. Seitdem lebt er im Kurfürstenstraßenkiez ohne jedoch involviert zu sein. Immer orientiert hin zum Winterfeldtplatz. Künstlerisch im Weddinger Atelier zu Hause. In der Zwölf Apostel Kirche höchstens zu Weihnachten.

2001 wird er Dozent, 2007 Professor an der Hochschule für Gestaltung – btk-fh – Berlin in der Dernburger Straße am Anhalter Bahnhof. So werden die Wege kürzer. Im letzten Jahr die intensive Arbeit als Dozent bei Listros in der Kurfürstenstraße und die Ausstellung in den Potsdamer Platz Arkaden.

Nun sind die Bilder von Hans-Hendrik Grimmling bis 19. Mai bei Listros in der Kurfürstenstraße zu sehen. Keine fünf Minuten von seiner Wohnung. Wie gut, dass es Afrika gibt.

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VERANSTALTUNGSPROGRAMM IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG „im listrosjahr 2010 – 12 MALEREIEN VON GRIMMLING“ vom 31.03. – 19.05.2011 in der LISTROS-GALERIE

Donnerstag, 31.03.2011, 19 Uhr
Vernissage

Laudatio: Peter Herrmann
Musikprogramm von den ″Five Guys Named Moe“ swing.

Montag, 11. April, 18 – 20 Uhr,
Die Rolle des Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin in der deutschen Afrikapolitik

mit Günter Nooke, Persönlicher Afrikabeauftragter von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit April 2010 und Dr. Uschi Eid, Vizepräsidentin der Deutschen Afrikastiftung und ehemalige „Persönliche G8-Afrikabeauftragte von Bundeskanzler Schröder“.
Moderation: Christian Nakonz, Botschafter a.D., Repräsentant des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft in Berlin.

Mittwoch, 20.04. 19 Uhr
Dialogforum: „Piraten“ an Somalias Küste – Schrecken der Meere oder neue (inoffizielle) Küstenwache?

AfricAvenir lädt in die LISTROS-GALERIE ein zum Dialogforum mit dem somalischen Soziologen Mohammed Ahmed Hassen und dem aus Eritrea stammenden Politikwissenschaftler Yonas Endrias anlässlich des „Piratenprozesses“ in Hamburg.
Veranstalter: AfricAvenir

Donnerstag, 28. April, 19 UIhr
„Kunst und Entwicklungspolitik“

mit Randa Kourieh-Ranarivelo, Koordinatorin für Kultur und Entwicklung, GIZ und Dr. Annette Braun, eh. Kunstbeauftragte des Evangelischen Entwicklungsdiensts (eed) und Dr. Cornelia Dümcke, UNESCO-Expertin und Geschäftsführerin von Culture Concepts (angefragt).
Musikprogramm von den ″Latin Spectrum“ Jazz und Latin.

Donnerstag, 5. Mai, 19 Uhr
Die Listros Initiative und ihre Partner

Musikprogramm von den ″Five Guys Named Moe“ swing.

Freitag, 6.5.2011, 19 Uhr
Nest of Stones: Kenyan Narratives in Verse – Lesung mit Wanjohi Wa Makokha

Im Anschluss an die Lesung diskutiert der kenianische Literaturwissenschaftler über Kenia nach den Präsidentschaftswahlen 2007/8
Veranstalter: AfricAvenir

Samstag, 7. Mai, 19 Uhr
Filmvorführung Dokumentarfilm ″Listros“

Filmporträts von 5 Listros in Addis Abeba von Chandra Brook & Oliver Mojen April 2010
Ein ehrlicher Einblick in die Lebensphilosophie und den Alltag vieler jungen Listro in Äthiopien. Mit ungeheurer Liebe und Einfühlungsvermögen hat Oliver Mojen ein Stuck junges Leben in Äthiopien in Bild und Ton erfasst. Nichts ist gekünstelt, die Bilder widerspiegeln das wahre Leben fünf junger Schuhputzer aus Addis Abeba.

Donnerstag, 12. Mai, 19 Uhr
Bezirksbürgermeisters von Berlin Mitte, Dr. Christian Hanke im Gespräch

Seit jüngster Zeit ist in der Nachbarschaft der Listros Galerie ein neues Berliner Zentrum von Kunstgalerien im Potsdamerstraße-Kiez zwischen Neuer Nationalgalerie und Bülow Straße entstanden. Galeristen diskutieren mit dem Bezirksbürgermeister über die Perspektiven des Kiez.
Anschließend spricht Dr. Hanke mit afrikanischen Künstlern in Berlin.
Mitveranstalter: Galerie Peter Herrmann, Berlin

Dienstag, 17. Mai, 19 Uhr,
Afrikanische Kunst in Deutschland und ihre Sammler

mit Dorina Hecht und Günter Kawik (AutorInnen des Buchs „Afrika und die Kunst – Einblicke in
deutsche Privatsammlungen“, Bottrop, 2010, 488 Seiten) sowie drei Sammlern.

Donnerstag, 19. Mai, 19 Uhr
Finissage

Hans- Hendrik Grimmling liest aus seinem autobiographischen Buch „die umerziehung der vögel einmalerleben“, Halle 2008, 288 Seiten
Musikprogramm von Lisa Luyala mit Listro-Songs aus „Botschaften der Listros an die Welt“.

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