„Wer sich ausziehen will, zieht sich aus“

Von HU-Gastblogger Lukas Hecht

Aus der Vitrine hinter dem Tresen blickt mir ein gewaltiger Dildo entgegen. Umgeben von barocken Gemälden im Goldrahmen und penetrant blinkenden Lichterketten baumelt ein Segelschiff unter der uralten Diskokugel. Lady Diana lächelt mir freundlich von einem Wandteppich zu.

Geschmacklos – sagen die einen. Kult – die anderen. Sicher ist, dass es nur wenige Orte auf der Welt gibt, an denen Geschmacksverirrung und kuschelige Wohlfühlatmosphäre so nah beieinander liegen wie im Kumpelnest 3000.

Gegründet wurde die Kiezkneipe in Berlin-Tiergarten 1987 vom früheren Taxifahrer und heutigen Plattenproduzenten Mark Ernestus und avancierte schnell zu DEM In-Laden Berlins.

Seit 1999 ist Kai Uwe Kaemmerer Besitzer des Kumpelnests, das seitdem immer wieder an neuen Fans dazugewonnen hat. Zehn Jahre lang arbeitete der gebürtige Westfale aus Gütersloh bereits als Barkeeper hier, bevor die Bar in der Lützowstraße schließlich zum Verkauf stand. „Da habe ich nicht lange gezögert“, sagt er „und einfach zugeschlagen“.

„Das Besondere am Kumpelnest“, sagt Kaemmerer, „ist die wilde Mischung von Leuten“. In der als Schwulenbar verschrienen Kneipe trifft der zunächst verdutzte Besucher auf ein farbenfrohes Symposium unterschiedlichster Nachtgestalten: „Ob transsexuell, schwul oder hetero, Künstler oder Musiker. Im Kumpelnest ist jeder willkommen“, sagt Kaemmerer.  So sieht man nicht selten, dass ein 60-jähriger Zecher im Matrosenhemd neben jungen Touristen sein Bier kippt, während die 50-jährige Gunstgewerblerin am Tresen ihren Martini schlürft und auf Kundschaft wartet. Auch Prominente stürzen hier gerne mal ab: Max Raabe, Thomas Hermanns oder Ulla Kock am Brink. Selbst Karl Lagerfeld zog es mit Claudia Schiffer in den 90er schon einmal hierher.

Ob einem der gewagte Mix aus Soul und 50er Jahre-Musik von der 40 Jahre alten Tonbandkassette nun gefällt oder nicht. Irgendwann tanzt jeder, auf den Tischen oder am Boden, angezogen oder nackt. „Tabus gibt es nicht. Wer sich ausziehen will, zieht sich aus“, sagt Kaemmerer. Gefeiert wird vor allem am Wochenende zügellos und bis in die frühen Morgenstunden. Ob Events wie die „Fuck-Barbie-Parties“ oder „Pretty-Penis-Contests“:  Das Team des Kumpelnests lässt sich immer etwas Neues einfallen. Langweilig wird es hier nie.

Das Kumpelnest ist dabei wie Berlin selbst: Verrückt, liberal und auch ein bisschen schmuddelig. Ein Berlin ohne seine „kuschelige Höhle“, wie er es nennt, kann sich Kai Uwe Kaemmerer gar nicht mehr vorstellen. „Im Prinzip bin ich nach Berlin gekommen, weil es so einen Laden wie das Kumpelnest hier gibt“, erzählt er.

In mittlerweile 23 Jahren seit Eröffnung hat sich vieles im Kiez verändert. Nur das Kumpelnest selbst nicht. Das Interieur des ehemaligen Puffs und Lesbentreffs ist seit bald 25 Jahren annähernd dasselbe geblieben und hat sich dabei seinen kuriosen Charme bis heute erhalten. Winzige Toiletten und ein Tweety-Bild über der ramponierten Kloschüssel tun dem keinen Abbruch.

Vielleicht ist dies auch einer der Gründe, warum das Kumpelnest so beliebt ist und mittlerweile sogar schon in internationalen Reiseführern zu finden ist. Das Kumpelnest bleibt unberührt von der Schnelllebigkeit unserer Zeit, von Konformismus und Konventionalität.  „Das Kumpelnest ist einzigartig auf der Welt!“, sagt Kai Uwe Kaemmerer stolz. Dafür lieben es seine Fans.

Fotoquelle: http://www.kumpelnest3000.com

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