von HU-Gastblogger Janosch Werzl
AFRICAVENIR LÄDT EIN ZUM DIALOGFORUM:
„PIRATEN“ AN SOMALIAS KÜSTE – SCHRECKEN DER MEERE
ODER NEUE (INOFFIZIELLE) KÜSTENWACHE?
Am 20. April, 19 Uhr findet in der Galerie Listros, Kurfürstenstraße 33, in Tiergarten-Süd anlässlich der Piratenprozesse in Hamburg eine Veranstaltung mit dem somalischen Soziologen Mohammed Ahmed Hassen und dem aus Eritrea stammenden Politikwissenschaftler Yonas Endrias statt.
Nicht nur die Piratenprozesse, auch die Piraterie vor Somalia als solche mitsamt ihren Auswirkungen und Hintergründen soll dabei beleuchtet werden. Es geht vor allem um die Frage:„Warum gehen einfache Fischer solch ein Risiko ein?“, so Judith Strohm, Geschäftsführerin von AfricAvenir International e.V..
Piraterie fasziniert ohne Frage, was bisweilen bizarre Ausdrucksformen finden kann, wie beispielsweise in diesem kleinen Online-Spiel. Trotzdem mögen uns die Piraterie vor Somalia und ihre Hintergründe weit weg vorkommen. Sich damit zu beschäftigen ist allerdings sehr wichtig. Und das nicht obwohl, sondern gerade weil in unserem näheren Umfeld niemand wirklich davon betroffen zu sein scheint. Wirtschaftliche Schäden sind immer abstrakt, solange man ihretwegen nicht spürbar weniger Geld in der Tasche hat und nur selten ist mal ein deutscher Kapitän unter den Geiseln der Piraten.
Andere Menschen aber, unterbezahlte, nichtdeutsche Schiffbesatzungen, leiden darunter und einfache Fischer werden zu Piraten. Die meisten Güter, die auf dem Seeweg nach Deutschland importiert werden, kommen durch den Golf von Aden. Wer nur böse Piraten vor der Küste eines bürgerkriegszerrütteten afrikanischen Landes sieht, macht es sich dabei zu einfach. Schon die Aussage „I’m not a pirate. I’m a fisherman.“ von einem, der zehn in Hamburg angeklagten Somalier, macht dies deutlich.
„Durch den Staatsverfall in Somalia wurden hoheitliche Aufgaben zur See nicht mehr wahrgenommen. Internationales Recht, Seerecht und Fischereirecht z.B., wurde mit Füßen getreten. Die Fischbestände vor Somalia wurden leer gefischt. Durch die Verkappung von Chemie- und Nuklearabfällen wurde die Küste verseucht. Es ist sehr interessant zu sehen, wann die sogenannte internationale Gemeinschaft plötzlich auf die Durchsetzung internationalen Rechts pocht. Das passiert nämlich erst, wenn wirtschaftliche Interessen ernsthaft gefährdet sind.“, erklärt Judith Strohm.
Ihr geht es nicht darum, die Piraten zu entschuldigen. „Es geht darum zu verstehen, was Menschen dazu treibt, sich von kriminellen Kräften anwerben zu lassen. Es geht um die Zusammenhänge und auch unsere Verantwortung hier in Deutschland. Deutsche Reedereien lassen ihre Schiffe unter allen möglichen Flaggen fahren, um hier keine Steuern zu zahlen, aber Steuergelder werden für diesen kostspieligen Militäreinsatz im Golf von Aden ausgegeben.“
Auch Yonas Endrias ist daran gelegen, „die andere Seite der Geschichte“ zu erzählen. Die Geschichte der verheerenden Auswirkungen des Tsunamis 2004, der große Mengen von Gift- und Nuklearmüll an Land spülte und sowohl Krebsraten als auch die Zahl von missgebildeten Kindern rasant ansteigen ließ, z.B.. Zur anderen Seite der Geschichte gehört auch der spürbar positive Einfluss, den die Aktivitäten der Piraten auf das Ökosystem vor Somalia haben. „Die Fischbestände haben sich merklich erholt, sogar bis in kenianische Gewässer. Man kann sagen, dass die Piraten als eine Art inoffizielle Küstenwache fungieren.“
All diese Geschichten tauchen in den Medien hierzulande, wenn überhaupt, nur am Rande auf. Viel eher wird darüber berichtet, wie man sich militärisch oder präventiv vor Enterungen schützen kann, so gut wie nie etwas über die Hintergründe des Ganzen. „Darüber will niemand reden. Das liegt daran, dass die europäischen und sogenannten westlichen Medien in der Mehrheit letztendlich auch nur die Interessen ihrer Regierungen und Staaten vertreten.“, so Yonas Endrias.
„Wir versuchen Situationen, die relativ einfach scheinen, in ihren komplexen Kontext zu stellen.“ umreißt Judith Strohm den Anspruch von AfricAvenir an die eigene Arbeit. Das sollte auch bei dem Dialogforum am 20. April gelingen; eine Veranstaltung, bei der es sich sicher lohnt, dabei zu sein.
Lesen Sie mehr zur Arbeit von AfricaVenir am kommenden Mittwoch.