STADT-entwicklung und Entwicklung-sPOLITIK

Eine Veranstaltung bei Listros zum Thema „Kunst und Entwicklungspolitik“ brachte mich auf den Gedanken, einige der an dem Abend vorgestellten Ideen doch mal auf das Thema Stadtentwicklung und Potsdamer Straße zu übertragen.

Doch bevor ich dazu komme, noch ein Hinweis auf die Veranstaltung „Kiezperspektiven – Erst Kunststraße jetzt Kunstmeile“, zu der LISTROS am 12. Mai um 19 Uhr gemeinsam mit dem Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke einlädt. Hier wird es um Perspektiven an der Potsdamer Straße im Angesicht der gegenwärtigen Entwicklung zur Galerieszene gehen.

Zurück zum Thema: Bei der Gründung Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vor 50 Jahren wurde klargestellt, dass Kulturpolitik als Begriff in keinem BMZ-Papier zu erscheinen habe. Die kulturelle Dimension menschlichen Lebens war per definitionem kein Bestandteil von Entwicklungspolitik.

Mit diesem Hinweis auf eine heute unvorstellbare Herangehensweise eröffnete Konrad Melchers, (eh. Chefredakteur der „Zeitschrift Entwicklungspolitik“ – heute „Welt-Sichten„) die Veranstaltung KUNST UND ENTWICKLUNGSPOLITIK, die im Rahmen der Ausstellung „im listrosjahr 2010“ von Prof. H. H. Grimmling in der letzten Woche stattfand. Natürlich ist immer noch zu fragen, ob Kunst in solch einen Funktionszusammenhang gestellt werden sollte. Denn es besteht die Gefahr der Instrumentalisierung, manche Künstler beschreiben solch ein Vorgehen als Propaganda.

Beim Quartiersmanagementverfahren ist es doch ganz ähnlich. Nach einer langen Zeit der Bauprojekte, wurde der Fokus doch erst in den letzten Jahren auf das Erreichen nachhaltiger Strukturen durch Kultur und Bildung gelegt.

Foto: Thabo Thindi - Jozi.tv

Deshalb war es umso spannender zu hören, wie Annette Braun (eh. Kunstbeauftragte des Evangelischen Entwicklungsdiensts – eed ), Randa Kourieh-Ranarivelo, Koordinatorin für Kultur und Entwicklung, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – GIZ ) und Cornelia Dümcke, Kulturökonomin und Projektentwicklerin, Culture Concepts auf dem LISTROS-Panel diskutierten, inwieweit sich die alten Positionen überholt haben und wie Kunst und Entwicklungspolitik heute zusammen gehen.

Während die United Nations – Milleniumsziele im Jahr 2000 Kultur noch überhaupt nicht mit einschlossen, gab es zehn Jahre später die Vereinbarung, dieses Versäumnis nachzuholen. Der Evangelische Entwicklungsdienst (eed) hingegen befasst sich schon länger mit der Vereinbarkeit von Kultur und Entwicklungspolitik. „Kultur ist eine ergänzende Dimension und vermag etwas, das Entwicklungspolitik nicht kann,“ sagte Annette Braun. „Kunst geht über die kognitive Dimension hinaus und kann unter die Haut gehen. Kulturelle Vielfalt kann Menschen helfen, ihre eigenen Stärken zu entdecken und zu leben. Gleichzeitig initiiert Kunst gegenseitige Wertschätzung und kann durch den Abbau von Vorurteilen Heilungsprozesse anstoßen.“

Foto: Thabo Thindi - Jozi.tv

In ihrem Beitrag kam Cornelia Dümcke sehr schnell zu den noch existierenden Stolpersteinen zurück. „Das Begriffspaar Kultur und Entwicklung hat an Bedeutung gewonnen und es wird nicht mehr bestritten, dass Kultur in den Entwicklungszusammenhang gehört,“ bestätigte sie zunächst, um gleich hinzuzufügen, dass eine strategische Verankerung noch immer unendlich schwierig sei. „Viele politische Beamte betrachten die kulturellen Sektoren als untergeordnet, denn sie verbrauchen mehr Geld als sie generieren. Aber diese Arbeit und Beschäftigung nur auf Umsatz abzuklopfen, reduziert die Debatte. Es entspricht nicht der Arbeitsweise von Kunst, immer Resultate zu erzeugen.“ Hier sei Übersetzungsarbeit nötig, denn Künstler und Entwicklungspolitiker sprächen völlig unterschiedliche Sprachen.

Na, das haben wir ja gerade bei den (immer noch andauernden) Kürzungsdebatten erlebt. Liest man die Verlautbarungen aus dem Bauministerium, ist eine gemeinsame Sprache nicht zu erkennen. Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit ist auch hier dringend notwendig.

Foto: Thabo Thindi Jozi.tv

Alle waren sich einig, dass durch die Besinnung auf den Begriff der aktiven kulturellen Teilhabe einiges erreicht werden könne. Cornelia Dümcke verwies auf Studien, die klar zeigen, dass Individuen sich durch kulturelle Teilhabe verändern, dass ein enger Zusammenhang zwischen kultureller Teilhabe und Wohlbefinden besteht und dass sich all dies positiv auf die Volkswirtschaft auswirkt. Außerdem besteht ein enger Zusammenhang zwischen kultureller Partizipation, Bildung und Ökologie. Und nicht zuletzt bedeutet lebenslanges Lernen eine kulturelle und darüber hinaus eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft.

Da gäb es aus allen QM-Gebieten zahlreiche praktische Beispiele zu liefern.

Über die Kreativwirtschaft, so Konrad Melchers in einem weiteren Gedankengang, sei es möglich deutlich zu machen, dass alle Kulturen ihre eigenen Kulturstärken haben. „Damit sind Begegnungen auf Augenhöhe möglich,“ fügte er hinzu. „So können Veränderungen leichter erreicht werden.“

Diesen Gedanken finde ich ja gerade in Hinblick auf die sich ansiedelnden Galerien spannend. Bei meinem Spaziergang durch die Potsdamer Straße am Gallery Weekend hatte ich nicht den Eindruck, dass die Nachbarschaft unterwegs war. Die Frage ist, wie zwischen diesen beiden Welten vermittelt werden kann.

(Nebenbemerkung: Leider hat das örtliche Gewerbe auch nicht die Chance genutzt, die BesucherInnen willkommen zu heißen. Sonntag um 15 Uhr war kein Krümelchen Kuchen mehr zu finden.)

All dies ist ein Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation,“ ist Randa Kourieh-Ranarivelo überzeugt. „In unseren Projekten geht es allerdings nicht um reine Kultur. Diese steht immer im Zusammenhang mit strukturellen Bedingungen. Doch ist Kultur die vierte Dimension einer nachhaltigen Entwicklung. Wenn man sich in Afrika nicht um Kultur kümmert, kann man Ziele nicht erreichen. Das ist eine international anerkannte Tatsache.“

Dito Potsdamer Straße.

Inwieweit internationale und damit auch deutsche Hilfe in Afrika wichtig ist, dazu gab es abschließend zwei gegensätzliche Bemerkungen. „Im südlichen Afrika sind es die internationalen Organisationen, die gerade auch kritischen Künstlern die Möglichkeit einer Stimme geben, indem sie finanzielle Unterstützung für Projekte zur Verfügung stellen,“ sagte Cornelia Dümcke.

Annette Braun hingegen vertraut eher auf die Eigenständigkeit. „Wir brauchen keine Sorge zu haben,“ sagte sie. „Künstler in Afrika machen das auch ohne GIZ und eed.“

Frage bleibt, wie wir es hier ohne Quartiersmanagementverfahren machen. Doch da bahnen sich ja mit dem Projekt INITIATIVE Bürgerstiftung auch neue Wege an.

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