Von HU-Gastbloggerin Nele
Es ist ein grauer Sonntagnachmittag im März an dem ich mein Fahrrad neben mir herschiebend in die Straße „Am Karlsbad“ einbiege. Da meine Kette heute bereits drei mal abgesprungen ist, sehe ich keinen Grund, mir die Hände erneut schmutzig zu machen. Es erscheint ohnehin angemessener die Straße zu Fuß zu erkunden, die Spazierenden erwecken den Eindruck als nehme man die Sonntagsruhe hier besonders ernst. Ich versuche mich anzupassen.
Während an der rechten Straßenseite Gründerzeitarchitektur und 60er-Jahrebau eine typische Berliner Häuserfront formen, trennt eine großflächige Grünfläche zu meiner linken Hand die Straße vom Landwehrkanal. Die Hausfassaden entlang schlendernd, frage ich mich, was sich hinter ihnen verbergen mag. Firmenschilder und Ball spielende Kinder deuten auf eine gewöhnliche Mischung aus Wohn- und Gewerbegebiet hin. Eine Werbeagentur, eine Versicherung und ein gemeinnütziger Verein. Daneben: Zwei Frauen unterhalten sich auf einer Bank und Jugendliche versammeln sich um ein Mobiltelefon aus dem laute Musik tönt.
Ein paar Meter weiter fortgeschritten türmt sich vor mir nun ein besonders luxuriös saniertes Gründerzeitgebäude auf. Die großen Fenster der Parterrewohnungen eröffnen einen Blick in stilvoll eingerichtete Wohnzimmer mit bürgerlich gefüllten Bücherregalen. Die daran angrenzenden Bauten wirken durch das aufwendig modernisierte Gebäude noch sanierungsbedürftiger. Doch vermutlich werden mutige Investoren auch hier bald den Sparzwang der Nachkriegszeit gewinnbringend hinfort sanieren – schließlich befinde ich mich in einem aufstrebenden Bezirk in Zentrumsnähe.
Ich wechsele die Straßenseite und begebe mich die Parkanlage. Meine Vorrecherchen befähigen mich zu einem kurzen historischen Exkurs: Bei der Anlage handelt es sich um das ehemalige Gelände des Kurbads „Auf dem Karlsbade“. Den Namen erhielt das Bad vermutlich nach dem Geburtsort des Badeanstaltsbesitzers Chmelick. Wo heute alles grün ist, standen nach der Schließung der Anstalt bis zum zweiten Weltkrieg Wohnhäuser. Ich stelle mir vor, wie das Gras im Sommer einen saftigen Grünton hat, wie der Wind durch die dichten Baumkronen rauscht und die Sonne kleine Glitzersteine in den Landwehrkanal streut. Schön – denke ich und starre in den grauen Himmel.
Mit einer ausgedehnten Betrachtung von Hans Haffenrichters Bronzeplastik „Der Schreitende“ beende ich schließlich meinen Rundgang. Die Figur scheint diesen Nachmittag karikieren zu wollen. Das Fahrrad nach Hause schiebend beschließe ich, meinen Artikel über die Straße mit dem Widerwillen meiner Fahrradkette zu beginnen. Ich sollte im Sommer wiederkommen.