Kleine Menschenkunde im Second-Hand-Geschäft

Erstellt im Rahmen des Kurses „Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ am Career Center der Humboldt Universität, Sommersemester 2012

Eine Sache vorweg. Zwischen Vintage und Second-hand Bekleidung gibt es eine  Abgrenzung: das Alter. Second-hand Kleidung wurde zu einem unbeachtlichen Zeitpunkt in der Vergangenheit einmal getragen. Genau wie Vintagekleidung. Doch lässt sich diese einer bestimmten Zeit zuordnen. Man sagt Ihr auch nach, dass sie wie ein Wein zu Hand haben ist- je älter, desto besser.

Fakt ist, dass „Vintage“ ein Begriff ist, der regelmäßig zur Preissteigerung von alter und intakter Ware verführt.

Das etwas andere Einkauferlebnis

Bei ReSales ist das anders. Das Geschäft auf der Potsdamerstraße mag mit dem Slogan „ReSales-second hand & more“ werben, aber im gepflegten Geschäft lässt sich auch der ein oder andere getragene Vintageschatz bergen.

Für jeden Geschmack und jeden Anlass haben wir was da.“, klärt mich Marita Sonnenburg (55), Angestellte bei ReSales, auf. „Wir haben Festmode, etwas fürs Oktoberfest, Fasching und erotische Berufe. Sogar für den Christopher-Street-Day können wir unsere Kundschaft einkleiden!

Das Publikum, das sich im Laden tummelt und die nach Farben und Größen sortierten Kleiderstangen durchforstet ist so bunt gemischt, wie die zum Kauf gebotene Ware. Zwischen den Wühltischen mit Pantoffeln, Kuscheltieren, 1-Euro-Oberteilen und Nachtwäsche schlängeln sich Kunden, verschiedenen Alters und Geschlechts. Dabei haben Sie eines gemeinsam: Sie teilen nicht den gleichen Stil.

Individualisten stöbern neben Schnäppchenjägern

Wir haben viele Stammkunden. Manche halten sich über viele Stunden im Laden auf oder sie kommen mehrmals am Tag. Sie wissen, dass wir jeden Tag neue Ware geliefert bekommen.“

Die Ware kommt aus Apolda (Thüringen), dem Firmensitz von ReSales. Dort wird die Ware sortiert und an die 6 Geschäftsstellen in Berlin verteilt. Es wird streng geachtet, dass nur „das Beste in die Geschäfte kommt. Alles muss in einem Top-Zustand sein“, erklärt Frau Sonnenburg.

Aber ein Besuch in ReSales steht nicht nur für Schnäppchen und ausgefallene Einzelstücke, es bedeutet auch anderen Menschen zu begegnen.

Aus den Umkleidekabinen hört man Gekicher.  Vor den Spiegeln begutachten sich die KundInnen kritisch. Es dauert keine Minute, da tritt eine englische Dame heran und fragt ernst, ob ihr ein blaues Spitzenkleid stehe. Könne Sie das noch tragen? „It must have been hand-made. There is no label. But it fits perfectly” Sie zögert noch ein wenig. “Don’t I look silly? Is it too much?

Bevor man überhaupt antworten kann, hat sich bereits eine weitere Dame zu uns gesellt und bittet ebenfalls um Rat und um Tat:  der Reißverschluss klemmt. Ehe ich mich versehe wurde ich vom Interviewer zum Berater befördert.

Und dann klingelt auch noch ein Handy. Eine Frau in der Umkleide hebt ab. „Ja, ich hab schon Feierabend. Aber ich bin an diesem Second-Hand-Laden vorbei gekommen und dann musste ich unbedingt etwas anprobieren!

von  Susanna Ott

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>