Artikel von Gastbloggerin Anne geschrieben im Rahmen des Sommerkurses 2012 “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” am Career Center der Humboldt Universität
Lange Zeit hielt sich der Verein Berliner Künstler der Tradition verpflichtet und verweigerte sich neuen Wegen der Kunst. Dies war sicherlich auch den Wirren der Nazi-Zeit geschuldet. Heute zeigt sich der Verein nicht zuletzt durch einen neuen Vorstand deutlich offener gegenüber internationalen Künstlern und Bewegungen, wie die Ausstellung ISTANBUL_related beweist.
Der Verein war seit seinen Anfängen in der Gegend um die Potsdamer Straße ansässig – nach dem Krieg befand er sich zunächst am Lützowplatz, musste sein dortiges Domizil allerdings bald aufgeben. Mitte der 1960er Jahre erwarb der VBK das denkmalgeschützte Stadthaus am Schöneberger Ufer. Dieses erfüllt bis heute die an seinen Kauf gestellten Erwartungen und beendete endlich eine lange Phase von Unklarheiten in Bezug auf die Nutzung der Räume am Lützowplatz.
Als ich die Ausstellung INSTANBUL_related betrete, ist der Landwehrkanal und der laute Berliner Verkehr des Schöneberger Ufers schnell vergessen. Ein bisschen habe ich das Gefühl in eine andere Welt einzutauchen, sobald ich die Ausstellung ISTANBUL_related des Vereins Berliner Künstler betrete. Es werden Bilder, Installationen und Performances gezeigt, die allesamt innerhalb von 11 Tagen seit Beginn der Ausstellung im Kunstlabor, d.h. vor Ort in der Galerie des VBK, entstanden sind.
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Helga Ntephe, ISTANBULER FUNDSTÜCKE, 2012
Die Künstler setzten sich in dieser Zeit intensiv mit der Stadt Istanbul auseinander. Dabei könnten die Zugänge zur Stadt und ihrer Kultur unterschiedlicher kaum sein, denn jeder der Künstler experimentierte auf seine Weise mit der Laborsituation und fand eine individuelle Herangehensweise. Und so entstanden für eine Kunst-Ausstellung durchaus auch ungewöhnliche Ergebnisse wie der „Pergamon-Altar“ von der Künstlerin Nänzi und die dazugehörige „Moschee“ – nur wer seine Schuhe vorher auszieht, darf ihren Altar betreten und selbst Wasser zum Füße waschen wurde bereitgestellt.
Im Gespräch mit der Projektleiterin Helga Ntephe wird für mich deutlich, dass der Verein Berliner Künstler in den letzten Jahren eine ziemliche Entwicklung durchgemacht hat. 1993 war sie eine der ersten Frauen, die dem Verein beitraten. Dass der Verein beinahe 150 Jahre lang für ausgeprägtes Traditionsbewusstsein und eine vielmehr konservative Linie stand, ist nach dem Besuch der Ausstellung zum Thema Istanbul nur schwer vorstellbar.
Anderer Umgang mit Künstlern und Projekten
Sowohl die Initiatoren des Projekts als auch die Künstler begegnen einem mit einer angenehmen Offenheit und Frische. Besucher als auch Künstler der Ausstellung kommen aus den unterschiedlichsten Nationen und sind unterschiedlichsten Alters. Dieser Image-Wandel scheint auch für die Mitglieder des Künstlervereins ziemlich wichtig zu sein, so erklärt die Künstlerin Simone Kornfeld: „Ich bin dem Verein Berliner Künstler erst dieses Jahr beigetreten, habe die Entwicklung des Vereins allerdings über längere Zeit verfolgt. Für mich war gerade die internationale Öffnung des Vereins Voraussetzung dafür, dass ich Mitglied wurde.“
Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit
Helga Ntephe erzählt von Bildern eines jüdischen Künstlers, die erst kürzlich in den Archiven des Vereins Berliner Künstler auftauchten. Ab dem Jahr 1934 fehlt von diesem Künstler jede Spur, später ist man bei der Recherche auf eine Todesanzeige gestoßen. Auch dies gehöre zur Geschichte des Vereins. Tatsächlich ist eine kollektive Aufarbeitung der Vereinsgeschichte während der Zeit des Dritten Reichs lange Zeit nicht möglich gewesen.
Für viele der älteren Vereinsmitglieder war eine Aufarbeitung gerade wegen des Gefühls eigener Betroffenheit nicht einfach. Obwohl die Bereitschaft dazu wohl da war, wussten sie eine lange Zeit einfach nicht wie eine Aufarbeitung aussehen kann. Erst jetzt, mit dem Einhergehen einer gewissen Distanz zu der Zeit des Dritten Reichs, sei eine Aufarbeitung für den Verein wirklich möglich.
Denn nicht nur ein Mal befand sich der VBK auf der Suche nach neuen Wegen, die er zum Teil auch fand. Nach dem Krieg konnte der Verein erst im Jahr 1949 wiederbelebt werden, was vor allem dem Engagement des Bildhauers Arthur Hoffmann zu verdanken war. Spätestens seit den 1950er Jahren versuchte der Verein von seinem Altherren-Image loszukommen und damit auch attraktiv für jüngere Künstler zu werden.
Dies dauerte allerdings längere Zeit, zumal der Verein erst 40 Jahre später die erste Frau aufnahm. Inzwischen hat sich der Verein Berliner Künstler vor allem auch international geöffnet, was insbesondere von den jüngeren Mitgliedern sehr begrüßt wird. Dank neueren künstlerischen Ansätzen des Vereins kommt es verstärkt zum Dialog zwischen älteren und jüngeren Mitgliedern. Und gerade die älteren Mitglieder merken, dass ihnen ein solcher Austausch gut tue, erklärt mir später Helga Ntephe.
Neue Wege der Kunst
Eine Ausstellung des Vereins Berliner Künstler wie ISTANBUL_related wäre vor 60 Jahren oder gar darüber hinaus nicht denkbar gewesen. In den letzten Jahren ist ein Ruck durch das Bewusstsein der Vereinsmitglieder gegangen, der es ermöglicht neue Wege der künstlerischen Arbeit zu bestreiten. Dass der Verein sich auch internationalen Künstlern gegenüber geöffnet hat, wurde höchste Zeit – ein „Neuanfang“ ist gemacht, wenngleich ein solcher Wandel noch viel mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Man darf gespannt sein, was folgt und welche Wege der Verein in Zukunft bestreiten wird.