Eine engagierte Apothekerin in einem schillernden Kiez: Ulrike Schinagl und ihre Bülow-Apotheke

Von HU-Gastblogger  Christian

Auf halbem Wege zwischen grünem Hinterhof mit herrschaftlichem Altbau einstiger Besetzer und marodem Plattenbau mit 1-Euro-Shop im Erdgeschoss, zwischen Internationale-Lebensmittel- und Erotik-Shop, Deutscher Bank und Woolworth liegt – direkt an der Potsdamer Straße – die Bülow-Apotheke. Wie mag der Arbeitsalltag einer Apothekerin in einem solch vielfältigen Stadtviertel aussehen?

Eine Apotheke mit Kunststoff-Röhrendecke
Als ich die Bülow-Apotheke betrete, berät deren Inhaberin, Ulrike Schinagl, mit der ich zum Gespräch verabredet bin, gerade eine Kundin über Feuchtigkeitscremes für trockene Haut. Derweil sehe ich mich in der Apotheke um, was Frau Schinagl wohl nicht entgangen ist, denn kaum hat sie sich mir zugewandt, bemerkt sie mit einem kurzen Blick zur Decke: „Zum Glück schaut da kaum ein Kunde hinauf.“ Die Decke ist ein Meer von in den Raum hineinragenden Kunststoff-Röhrchen, ein typisches 70er-Jahre Design, in dem ich mich ziemlich wohlfühle. „Ja, die jungen Leute mögen das. Ich weniger“, kommentiert Frau Schinagl meine Begeisterung. Zugegeben, ich habe die 70er auch nicht erlebt. Jene Decke hat Frau Schinagl zusammen mit der dazugehörigen Bülow-Apotheke im Jahr 2009 gekauft, wohl auch, da zu dieser Apotheke ein treuer Kundenkreis gehört, den die Vorbesitzer seit den 50er-Jahren, damals noch in einem Gebäude zwei Häuser weiter, aufgebaut haben.

Dorf-Flair an der Potsdamer Straße
Die Tätigkeit in ihrer „Kiez-Apotheke“ gefalle ihr, erzählt Frau Schinagl, sie freue sich immer, wenn Kunden, vor allem ältere Menschen, aus ihrem Leben erzählten und sie ihnen dann „Lebenshilfetipps“ mitgeben könne.die Bülow-Apotheke Ihre „internationale Kundschaft“ wiederum sei froh über jede Beratung zu Medikamenten, da sie deren Aufschriften mitunter gar nicht lesen könnten! Süßigkeiten und kleine Präsente in einem Regal ihres Büros erzählen von der Dankbarkeit ihrer Kunden. Diese gäben manchmal sogar Trinkgeld! –  sie sei auch jedes Mal erstaunt und leite es dann schnell an ihre Angestellten weiter – aber freuen tue es sie schon. Eine ganz andere, herablassende Umgangsweise habe sie – damals selbst noch als Angestellte – in Grunewald erlebt. Seit 1983 ist Frau Schinagl schon in Berlin, hat hier studiert und unter anderem in Neukölln, Zehlendorf und Reinickendorf gearbeitet. Richtig wohl aber fühle sie sich erst hier an der Potsdamer Straße. Denn es sei ein „gesunder Kiez“, in dem die Bewohner aufeinander aufpassten – „auf die liebevolle Art“. Laut einer Statistik, die Frau Schinagl zufällig zur Hand hat, soll selbst die Kaufkraft in dieser Gegend nur leicht geringer als im gesamtdeutschen Durchschnitt sei – allerdings im Umkreis von 1,5 Kilometern. Es sei ein „schönes Arbeiten“ in einem „schönen Kiez“. Von schlechten Seiten ihres Viertels möchte Frau Schinagl nichts wissen…Zugegeben, „schillernd“ und „nachtaktiv“ sei er…

„Ein schöner Frauenberuf“?
Als sie ihr Studium begann, hatte sie noch gedacht: Apothekerin zu sein, sei „ein schöner Frauenberuf mit Teilzeitarbeit“. Ganz anders aber sieht ihr Alltag heute aus: Von 60- bis 70-Stunden-Wochen, wenn der Nachtdienst ansteht, und Arbeit an Feiertagen berichtet sie, dazu kommt noch die Verantwortung für ihre beiden Mitarbeiter und die Bürokratie, für die man nicht eigens ausgebildet werde: „Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. Man muss schnell losschwimmen, damit man nicht friert.“ Beklagen will sie sich darüber nicht: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Aber zum Glück hat man auch mal Urlaub!“ Den sie als Inhaberin immerhin selbst festlegen könne? „Nein, darüber entscheiden wir als Team demokratisch.“

Gesundheitspolitischer Druck auf lokal verwurzelte Apotheker
Aufregen aber könnte sie sich über gesundheitspolitische Entscheidungen, die die direkt an einem zentralen Ärztezentrum angesiedelte, vermutlich anonymere Apotheke anstrebten. Die lokal verwurzelte Apothekerin, die sich um ihre Kunden persönlich kümmere, sei nicht mehr gewollt, Hindernisse würden ihr in den Weg gelegt, etwa durch wechselnde Rabattverträge von Krankenkassen mit Pharmaunternehmen, die dazu führten, dass sie als Apothekerin ihren Kunden immer wieder andere Medikamente verkaufen müsse, was bisweilen den Unmut der Kunden hervorrufe: Sie müsse sich dann auf zeitintensive Diskussionen darüber einlassen, warum sie denn ein anderes, wirkungsgleiches Medikament verkaufe. Dabei änderten sich einfach die Rabattverträge der Krankenkassen. Ob der Festpreis, den sie für den Verkauf jeder Medikamentenpackung erhält, richtig bemessen ist? Sie möchte jedenfalls ihren Stundenlohn lieber nicht ausrechnen…

Wer hat den Blumenkübel demoliert?
Als beim Abschied ihr Blick aus dem Fenster fällt, erinnert sich Frau Schinagl doch noch an die schwierigeren Seiten ihres Viertels, wenn etwa die Blumen, die sie vor der Bülow-Apotheke gepflanzt hat, in der Nacht herausgerissen und an die nächste Schaufensterscheibe geschleudert wurden. „Das sind bestimmt ortsfremde Jugendgruppen gewesen“, ergänzt sie schnell. Von dieser Seite lerne ich das Viertel auch selbst noch kennen, als ich zu meinem Fahrrad trete und feststellen muss, dass das Ventil des Vorderrads aufgedreht wurde, so dass dessen gesamte Luft entwichen ist! Ob das wohl auch jene ortsfremden Jugendgruppen waren?

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Eine Antwort zu “Eine engagierte Apothekerin in einem schillernden Kiez: Ulrike Schinagl und ihre Bülow-Apotheke

  1. Diese nette Apotheke in unserem Kiez hat seit 2014 eine Website: http://www.buelow-apotheke.de

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