Geschrieben von HU-Gastblogger Florian
Seit 1986 sorgt die BEGiNE in ihren Räumlichkeiten für ein dichtes Veranstaltungsprogramm für Frauen. Ob Zerstreuung, Workshop oder Diskussion. Der Verein ist aus Berlins Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken und für viele Frauen unverzichtbar.
Geschichte des Hauses
Es begann im Berlin der 80er Jahre, als die Stadt noch eine kapitalistische Enklave war, von der Welt vergessen und noch nicht so wirklich sexy. Zu viel Platz, aber zu wenig Lebensraum und Freiheit. Vor allem für Frauen. 1981, in einer Zeit von Hausbesetzungswellen, besetzten feministische Aktivistinnen einen entmieteten und maroden Altbau in der Potsdamer Straße 139. Sie hatten Glück und konnten sich mit dem Senat schnell auf Verträge einigen und initiierten autonome Wohnprojekte, ein Frauenkulturzentrum, Schutzräume für Frauen und das deutschlandweit erste Hilfsprojekt für Prostituierte, „Hydra“. In der feministischen Szene waren sie Heldinnen, in der Hausbesetzerszene wurden sie wegen ihres Arrangements mit dem Senat als Verräterinnen diffamiert. Heute beherbergt der U-förmige Altbau ein Wohnprojekt jeweils für Mädchen und Frauen, ein Frauen-Reisebüro und die BEGiNE, bestehend aus Frauen-Kulturzentrum und Frauenkneipe. Alles in allem ist die 139 das Epizentrum der Frauenbewegung im Kiez. Die heldenhaften Verräterinnen von früher sind heute nicht mehr da. Sie zerstreuten sich peu a peu in alle Winde. Doch ihre Ambitionen haben hier Wurzeln geschlagen.
Autonomie und ein bisschen Eierkuchen
Barbara und Kathi empfangen mich in der rustikal eingerichteten Frauenkneipe. Gemütlich, mit Eckkneipen-Charme plus kleiner Bühne. Barbara arbeitet seit 22 Jahren in der Begine, Kathi seit 8 Jahren. Sie wirken wie ein eingespieltes Team. Natürlich gibt es zwischen ihnen und zwischen allen Frauen, die sich in der BEGiNE engagieren, gewisse unterschiedliche theoretische Verortungen. Doch zu Grabenkämpfen kommt es deshalb nicht. „In der gemeinsamen Betätigung werden die unterschiedlichen Verständnisse der Frauen überwunden“, erzählt Barbara. Das miteinander wird demokratisch und antiautoritär gestaltet. Sowohl gemeinsame Entscheidungen als auch Eigenverantwortlichkeit bei Projekten . „Hierarchien sind zwar immer da, aber sie werden verringert. Es ist nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Aber es ist anders!“
Kleine Revolutionen für Jederfrau
Kabarett, Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, etliche Stammtische, Rechtsberatungen, Künstlerinnenberatungen, Tauschbörsen, Kartenspiele, handwerkliche Kurse, kreative Workshops und Strickkurse. An der großen feministischen Revolution wird hier nicht gehäkelt, doch für viele Frauen einen persönlichen Umsturz. Negative Alltagserfahrungen, Unsicherheiten und Leid können hier abgestreift werden. .„ Die Frauen haben hier ganz neue Möglichkeiten sich auszuprobieren und zu entfalten.“ Barbara hat schon viele Frauen in der geselligen Atmosphäre aufblühen sehen. Ob als Künstlerin, Projekteplanerin oder Konsumentin der Angebote.
Offen für absolut Jederfrau. Das klappt recht gut. In der BEGiNE wird fleißig über Klassengrenzen gehüpft. Die Harzt IV-Empfängerinnen spielen Skat mit den Wohlsituierten. Das hat etwas. Bei den Altersgrenzen wird nicht so viel herumgesprungen. „Junge Frauen sehen die Begine nicht als IHREN Ort. Andere Generationen haben oft andere Bedürfnisse.“, erzählen die Beiden. Der Feminismus entwickelt sich sehr schnell und differenziert sich stark aus.
Frauen und Bewusstseinsschränkchen
Die Begine hat sich mittlerweile etabliert und ist eine Marke. Auch international. „In der Begine als Künstlerin aufgetreten zu sein ist nicht nichts.“ Anfragen aus England, Neuseeland oder Australien sind keine Seltenheit. Die Begine ist nicht nur ein Rückzugsort sondern Fabrik von Kreativität. Geschlechterrollen sind immer noch wirkmächtig und es macht einen Unterschied ob frau sich ausschließlich unter Frauen bewegt oder nicht. „Das fällt dann erst auf wenn man dabei ist. Da ist diese Energie.“ Barbara rudert dabei begeistert mit den Armen in der Luft, als ob sie in der Energie schwämme.“ „Da macht sich dann für alle Beteiligten ein Bewusstseinsschränkchen auf!“ Die Begine ist einer der wenigen Orte in Berlin, der ausschließlich für Frauen ist. Hartnäckige Nicht-Frauen, namentlich Männer, versuchen dennoch hin und wieder ihr Glück. Es kommt zu Diskussionen, auch das Wort „Diskriminierung“ fällt. Kathi hält das für Schwachsinn: „Die Begine ist keine Kneipe gegen Männer, sondern eine Kneipe für Frauen konzipiert. Frauen haben im Allgemeinen nicht die gleichen Möglichkeiten sich im öffentlichen Räumen zu repräsentieren.“. Bei Workshops die nicht in der Kneipe stattfinden sind auch Männer gern gesehen. Transsexuelle sind auch jederzeit willkommen. Für meine Wenigkeit war es auch kein Problem. Pissoirs gibt es trotzdem nicht. Und braucht es auch keine.
Zukunft der BEGiNE
Die engagierten Begine-Frauen haben durch ihre Arbeit viel erreicht und sind eine wichtige Institution im Kiez geworden. Bei der Verabschiedung deutet Barbara Hoyer aber noch einmal Befürchtungen an. Ein ungutes Bauchgefühl, ein halbleeres Glas, ein „man-weiß-ja-nie“ das im Kopf herum spukt. Die finanzielle Unterstützung durch den Senat steht immer wieder auf wackligen Beinen. „In der Öffentlichkeit werden feministische Anliegen oft als überholt angesehen. Viele Leute glauben, dass die Forderungen nach Gleichstellung bereits erfüllt seien.“ Die BEGiNE muss auch in Zukunft in der Öffentlichkeit um ihre Existenzberechtigung kämpfen.