Dieser Beitrag ist Teil des Artikels: Kunst an der Potsdamer Straße. Begegnungen mit Künstlern, Galeristen und Besuchern.
von Christian Kaiser
Wer besucht eigentlich Galerien? Touristen? Wohlhabende? Junge Leute, für die es einfach cool ist?
Um das herauszufinden, stelle ich mich an einem sonnigen, aber ziemlich frostigen Samstagnachmittag im März für eine gute Stunde so auf die Potsdamer Straße, dass ich beide Galerien zugleich, die Krome Gallery und die Klosterfelde Galerie, im Blick habe. Denn von Besucheranstürmen kann keine Rede sein, im Gegenteil, beide Galerien sind die meiste Zeit meiner Beobachtungsphase über einfach leer.
Einige, die die Krome Gallery betreten, wollen nur in den Kunstbuchladen nebenan, der aber nur durch die Tür der Galerie zu betreten ist.
Meine ersten echten Galeriebesucher sind zwei Herren im mittleren Alter. Ich spreche sie an, doch Deutsch verstehen sie nicht. In englischen Satzstücken erklären sie mir dann, dass sie zwei Kunstlehrer aus Sienna seien und nur spontan in die Galerie gegangen wären, nein, Kunst wollten sie nicht kaufen, und eigentlich seien sie auch nur auf dem Weg ins Hotel. Ich lasse sie also schnell weiterziehen.
Lange Zeit kommt niemand. Mir wird langsam kalt. Ich bin schon froh über die beiden Kunstlehrer aus Sienna. Ich gönne mir erst mal eine Aufwärmpause beim Kiosk im nahegelegenen U-Bahnhof und versuche mein Glück erneut.
Und tatsächlich, in der Krome Gallery sind zwei Besucher! Erwartungsfroh gedulde ich mich, bis sie aus der Galerie kommen. Zuerst sind die beiden Herren etwas wortkarg angesichts meiner Frage, aus welchem Grund sie in der Galerie waren. Doch dann kommen sie ins Erzählen: Sie seien beide Künstler, die nach Berlin gezogen seien und eine Galerie in Paris hätten. Nein, nicht der Inspiration wegen seien sie heute hier, sondern um einen Überblick zu bekommen, um zu schauen, was andere Künstler so machten, naja, eigentlich würden sie auch eher einen gemeinsamen Spaziergang unternehmen, ein bisschen hier schauen, ein bisschen da, mit „professionellem Blick“, um sich dann schließlich dort, wo es ihnen gefalle, zu einem Kaffee niederzulassen. Na dann, noch einen sonnigen Kunstnachmittag!
Unterdessen haben drei ‚asiatisch‘ aussehende junge Leute die Galerie betreten. Ich beobachte sie, wie sie sich umschauen und durch den Durchgang zum Kunstbuchladen nebenan gehen. Sie blättern hier und da in den ausliegenden Büchern und scheinen sich tatsächlich festgelesen zu haben. Dann kommen sie schließlich doch noch heraus. Bei ihnen hilft wieder nur die englische Sprache weiter. Wie sich herausstellt, studiert der junge Mann unter ihnen Kunst und besucht seine beiden Begleiterinnen in Berlin, von denen die eine Kunstgeschichte hier an einer privaten Akademie in Berlin studiert. Sie hätten sich bloß ein bisschen umgesehen, mehr im Kunst-Buchladen als in der Galerie und wollen mich auch gleich, als sie hören, dass ich Philosophie studiere, in ein Gespräch über ‚Nieeje‘ verwickeln. Es dauert einen Moment bei mir. Ah! Sie wollen über Nietzsches Kunstphilosophie mit mir sprechen! Ich lehne dankend ab und wünsche einen schönen Tag.
Gut, das reicht jetzt, denke ich auf dem Weg zum U-Bahnhof. Da sehe ich just in diesem Moment einen jungen Besucher aus der Helga Maria Klosterfelde Galerie treten.
Zügig wechsle ich die Straßenseite und spreche ihn an, während er gerade auf sein Fahrrad steigt. Klar, prinzipiell würde er mir gerne antworten, doch er habe es gerade total eilig, weil er noch unbedingt eine andere Ausstellung in einer anderen Galerie sehen wolle, die heute zu Ende gehe, er müsse jetzt wirklich schnell los. Während er anfährt, ruft er mir zu: Berliner Künstler sei er, er werde durch eine eigene Galerie vertreten und schaue sich aus beruflichen Gründen die Ausstellungen an. Und weg ist er. Allerdings nur um 50 Meter weiter wieder sein Fahrrad an einen Baum zu lehnen und in einer Hofeinfahrt zu verschwinden.
Meine Glückssträhne reißt nicht: Ein Mann, ebenso jung wie der vorherige, tritt aus der Galerie. Hier hilft wieder nur Englisch weiter. Als er hört, wer ich bin und dass ich einen Artikel über die Kunstszene an der Potsdamer Straße schreibe, erzählt er sehr freundlich, geradezu freundschaftlich von sich: Er käme aus New York, habe dort Kunst an diversen Collages studiert und wäre dort auch gerne geblieben. Hier müsse er sich nun erst neue Kontakte in die Kunstszene hinein aufbauen, deshalb besuche er Galerien. In der Galerie Klosterfelde stelle zum Beispiel gerade ein Künstler aus, mit dem er demnächst in einem größeren Projekt zusammenarbeiten werde. Nein, nicht der Kunstszene wegen sei er nach Berlin gekommen, durch den Umzug nach Berlin habe er sich eher seiner Karriere beraubt, sagt er mit einem leichten Lächeln, in New York hätte er nämlich die Kontakte seiner Professoren nutzen können! Er sei aus dem anderen Grund, aus dem man seine Heimat verlassen könne, nach Berlin gekommen: der Liebe wegen!
Bei meiner kleinen Befragung fällt also eines auf: die Menschen, die Galerien besuchen, sind vom Fach, oft selbst sogar Künstler. Wer dann aber dieses Kunstgeschäft überhaupt möglich macht, wer die Künstler finanziert, wer ihre Kunst kauft, bleibt ein Rätsel.
Hier geht`s weiter: