Graffiti – gehasst, verdammt, vergöttert

Für manche ist Graffiti eine Last der Großstadt, für andere die Lust an dieser. Auf jeden Fall verlangt diese Kunstform jedem eine Position ab. Denn ganz ungefragt einverleibt sie sich öffentlichen Raum. Die Protagonisten sind in der Regel junge Männer, aber auch präsente Frauen, aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Milieus. Gestützt werden sie von der Subkultur des Hip-Hop und der Mehrheit der Jugend. Auf der anderen Seite erzürnen sich alle vier Teile der Gewaltenteilung und ein großer Teil der Bevölkerung.

Ghettostars als Ansage

Streitbare Kunst - 2008 am U-Bhf Blissestraße

Streitbare Kunst – 2008 am U-Bhf Blissestraße

Während Berlin als die Graffitihauptstadt Europas gilt, ist Schöneberg eine zentrale Säule dieser. Hier wiederum ist die Sprühergruppe Ghettostars (GHS) die Ansage an die Stadt. Vom hässlichen, triefenden Tag mit einem selbstgemacht Marker in der U-Bahn, über silbern besprühte ganze S-Waggons, whole cars im Fachjargon, bis zur Leinwandmalerei in Galerien – die Gruppe GHS als Berliner Urgesteine trotzen jeder Aufteilung einerseits in das kreative, bunte und anderseits ins hässliche, schwarze Graffiti. Sie sind seit über zwanzig Jahren der lebende Beweis, dass es das eine ohne das andere nicht gibt.

 Eroberung der Stadt

Rund um den Mauerfall schlossen sich die Jungs zusammen um die Stadt zu erobern: „Manche von uns lebten in besetzten Häusern, ernährten sich von Nudeln mit Ketchup und waren 24/7 auf Achse. Es war mehr als nur ein Full-Time Job“, erzählt uns jemand aus dem direkten Umfeld der Gruppe, der lieber anonym bleiben möchte. Tagsüber wurden Sprühdosen „organisiert“, abends mit

Über allen Dingen - Dach des Pallasseums an der Potsdamer Straße

Über allen Dingen – Dach des Pallasseums an der Potsdamer Straße

den anderen Sprühern abgehangen und in der Nacht dann gemalt. Weder mit Stolz noch mit Reue, sondern relativ wertfrei wird auf die 90er zurückgeblickt: „So war das halt als Outlaw.“

 Downstairs – Verbindung von Leidenschaft und Beruf

Einige von ihnen haben ihre Liebe zu Graffiti zum Aufbau eines kleinen Unternehmensclusters genutzt. Während man am Anfang die Sprühdosen noch „racken“, also klauen, musste, bestellt man sie heute gleich palettenweise beim Hersteller und versorgt die hiesige Szene damit. Im Umfeld der Ghettostars sind Galerien, TV-Produktionen, Zeitschriften und etliche Webseiten entstanden. Doch das wichtigste Standbein ist der Sprüherladen Downstairs seit 1993. Dieser entwickelte sich mittlerweile auch in einen populären Online-Versandhandel. Neben Sprüherutensilien kann man sich hier auch mit originärer Kleidung der Hip-Hop Kultur einkleiden. Statt der New Yorker Mode hinterherzuhinken, fliegt

Yorckstraße 53 (Direkt am S-Bhf Yorkstr!) Öffnungszeiten: Mo-Fr. 11:00-19:30, Sa. 11:00-17:00

Yorckstraße 53
(Direkt am S-Bhf Yorkstr!)
Öffnungszeiten: Mo-Fr. 11:00-19:30, Sa. 11:00-17:00

man schon seit Ladeneröffnung selbst monatlich hin. Aber es ist seit Beginn auch ein Treffpunkt für die Subkultur. Sogar mit ihren Sorgen, wie zum Beispiel Ermittlungen im Strafverfahren wegen Sachbeschädigung, einer feste Komponente im Leben eines Writers, kommt die malende Jugend aus Schöneberg und der ganzen Stadt in den Laden.

Die streitbare Kunst Graffiti ist oft halt kein gewöhnliches Hobby „wie reiten“, bestätigt unser Interviewpartner, „sondern ein Lebensgefühl!“ – das mit einiger Verve und Kreativität auch ein Leben als Unternehmer ermöglicht.

 

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