N.H. – Ein Portrait

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Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Centers der Humboldt Universität
Portraitiert von N.H.

Bitte, treten Sie näher.“

Ich schreite quer durch den Raum zu den zwei Sesseln, die spärlich von einer zarten Stehlampe beleuchtet werden. Links und rechts von mir stehen Bücherregale. Am Fenster befindet sich ein Schreibtisch. Ich nähere mich nun dieser Frau, die zu mir gesprochen hat und in einem dieser Sessel sitzt. Sie schaut aus dem Fenster. Es regnet. Als ich meine Hand auf die Armlehne lege, richtet sie ihre großen dunklen Pupillen auf mich.

Sie sind also Journalist?“

Sie mustert mich forschend, aber mit dem Schalk in den Augen. Ich setze mich zu ihr.

„Dann möchte ich beginnen. Mein Name ist N. Mein Leben begann an einem Mittwochmorgen im November 1989, als ich, wie mein Vater mir einst berichtete, zur Überraschung aller Anwesenden wie ein Kugelblitz aus dem Leib meiner Mutter schoss. Wer mich und diese Geschichte kennt, der sagt noch heute von mir, dass sich an meiner Art des Auftretens nichts geändert hat.“-

N. bemerkt, wie ich auf eines der vielen Schwarzweißfotos an der Wand blicke.

Sie wollen wissen, wo meine Wurzeln liegen? Mein Vater stammt aus einer Hochebene, umrahmt von den Karpaten. Dieses Land ist reich an Wein und Burgen, reich an Leidenschaft. Vielen Menschen ist es bekannt unter dem Namen Transsilvanien- Siebenbürgen. Einst wurde dieses Land von vielen Völkern bewohnt: Ungarn, Serben, Rumänen, Sinti und Roma und Deutschen. Es war Teil eines Vielvölkerstaates. Nun, und meine Mutter, sie ist Berlinerin. Es heißt jedoch, dass ihre Familie von dem russischen Adelsgeschlecht der Romanov abstammt, was auch meinen Namen erklärt. Sie sehen also, es steckt viel Geschichte in meinem Ahnenblut.“

N. erhebt sich und geht an die Anrichte.

Ich habe Ihnen noch gar nichts zu trinken angeboten.“

Ehe die Gläser geleert sind, vergeht eine Stunde und N. erzählt mir von ihrer behüteten schönen Kindheit, ihrer Kindergartenzeit, umgeben von Nonnen und Schuljahren, in denen sie das erste Mal in Berührung mit dem Schreiben kam, ihrer Leidenschaft für das Reisen, ihrem langen Aufenthalt in Budapest, der Stadt, in der sie sich verliebte. — Lange schweigt sie und ihre dunklen Augen ruhen auf mir, dann in der Leere. Ich glaube, sie hat es kaum mitbekommen, dass ich mich höflich und mit großem Dank von ihr verabschiedete. Ich habe das, was ich von ihr haben wollte: ihr neues Buch.

 

Weitersagen! Danke.
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