Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität
Von HU-Gastbloggerin Pamela
Auf dem Alten Zwölf-Apostel-Friedhof in der Kolonnenstraße summt es.
Die Kirschbaumallee steht kurz vor der Blüte, die vielen Bienen in der Luft scheinen nur auf diesen Moment zu warten. Das Summen kommt vor allem aus einer Richtung: An einem sonnigen Platz neben zwei Rhododendronsträuchern stehen Bienenstöcke mitten auf dem Kirchhof. Eine Imkerin aus der Nachbarschaft stellte sie hier auf.
Bertram von Boxberg, Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit der Kirchhofverwaltung, erklärt mir, wie sehr er sich freut, dass der Friedhof von den Anwohnern des Schöneberger Kiezes wahrgenommen und für Spaziergänge genutzt wird.
Dieser Ort inmitten eines Wohngebietes wirkt auch sonst gar nicht totenstill. Hinter der Kirchhofmauer hört man Kinderlärm der benachbarten Robert-Blum-Schule. Herr von Boxberg entgegnet auf meine Frage, ob die Störung der Ruhe ein Problem sei „Nein, gar nicht, wir haben mit den Schülern des Robert-Blum-Gymnasiums bereits mehrere Projekte realisiert.“ Dabei ging es zum Beispiel darum, dass sich jüngere Schüler mit dem Sterben und dem Umgang mit Tod, auch in der eigenen Familie, auseinandersetzten.
Der Tod, aber auch Lebenswege Berliner Berühmtheiten stehen im Mittelpunt der Veranstaltungen anlässlich des 150. Jubiläums des Alten Zwölf-Apostel-Kirchhofs im Mai 2014, die Herr von Boxberg gemeinsam mit der Verwaltung organisiert. So wird unter anderem der 1937 entstandene Film „Truxa“ mit dem Berliner Schauspieler Rudi Godden gezeigt.
Der Friedhof ist voller Lebensgeschichten gerade auch prominenter Persönlichkeiten, die hier begraben sind. Bei den Erzählungen von Bertram von Boxberg erschließt sich mir die Begeisterung für den Kirchhof als kulturhistorischer Ort. Die Plastiken trauernder Engel, die schmiedeeisernen Arbeiten, die viele Grabstätten begrenzen. Denkmalpflege ist hier von besonderer Bedeutung.
Heute ist die Trauerkultur mit ihren Denkmälern und Ritualen des aktiven Erinnerns zunehmend verdrängt worden von einer Kultur, Sterben und Trauern zu ent-orten. Anonyme Bestattung und Seebestattungen nehmen zu. Für die Kirchhofverwaltung ist die Tendenz anonymer Formen der Bestattung jedoch auch ein finanzielles Problem. Die zahlreichen Baudenkmäler zu erhalten, erfordert größere Summen und viel Unterstützung seitens des Denkmalpflegeamts und des Berliner Senats. Deshalb geht die Friedhofverwaltung einen neuen Weg, indem sie Paten für Denkmalgräber sucht, die zur Pflege der Grabstätte beisteuern.
Ein Bewunderer des Schauspielers Rudi Godden erklärte für die Erneuerung des Grabsteins seines Idols aufzukommen. Anderen geht es nicht so gut. Zum Beispiel wird für das Grab der Kunstschmiedfamilie Marcus ein Pate gesucht. Die liebevolle, gusseiserne Grabgestaltung – erkennbar sind etwa die Arbeitsutensilien des Schmieds – ist einzigartig und kulturhistorisch wertvoll. Ebenso kunstvoll und erhaltenswert ist auch ein Grab der Familie Fröhlich, dem Stephan Walter, Bildhauer der Skulpturen der Glienicker Brücke, Gestalt gegeben hat. Auch wer keine Grabpatenschaft übernommen hat, wandelt hier auf Pfaden der Erinnerung durch die Berliner Geschichte.
Das Summen in der Luft wird lauter. Offenbar geht es den Bienen in der von Carl David Bouché entworfenen Gartenanlage prächtig. Und nicht nur ihnen, sondern auch Habichten ist dieser natürliche Ort der lebendigen Erinnerung Zuflucht inmitten der Großstadt.
Herrn von Boxberg und der Gemeinde liegt viel daran, Anwohner auf dem Kirchhof willkommen zu heißen, allerdings ohne freilaufende Vierbeiner.
Verfasst von Pamela Kaethner, alle Fotos von Pamela Kaethner.