Trash Deluxe: Eine Show mit Sternchen*

Geschrieben von HU-Gastbloggerin Paula.

Die Show "Wilder Westen, aber pc! Entdecke das Cow*dings in dir!", Fotografin: Elenia Depedro

Die Show „Wilder Westen, aber pc! Entdecke das Cow*dings in dir!“ (18.1.2014), Fotografin: Elenia Depedro

Spaziert man die öde Monumentenstraße hoch, erwartet man eher einen rollenden Steppenläufer zu entdecken als schillernde Kleinkunstbühnen. Doch das ist den Kleinkunstbühnen egal. Sie glänzen trotz der Adresse und locken zahlreiche Zuschauer_innen in die Monumentenstraße: die Kultbühne Varieté Scheinbar und seit fast drei Jahren die Trash Deluxe, eine queere Drag-/Burlesque-Open-Stage in der Monumentenstraße 13.

Im zwei-Monats-Rhythmus, immer am dritten Samstag, geht der Vorhang auf:
Eine kleine Bühne, je nach Motto des Abends dekoriert. Mal sind es Venedigmasken, mal Sonnenblumen, mal glitzerne Vorhänge und die Maskottchen, die wie steinerne Löwen die Bühne flankieren:
zwei geflügelte Möpse.

Die Bühne, Quelle: trash-deluxe.de

Die Bühne, Quelle: trash-deluxe.de

„Das war eine Antwort auf den ‚Siegessäule-Tagestipp‘, wo der Leser_innenschaft fliegende Röcke und Möpse versprochen wurden.”, erklärt Kay P. Rinha schmunzelnd, Mitbegründer und einer der Veranstalter_innen.
Damit waren wir unzufrieden, aber dachten uns, dann geben wir den Leuten eben fliegende Möpse.”

Ein kleiner Publikumsraum, kein Platz frei. Einige Zuschauer_innen sitzen auf dem Boden oder stehen am Rand. „Wir hatten nur eine Show, wo nicht alle Sitzplätze vergeben waren.

Die Heimstätte der Trash Deluxe ist die AHA-Berlin e.V, ein nichtkommerzielles, schwul-lesbisches Projekt. Es stellt seine Räumlichkeiten Gruppen für Veranstaltungen zur Verfügung und ist eine wichtige Anlaufstelle in Berlin für die LGBT*IQ-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*, Intersexual, Queer).
Jede_r darf mitmachen, die_der sich bis maximal zwei Wochen vor der Show anmeldet. Die Kriterien sind klar: Keine rassistischen, sexistischen und anderweitig diskriminierenden Inhalte.

Den Abend eröffnet eine Gruppennummer der Gastgeber_innen Eva La Bosse, Nicopatra Berlin, Pimmela van Döschen und Kay P. Rinha.

Die Veranstalter_innen, Fotograph: Raoul Berlin

Die Veranstalter_innen, Fotograf: Raoul Berlin

Dann folgt eine bunte Mischung an Performances:
Playbacknummern, Tanz, Chanson, Striptease, Livemusik, Clowns und natürlich immer wieder Drag und Burlesque, mit dem dazu gehörigen Glamour: Spitze, Glitzer, Pailletten, Kravatten, Korsetts, Federboas und aufwendige, teilweise selbstgeschneiderte Outfits.

Von professionellen Künstler_innen bis zu Anfänger_innen, die mit schlotternden Knien auf die Bühne kommen, von eleganten, erotischen, witzigen bis zu schrillen, subversiven Performances, kann alles auf der Bühne passieren. Dabei werden die Kategorien „Drag Queen” und „Drag King” fließend. Viele Stücke persiflieren Geschlechterrollen und entlarven, dass Gender nichts anderes als Performance ist.

TrashDeluxe_Cabaret

Die Show „Cabarétvolution” (21.9.2013), Quelle: trash-deluxe.de

Warum eigentlich ‚Trash Deluxe‘? , frage ich Kay.
„Wir wollten einen Namen, der deutlich macht: Das hier ist nicht die große Kunst, uns aber auch nicht kleiner machen als wir sind. Außerdem sollte der Name signalisieren, dass wir uns nicht zu ernst nehmen und das in die Show mit reintragen.”
Das ist passend, denn Trash Deluxe ist vor allem eine Mitmachshow. Den Charme macht das Unfertige aus; die kleinen Patzer zwischendurch und die Atmosphäre einer Generalprobe. Es geht ums Ausprobieren, sich Trauen, einander Ermutigen oder in Kays Worten: „Ich will, dass unsere Bühne ein Ort dafür ist, wo Menschen sich selbst, aber auch Menschen im Publikum empowern können.”

Kay P. Rinha, Quelle: trash-deluxe.de

Kay P. Rinha, Quelle: trash-deluxe.de

Kay P. Rinha, der sich auf der Homepage als „Tunte, Drag King, Drag Queen, Drag Something, Burlesque-Performer_in, Performancekünstler_in,
Miss Siegessäule 2011, Transmann und noch eine ganze Reihe mehr”
beschreibt, hat seine ersten Bühnenerfahrungen im  Chor gesammelt.
2006 ist er bei einer Mitmachshow der „Kingz of Berlin” aufgetreten, das Vorbild von Trash Deluxe. Inzwischen ist er auf verschiedenen queeren Bühnen zu sehen, z.B. dem Queerriotclub.

Seine Performances sind nicht immer explizit politisch, jedoch immer mit dem Ziel, Sehgewohnheiten zu brechen. „Weil ich ein Mensch bin, der körperlich uneindeutig ist, dadurch, dass ich einen Bart, aber auch noch meine Brüste habe und weil ich sehr dick bin.”
Als dicke Transperson, die sich zwischen den Geschlechtern verortet, sich selbstbewusst auf eine Bühne stellt und auszieht, will er das Publikum irritieren. Es wird aus seiner Comfort-Zone herausgelockt und im besten Fall dazu motiviert, Klischees über dicke Menschen, Schönheitsideale und das Zwei-Geschlechter-System zu hinterfragen.
Bislang war er damit recht erfolgreich. 2011 gewann er den Siegessäule Drag-Contest mit einer Striptease-Nummer zu Lilly Allens „Fuck You”: Nach und nach wurden die Botschaften „Fuck homophobia”, „Fuck transphobia”, „Fuck sexism”, „Fuck lookism” und „Fuck racism” auf seinem Körper entblößt.
„Ich wusste, dass es im vorherigen Jahr böse Kommentare zu meinem Aussehen gab. Anstatt nicht wieder teilzunehmen, wollte ich bewusst etwas damit machen.”

Kay ist von Beruf Sozialpädagoge und beim Jugendnetzwerk Lambda e.V
. beschäftigt. Er ist Referent für das Projekt Lambda², das sich an queere Jugendliche mit und ohne Handicap richtet, und Ansprechpartner für Trans*-Themen.

Backstage: Cathrinsche, Kay P. Rinha, Maria Sternchen, Marlene Cat, Nicopatra Berlin, Lämmchen, Quelle: trash-deluxe.de

Backstage: Cathrinsche, Kay P. Rinha, Maria Sternchen, Marlene Cat, Nicopatra Berlin, Lämmchen, Quelle: trash-deluxe.de

Über eben dieses Jugendnetzwerk kennen sich Kay und Nicopatra. Die Weichen für Trash Deluxe waren gelegt, als die beiden eine Drag-Show für Lambdas 18. Geburtstag auf die Beine stellten. Es bildete sich ein festes Grüppchen, das Lust hatte regelmäßig aufzutreten. Auf Rosebutt, die Trash Deluxe mitgegründet hat, sind Kay und Nicopatra in einem Burlesque-Workshop gestoßen. Rosebutt gefiel die Idee einer offenen Bühne, die sie mit vielen Burlesque-Nummern und als Drag King bereichern konnte. Inzwischen ist sie nicht mehr dabei. Letztes Jahr wurde das Team um Eva La Bosse und Pimmela van Döschen ergänzt.
Die „Kingz of Berlin” haben sich 2009 aufgelöst, eine queere Open Stage weniger. Mit der Idee diese Lücke zu füllen, stellte damals die frischgebackene Crew ihre Idee beim Plenum der AHA vor.
„Wir wurden mit offenen Armen empfangen.”, erzählt Kay „Inzwischen ist der Raum eigentlich zu klein für uns, aber wir fühlen uns dort so unterstützt, wir wollen nicht weg.”
Werbung schien nie wirklich nötig gewesen zu sein.
„Am Anfang haben wir noch Flyer gemacht, aber das ganz schnell wieder eingestellt.”, lacht Kay. Über Mundpropaganda hat sich Trash Deluxe schnell einen Namen gemacht.

Gaby Tupper, Quelle: trash-deluxe.de

Gaby Tupper, Quelle: trash-deluxe.de

Ich bin jedes Mal wieder baff, was da für eine Qualität geboten wird.”, schwärmt Gaby Tupper, eine erfahrene Drag Queen, die im Potsekiez, in der Kurfürstenstraße wohnt.
Sie hat Trash Deluxe schon vor, auf und hinter der Bühne unterstützt.

Vor allem vor der Bühne,  „da ich meistens den Anmeldeschluss verpenne”.
Ihre jüngsten Auftritte bei Trash Deluxe waren letztes Jahr: eine charmante Playbacknummer zu „Snick Snack Snuggelchen” und „Ich überlebs” gesungen auf die Melodie von „I will survive”. Das gibt jedoch bei weitem nicht ihren Facettenreichtum wieder: Auf der Bühne ist sie als „Möchtegern-Vamp und Möchtegern-Hollywood-Diva, die an beidem haarscharf vorbeischrappt und unterm Strich die brave Hausfrau bleibt”  in Berlin, Hamburg, Kiel, Köln, San Francisco und Philadelphia aufgetreten.
Sie war Tupperberaterin, daher auch der Name, und nimmt Tupperdosen als Requisiten mit auf die Bühne, z.B. in ihrer Soloshow „Tupperseufzer: Ein Leben in Pink & Blond”. Als Sr. Gabriela Perpetua Promisca war sie viele Jahre im „Orden der Schwestern der perpetuellen Indulgenz” aktiv. Momentan engagiert sie sich in der AHA und moderiert ihre eigene Filmreihe.

Gaby Tupper bei Trash Deluxe, Fotograf: Raoul Berlin

Gaby Tupper, Fotograf: Raoul Berlin

Gaby Tupper erzählt mir von ihren Auftritten.
Ein Gesangsstück ist ganz besonders interessant: „When the saints go marching in” hat sie umgeschrieben in „When the queens go marching in”, mit einem gesprochenen Zwischentext, „um daran zu erinnern, dass es nicht die spießbürgerliche Homo-Gesellschaft war, die die Straßenschlacht der Stonewall-Rebellion angefangen hat, sondern die Tunten, Drag-Queens und Transfrauen.”

Eine Sichtbarmachung von Trans*, wie sie auch Kay P. Rinha anstrebt, die nicht nur außerhalb der Szene dringlich ist. Denn Drag-Show ist nicht gleich emanzipatorisch und queere Community ist nicht gleich trans*freundlich.

Gaby Tupper empfindet die Atmosphäre bei Trash Deluxe als inspirierend und ist damit nicht alleine: Harvey Rabbit, professioneller Clown, Performerin und Musikerin, schildert in einem Blogpost, wie ihr ein Besuch bei Trash Deluxe während einer depressiven Phase helfen konnte.

Harvey Rabbit, Fotograf: Raoul Berlin

Harvey Rabbit, Fotograf: Raoul Berlin

Manitou, der regelmäßig bei Trash Deluxe auftritt und Raoul Berlin, der Fotograf, haben zusammen mit Frau Schultz die queere Open Stage „Mixtape” gegründet, mit einem etwas anderen Schwerpunkt: Livemusik und Spoken Word.

Konkurrenzgedanken kommen nicht auf, die Bühnen empfehlen einander weiter. Kay freut sich, dass Trash Deluxe zu neuen Projekten inspiriert und Nachwuchstalente fördert.
„Einige sehe ich seit drei Jahren immer wieder auf der Bühne. Ich finde es spannend, wie sich manche Leute weiterentwickeln und wie sich Performances verändern.”

Die Shows werden von Kai van Rattenhusen aufgezeichnet und hochgeladen

Die Shows werden von Kai van Rattenhusen aufgezeichnet und hochgeladen.

Was gab es bisweilen für Highlights bei Trash Deluxe?
„Sehr viele!”, sagt Kay sofort, z.B. der Auftritt von Nicopatra mit seiner Mutter
oder die Safer-Sex-Performance von Laura Lipstick, die ein Kostüm aus aufgeblasenen Kondomen trägt und sich mit Öl einreiben lässt, bis sie platzen. Zum Schluss hält sie ein Schild hoch mit „Play safe, use waterbased lube”.

Die nächste Show findet am 24. Mai statt (Achtung, dieses Mal am 4. Samstag) und Trash Deluxe wird schon drei Jahre alt!
„Think pink! Klischee juchee!” lautet das Motto.
Das Publikum erwarten Bühnenklassiker und Klischees über LGBT*IQs, die durch den Kakao gezogen werden.
Um 20 Uhr geht’s los, doch wer noch einen Sitzplatz finden will, der_dem sei ausdrücklich empfohlen mindestens eine halbe Stunde früher da zu sein.

Nicopatra Berlin, Quelle: trash-deluxe.de

Nicopatra Berlin, Quelle: trash-deluxe.de

Trash Deluxe kostet keinen Eintritt. Nur die schicken Sparschwein- Ladys M.A Peel und
Mrs. Moneypenny schweben graziös durch die Menge und freuen sich über Kleingeldgeklimper.


In diesem Sinne:
Eine schöne und glamouröse Geburtstagsshow!

 

*Gender-Sternchen:

1. Kann wie das Gender_Gap verwendet werden (z.B. Performer*in), nicht binäre Geschlechter sollen sichtbar gemacht werden.
2. Wenn es hinter  „Frau”, „Mann”, „Mädchen” etc. steht, deutet es darauf hin, dass es sich dabei um soziale Konstrukte handelt.
3. Platzhalter für beliebige Endungen. Trans* kann z.B. für Transgender, Transmensch, Transfrau, Transmann, transsexuell usw. stehen.
4. Die Intentionen und Arten der Verwendung variieren allerdings oft und individuell. Das Gender-Sternchen wird auch von der queer-feministischen Community kritisiert.

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