Geschrieben von HU-Gastbloggerin Anne
Stadtteilzentrum, Nachbarschaftshaus, Bürgerhaus, Familienzentrum, Bürgerzentrum – in zahlreichen Berliner Kiezen sind Institutionen dieser Art schon seit Jahrzehnten beheimatet und stärken die Nachbarschaften. Im Schöneberger Norden kümmert sich Jutta Husemann als Leiterin um das Geschehen im Familientreffpunkt. Die Bezeichnung Treffpunkt ist nicht zufällig gewählt. „Treffpunkt bedeutet, dass man sich neben den vielen Angeboten, die wir haben, auch unverbindlich treffen, anlächeln und reden kann,“ sagt Jutta Husemann.
„Die Idee von einem Familienzentrum oder -Treffpunkt ist, dass Familien und Menschen in der Umgebung unterschiedlichste Angebote in Anspruch nehmen können und kurze Wege haben“, erläutert sie dann. „Es gibt Bildungs-, Beratungs- , Kulturangebote und einen offenen Cafebereich, so dass man in einem Haus auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Familien eingehen kann“. Das Angebot richtet sich an Familien, die sozial benachteiligt sind, also beispielsweise jene mit geringen Sprachkenntnissen, arbeitslos sind, in engen Wohnverhältnissen leben, geringe Einkünfte haben oder wenig Bildung in ihrem Leben erfahren haben.
Jutta Husemann erklärt mit Bedacht, spricht langsam und verständlich, sie hat diese Sätze schon oft gesagt. Ihre Gesichtszüge sind zwar ernst, doch wirkt diese Frau unglaublich liebenswürdig. Diese gleichzeitige Verkörperung von Respekt- und Vertrauensperson ist ein mir noch aus der Grundschulzeit bekanntes Paradoxon.
Die Arbeit mit den Kindern, ihre Fortschritte zu sehen, ist für Frau Husemann das Schönste an ihrem Beruf. „Die Familien lieben natürlich ihre Kinder und wollen nur das Beste für sie“, sagt Jutta Husemann. „Oftmals aber haben sie sprachliche Schwierigkeiten, und das macht es schwer. Wir haben hier drei Mal die Woche Lernclubs (schulische Unterstützung für Grundschüler) und dafür gibt es sehr lange Wartelisten, weil der Bedarf so groß ist“.
Am wichtigsten sind die Deutschkurse, individualisiert und ohne die übliche, hinderliche Anmeldungsbürokratie. Diese sind zu einem großen Teil nur für Frauen. „In den Kursen sitzen manchmal Frauen mit 10-15 Nationalitäten,“ sagt Jutta Husemann, „und kulturell ist es oft so, dass Frauen und Männer eben unter sich sind“.
Dabei geht es aber nicht um die klassische Rollenverteilung im Sinne von Heim und Arbeit, sondern eher darum, dass man eben gern Zeit miteinander verbringt. Die Männer gehen mit Problemen eher zu dem männlichen Kollegen Hamad Nasser in das Nachbarschaftszentrum Steinmetzstraße. „Dass arabische Männer mit ihren Problemen eher nicht zu einer weißen Frau gehen wollen,“ sagt sie „sondern sich an Hamad wenden, ist doch verständlich.“
Fragt man Jutta Husemann nach dem Besonderen ihrer Arbeit, beginnt sie zu lächeln. „Es ist ein Haus für die unterschiedlichsten Menschen,“ sagt sie. „Sie kommen freiwillig. Sie haben Fragen, sie wollen etwas lernen, sind vielleicht auch in Not. Sie kommen nicht, weil eine Behörde es ihnen vorschreibt.“
Fast tagtäglich gibt es Situationen im Familientreffpunkt, die Jutta Husemann berühren und glücklich machen: Wenn die Kinder in der Schule besser werden, oder die Eltern, trotz aller Schwierigkeiten, über ihre Kinder lachen können und glücklich sind.
Möchte man sich ehrenamtlich engagieren, kann man dem Familientreffpunkt gern einen Besuch abstatten und mit Jutta Husemann sprechen. Das Einzige, was man dazu braucht, ist die Lust, den Kindern zu helfen. Dann macht man mit ihnen zusammen unter der Woche Hausarbeiten, schlichtet Zankereien, teilt ihre Sorgen, aber auch die Erfolge – all das inmitten einer Oase im Kiez.