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Seit fast einem Jahr ist leuchten die drei roten Punkte nun an der saniert glänzenden Fassade Ecke Lützowstraße. Viel Beachtung habe ich ihnen nie geschenkt. Vor Weihnachten erfahre ich jedoch, dass sich in diesem Haus Europas einziges Museum zur Geschichte der Sicherheit. Und melde mich für einen Besuch an.

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Zur Vorbereitung meines Treffens mit dem Unternehmenshistoriker Erich Kupferschmidt checke ich kurz das Internet: Securitas Holding GmBH – Potsdamer Straße 88, 10785 Berlin. Ich erfahre, dass es insgesamt 120 Niederlassungen in Deutschland gibt, die Bereiche der Dienstleistungen endlos und Securitas Deutschland mit einem Umsatz von 657 Millionen Euro und rund 19.000 Beschäftigten Deutschlands „Führender Sicherheitsdienstleiter“ sei.

Aha.

Außerdem beginne ich in dem 203-seitigen Buch „Geschichten eines Sicherheitsunternehmens – Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts“ zu blättern.

So lang wie Menschen ihr Zusammenleben organisieren und ihm Regeln geben, so lang gibt es auch den Bruch dieser Regeln,“ heißt es auf Seite 41. „Gesetze, Rechte und Personal, um Recht und Ordnung zu wahren, sowie Soldaten, um die Gemeinschaft zu schützen, waren die notwendige Folge und sind so alt wie menschliche Kulturen.“

Von Nachtwächtern und Unternehmensdokumentationen

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Carl Spitzweg „Der eingeschlafene Nachtwächter“

Dokumentationen von Unternehmensgeschichten gehören nicht zu meiner Lieblingslektüre. Normalerweise strotzen sie von Gründungsdaten, Listen von Vorsitzende, Expansionserfolge, Jubiläen, von Unternehmensparties.

Doch ich lese mich fest. Denn Erich Kupferschmidt und sein Co-Autor Thomas Menzel verknüpfen in überaus unterhaltsamer Weise die Geschichte des Unternehmens Securitas mit der allgemeinen Entwicklung des Sicherheitswesen seit dem – ja wirklich – seit den guten Tagen des alten Roms. Securitas, die Göttin der Sicherheit, personifiziert sich seitdem in Sicherheitsbeamten mit so vielfältigen Namen wie Waldwächter, Gendarm, Leibwächter, Türhüter, Nachtportier, Türmer und Nachtwächter. Ich erfahre etwas über die Erwähnung der Sicherheitstechnik in der Bibel, die Herausbildung von Städten und die nächtlichen Eskapaden in denselben und daß Nachtwächter oft nicht die fittesten Gesellen waren und nachts gerne mal schliefen statt zu wachen.

2000+ Jahre Sicherheitswesen auf circa 100 Quadratmetern

Rudimentär vorbereitet und sehr neugierig treffe ich Erich Kupferschmidt, Redakteur Interne Kommunikation bei der Securitas, im Foyer des Bürogebäude. Viel weiter würde ich in dem Gebäude alleine auch nicht kommen, denn der Fahrstuhl ist selbstverständlich gesichert: Nach unten kommt man immer, doch nur mit Chipkarte nach oben.

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Im Museum Schautafeln, Schaukästen, Schaufiguren. Wie man es halt so kennt. Doch wie im Buch erweckt Erich Kupferschmidt auf im richtigen Leben die drei roten Unternehmenspunkt mit humorvollen, wissensbeladenen Erzählungen zum Leben.

Von der Göttin Securitas zum Logo der Securitas Holding GmbH

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Die Göttin Securitas wird mit den drei Tugenden Ehrlichkeit, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft gleichgesetzt. So sah es auch Ambrogio Lorenzetti und ließ in seinem Fresko „Die Gute und Schlechte Regierung“ ( 1338 – 1339 ) Securitas über dem Reich schweben und auf die Einhaltung der Gesetze achten.

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Nun suchen wir mal den Buchstaben S im Morsealphabet.

…                                  Save Our Souls

Nun gut, im richtigen Leben geht es nicht immer gleich um die Seelen, sondern viel häufiger um die Sicherheit, pardon Securitas.

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In der Geschichtsschreibung und – darstellung geht es immer um Fakten versus Auslegungen,“ sagt Erich Kupferschmidt nach diesem Geschichts-Logo-Parcour. „Die Verbindung der drei Tugenden der Göttin Securitas mit der Geschichte des Unternehmens war nicht immer einfach darzustellen. Doch mit der Historie umzugehen macht Spaß.“

SONY DSCEines seiner persönlichen Lieblingsstücke in der Ausstellung ist eine Münze aus Kaiser Neros Zeiten (regierte von 54 – 68, wir erinnern uns). Damals gab es auch die ersten gesicherten Darstellung der Securitas und zwar auf Münzen. Ihm, Erich Kupferschmidt, ist es dann gelungen, einer dieser Münzen zu ersteigern. Als Rechercheurin kann ich seine Begeisterung für diesen Fund nur zu gut nachvollziehen.

Doch abseits aller Sicherheits-Historie habe ich gerade nur eine Frage: Wie kam er zu diesem Job und damit die Securitas Holding zu einem Museum?

Nun, im Jahr 2002 sollte bei der Securitas aufgeräumt werden. Doch Erich Kupferschmidt nutzte die Freistellungsstunden als Betriebsrat und sammelte alles, was eigentlich entsorgt werden sollte: Wächterkontrolluhren, Taschenlampen, Dienstkleidungsstücke, Abzeichen, Plaketten, Urkunden, Dokumente zu Kunden von der Vorkriegszeit. Er schrieb erste Artikel und machte kleine Ausstellungen. Vier Jahre später erhielt er den Auftrag, sich hauptberuflich der Firmengeschichte zu widmen. Er machte daraus Firmengeschichte und Geschichte des Sicherheitswesens. Der erste Band erschien 2013. Ein zweiter Band, der sich ausschließlich der Geschichte des Sicherheitswesens in Deutschland widmen wird, soll im September 2015 erscheinen.

Eine Erweiterung des Museums wäre ebenfalls ganz in seinem Sinne. Damit Eugène Francois Vidocq, die Gebrüder Pinkerton, der Schinderhannes und ihre ganzen Detektiv-Kollegen mehr Auslauf bekämen. Und damit die Geschichte des Securitas Konzerns beginnend 1901 mit den dänischen Unternehmern Julius-Philip Sörensen, Marus Hogrefe und Sophus Falck über die schwedische Niederlassung gegründet 1934 durch Sohn Erik-Philip Sörensen in ihren ganzen Wirrungen dargestellt werden kann.

Die Archivarin und Die Berliner Wachtmeisterin

So spannend die Arbeit und das Leben der Detektive und Wachtmeister auch sind, so sehr horche ich persönlich bei den Frauengeschichten auf.

Da ist zum einen Jane Adler, die Archivarin der Pinkerton-Akten. Sie ließ BesucherInnen und PressevertreterInnen an ihrem enormen Wissen teilhaben, engagierte sich erfolgreich für die Schenkung des gesamten Archivs an die Kongressbibliothek in Washington, D.C. im Mai 2000, schrieb selbst historische Artikel und soll – laut dem Securitas Buch – nun an einem Buch über Pinkerton arbeiten.

Nun haben heutzutage Frauen längst ihren Platz in Detektivgeschichten, Krimiserien und in dem privaten Wachgewerbe. Ganz anders war dies vor 100 Jahren, als die B.Z. am Mittag sich am 24. September 1915 amüsierte: Die Frau gehört längst nicht mehr ins Haus. ( … ) Das neueste ist nun, nach der Briefträgerin und der Steinklopferhanne, der weibliche Nachtwächter. Er ist zunächst nur ein Versuch, ein wissenschaftliches Experiment sozusagen. Die Wach- und Schließgesellschaft verwendet die Nachtwächterin zu den heikleren Aufgaben, zur Kontrolle von Fabrikbetrieben ( …. ) mit Erzeugnissen, die die weibliche Ehrlichkeit auf eine besonders harte Probe stellen, also in der Konfektion, in der Lebensmittelverarbeitung und dergleichen.“

Wir befinden uns in der Zeit des 1. Weltkrieges und Frauen „durften“ nur ran, weil die Männer ja das Vaterland verteidigten. Erich Kupferschmidt und Thomas Mentzel kommentieren auf Seite 187 die boshafte Regenbogenpresse zeitgeschichtlich: „Wie in München wurde zeitgleich auf in der Hauptstadt [Berlin] der Bewachungsbedarf immer größer, weil Polizisten in den Stadtgemeinden fehlten und Personal zur Bewachung von Militär- und Regierungsbehörden gebraucht wurde.“

Womit ich jetzt den Zeitraffer einschalte und allen, die entweder schon Interesse an der Geschichte des Sicherheitswesen haben oder dasselbe wecken wollen, die Lektüre des Buches beziehungsweise den Kontakt zu Erich Kupferschmidt und einen Besuch im Unternehmensmuseum empfehle.

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Zeitraffer

Die Berliner Wach- und Schließgesellschaft wurde am 12. Juni 1902 gegründet und war nach den Gesellschaften in Hannover und München das dritte private Bewachungsunternehmen in Deutschland. Erich Kupferschmidt bezeichnet sie als „direkten Vorläufer der Securitas in Berlin.“

Hier im Museum ist, anders als im Buch, bereits die jüngere Vergangenheit der Securitas respektive des Sicherheitswesens bereits dargestellt. Meine westdeutsche TV-Sozialisation fällt mir auf die Füße, als ich auf einem Foto Ove Verner Hansen nicht als „fieses fettes Schwein“ aus der Olsenbande identifizieren kann. Ich schweige mich darüber aus, dass ich erst vor kurzem noch in die Olsenbande hineinzappte und schnell wieder hinaus. In der nachgängigen Recherche erfahre ich dann etwas über die Kultstatus der Serie in der DDR.

Den ersten privaten Wachschutz im Osten – der „Zivile Wachschutz Potsdam Retsch & Berger GmbH“ – wurde übrigens noch vor der deutschen Wiedervereinigung am 19. April 1990 ins Handelsregister eingetragen. Der Fuhrpark bestand aus drei VW Gold und einem Fiat „Panzerino“. Es folgte am 22. Mai 1990 die DSW Security Berlin GmbH, die dann ein Joint Venture mit der DSW in Düsseldorf einging. Man expandierte in die neuen Bundesländern, der „Zivile Wachschutz“ aus Potsdam schloss sich bald an. Mitte 1996 veräußerten die Geschäftsinhaber die gesamte DSW-Gruppe an die Securitas Holding mit Sitz in Stockholm.

Securitas_RW_04Fakten

Heute ist die Securitas weltweit mit 300.000 MitarbeiterInnen der zweitgrößte Sicherheitskonzern. Markführer ist die britische G4S.

Die Dienstleistungen in Deutschland reichen vom Aufzugnotruf, über Bahn- und Verkehrssicherheit über Brandschutz/Feuerwehren, Ermittlungsdienste, K9 – Canine Services zu Personen-Gepäckkontrollen an Flughäfen und und und.

Seit 1990 sichert die Securitas – bzw ihre Vorgänger – die Universität Potsdam. Bei der WM 2006 waren sie für die Sicherheit in den 3.500 Hotels und Trainingsstätten der 24 Mannschaften zuständig. Sie arbeiten in 6 DFB-Stadien, schon lange beim 1. FC Union, seit Herbst 2015 auch auf Schalke.

Sportsponsoring wird groß geschrieben und deshalb sind auch drei Goldmedaillen von Katrin Wagner Augustin vom Kanu Club Potsdam im Museum zu bewundern.

Auslegung

Auf die umfangreiche Geschichte des Sicherheitswesens kann sich nun jedeR seinen/ihren eigenen Reim machen. Ich wüsste jetzt gerne noch die genauen Gründe für den Umzug vom Halleschen Ufer an die Potsdamer Straße. Außer der Vermutung, dass die Securitas sind raummäßig vergrößern musste, werden mir bei meinem Besuch keine harten Fakten kommuniziert. Doch diese können ja bis zum Erscheinen des zweiten Bandes genaustens recherchiert werden.

Der letzte Absatz von Band 1 macht auf jeden Fall Lust auf mehr: „Innerhalb von 25 Jahren [1927 Anmerkung der Bloggerin] hatten sich die privaten Bewachungsunternehmen in Deutschland von den ersten Anfängen zu einem allgemein anerkannten und gesetzlich regulierten Gewerbe entwickelt, das eine unerlässliche Ergänzung der Polizeiarbeit darstellte und ein unverzichtbarer Partner der Wirtschaft geworden war. Die Kinderkrankheiten waren glücklich überstanden. So beschloss denn auch der erste Historiker des Bewachungswesen [ S. Nelken „Das Bewachungswesen“, Anmerkung der Bloggerin ] sein Buch mit der Prophezeigung: „(…) frei tut sich der Weg in die Zukunft auf.“ Da sollte er irren. Die wirklich finsteren Zeiten standen noch bevor.“

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Die Fotos aus dem Museum und von der Nero-Münze stellte Erich Kupferschmidt freundlicherweise zur Verfügung.

 

 

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