Zwei Tage vor der Ausstellungseröffnung traf ich Hugo Kaagman auf der Leiter vor einer Wand in der Bülowstraße. Ich war auf der Suche nach der Street Art Aktion – hatte ich doch gehört, dass Urban Nation „etwas plante“. Viel mehr wusste ich nicht, doch da war ja nun Hugo Kaagman auf der Leiter.
Er wiederum war sich auch nicht ganz so sicher, wo er hier gelandet sei – mit der Prostitution und so. Auf jeden Fall hatte er auch gleich ein neues deutsches Wort gelernt – Freudenhaus. Dieses belustigte ihn sehr und deshalb hatte er es auch gleich künstlerisch umgesetzt.
Er arbeite mit Schablonen, erzählte er mir und zeigte auch gleich sein neues Buch, das die Schablonen zu den abgebildeten „stencils“ auch enthält, zur unbegrenzten Vervielfältigung. Er arbeite auch viel mit Bordüren, eigentlich auch viele arabische, doch jetzt, so kurz nach Charlie Hebdo….. Er beließ es im Vagen, ich fragte nicht nach. Das Delfter Blau sei ebenfalls sein Markenzeichen.
Es war kalt und regnerisch. Ungemütlich zum Plaudern. Hugo Kaagman verwies mich in den Bülow 97, dem Ausstellungsraum. Dort waren mehrere Leute busy – so wie es halt am Tag vor der Ausstellung so ist. Ich bekam die Pressemitteilung ausgedruckt. Ganz auf Englisch. Die Szene ist halt international.
Und so langsam kapierte ich, dass ich gerade mit einer Ikone der Street Art gesprochen hatte – so von Leiter zu Bürgersteig. HUGO KAAGMAN – The Dutch Godfather of Stencil Graffiti, Dutch Street Art pioneer, doing spraycan art and stenciling since the late 70’s.
Genauer gesagt STENCIL ART – SCHABLONEN, „to get your name and mesage out on the streets as often and as quickly as possible“ wie die Pressemitteilung sagte. Die Zutaten mussten versteckt getragen werden, doch dann auch wieder schnell greifbar sein. „Around the world the stencil was and is used to protest and as a political tool especially in countries that face political or human rights hardship.“
Street Art à la Bülow
Illegal war Hugo Kaagman hier nun nicht unterwegs, ist doch das Urban Nation Projekt bereits seit Ende 2013 gut sichtbar hier unterwegs, unterstützt und finanziert von der Stiftung Berliner Leben der Gewobag. Das Haus Ecke Zietenstraße ist wohl das auffälligste Dokument.
Street Art ganz legal und gewollt, das kann auch hier kaum jemand glauben und so wurden die Sprayer fast von BewohnerInnen des Seniorenheimes vertrieben, als sie dort künstlerisch tätig waren. Inzwischen gehören die Figuren zum Straßenbild wie die PassantInnen und Gewerbetreibenden.
Damals und heute
Am nächsten Tag war ich zurück in der Bülowstraße und traf auf den französischen Künstler Ouvrier. Sein Stencil hatte er bereits fertig. Ouvrier arbeitet mit Multi-Layer Stencils. Schicht um Schicht schafft er flirrende Impressionen.
Und er entpuppte sich als alter Bekannter. Er kam grad von einer kleinen Memory-Tour zurück, erzählte er, und wirkte gerührt. Vor neun Jahren habe er den Eingang in der Potsdamer 157 gesprüht und seine Bilder seien doch tatsächlich noch da.
„The days of having to quickly and cleverly get your message out in as many places possible without being caught have almost been superseded by the ’social-media‘ generation,“ schreibt die Pressemitteilung. „Up and coming artists now have more time and sometimes more opportunity to create huge statement pieces on legal walls without the threat of police involvement. The art or final image of this can travel all round the globe within hours via a variety of social media channels.“
Und so sind die Künstler jetzt auch mit der Fotografin Nika Kramer unterwegs, deren tollen Fotos ich hier aus urheberrechtlichen Gründen nicht einfach einbinden will. Doch ein Blick lohnt sich.
Artiste Ouvrier
Hugo Kaagman
Fotostream des zweiten Vorbereitungstages
Jef Aerosol
Eins92 drückt mir eine Art Visitenkarte in die Hand. Würde man ja auch nicht gerade machen, wenn man anonym bleiben wollte.
Pädagogische Schablonen
Noch ein Tag später dann die Vernissage. Neben dem üblichen gucken-mal-schaun-wer-noch-so-da-ist-und-was-sie-so-angezogen-haben-und-trinken und prima-dass-Getränke-umsonst-sind, ist die Ausstellung auch eine kleine Lehrschau in Sachen Stencil Art. Ist durchaus auch so gemeint: „We are collaborating with artists to not only exhibit new work but lend us key materials, tools and images that show the process and educate in a playful way about the amazing skills developed by the Artists to create stencil art.“
Ja, der pädagogische Aspekt ist wirklich sehr angenehm in die Ausstellung integriert.
Ausstellung anschauen
Die Ausstellung „Cut it Out“ ist noch bis zum 27. Februar zu sehen. In der Bülowstraße 97, geöffnet Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr.