Wenn im Frühling die ersten Maiglöckchen zum Vorschein kommen, dann möchte man manchmal dem Alltag entfliehen und einfach die Natur genießen.
Im Gemeinschaftsgarten Wachsenlassen in der Kluckstraße 11 in Tiergarten-Süd wird den Bürgern des Kiezes genau das ermöglicht. Und wer sich vorher mit dem Thema urbanem Gärtnern vertraut machen möchte, kann in der anliegenden Grünen Bibliothek in einem der vielen Bücher zu diesem Thema schmökern.
Das Fortbestehen der Bibliothek verdankt sich engagierten Bürgern, die sich im Januar 2013 zusammengeschlossen haben, um die von Schließung bedrohte Bibliothek Tiergarten Süd weiterzuführen. Gemeinsam mit dem Amt für Weiterbildung & Kultur Berlin-Mitte, Fachbereich Bibliotheken, dem Stadtteilverein Tiergarten e.V. und der IG Bibliotheken, haben sie das Konzept der Grünen Bibliothek entworfen. Sie ist ein generationsübergreifendes und interkulturelles Projekt, das Angebote im Bereich Urbanes Gärtnern, Do It Yourself und Sprach- und Leseförderung anbietet.
Der Gemeinschaftsgarten Wachsenlassen grenzt direkt an das Gelände der Bibliothek. Dort wird es Bürgern im Kiez ermöglicht, inmitten der Stadt zu gärtnern und sich mit den Themen Umwelt und Nachhaltigkeit auseinander zu setzen. Wachsenlassen steht unter der Trägerschaft des Stadtteilvereins Tiergarten e.V.
Die ersten beiden Persönlichkeiten die ich in dem Garten kennen lerne, sind das Liebespaar Sylvia und Thomas. Zwei junge Bäume, die erst neu eingepflanzt wurden. Allerdings stehen die beiden recht weit von einander entfernt, bemerke ich. „Die müssen ja noch wachsen und kommen sich dann bald dadurch näher; wenn sich dann auch die Kronen ausbilden“, sagt Projektleiterin Gabriele Koll.
Und genau darum geht es bei Wachsenlassen. Durch die gemeinsame Arbeit im Garten erhalten nicht nur Pflanzen, sondern auch die beteiligten Menschen die Möglichkeit daran zu wachsen. „Wachsenlassen ist für Menschen, die gerne im Freien sind und sich gerne mit unserer Umwelt beschäftigen: Ganz gleich welcher Ethnizität, von jung bis alt, vom Single bis zum Pärchen, jeder ist willkommen!“ betont Gabriele Koll.
Im Garten können Erwachsene und Kinder unter Anleitung einer erfahrenen Gärtnerin Blumen und Bäume anpflanzen oder an den regelmäßigen Festen teilhaben. „Man kann auch ohne eine gemeinsame Sprache etwas Gemeinsames schaffen,“ so Gabriele Koll.
Eine große Rolle spielt bei Wachsenlassen der Umweltschutz. Es wird darauf geachtet, dass Samen und Pflanzengut nur bei Unternehmen bestellt werden, die ökologisch arbeiten.
Doch auch der Umgang mit der Natur ist wichtig. Kinder werden für ihre Umwelt und auch ihre Ernährung sensibilisiert, indem sie selbst Pflanzen anbauen. Oftmals stufen ältere Kinder Natur als gefährlich ein, weil sie zu Anfang Angst vor Insekten haben oder sich nicht schmutzig machen wollen, berichtet mir Frau Koll. Es besteht oft eine gewisse Ferne zur Natur, welche aber durch die Gartenarbeit überwunden werden kann. „Warum soll man die Natur schützen, wenn man diese als gefährlich empfindet,“ gibt Gabriele Koll zu Bedenken.
Auch in der Grünen Bibliothek bildet urbanes Gärtnern den Schwerpunkt. Kinder und auch Erwachsene erhalten zudem eine Sprach- und Leseförderung. Dieses Jahr werden die ABC-Spiele angeboten, durch welche auf spielerische Weise der Umgang mit Sprache erlernt wird.
Zudem gibt es Bilderbuchkinos und Kamishibai, ein japanisches Papiertheater. Wer lernen möchte, wie man aus Paletten Möbel baut, kann an einem der Workshops teilnehmen.
Auch bei der Auswahl der Bücher wird der Bezug zur Natur hergestellt. So wird beim Vorlesen als Märchen dann beispielsweise die ‚Prinzessin auf der Erbse’ ausgewählt, erklärt mir Projektleiterin Susanne Dorén. „Wenn man sieht, was mit solchen Projekten erreicht werden kann, macht einen das glücklich. Menschen erleben unglaublich Positives,“ sagt sie.
Ermöglicht werden Wachsenlassen und die Grüne Bibliothek vor Allem durch die Unterstützung von Freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern. Wer also Lust auf urbanes Gärtnern hat, kann jederzeit einsteigen und einen Ruhepunkt inmitten der Stadt finden. Dann sieht man bald schon die eigens angebaute Lieblingsblume im Garten sprießen. Susanne Dorén erfreut sich im Moment am meisten an Maiglöckchen, während Gabriele Kolls Lieblingsblume die weiße Japan Anemone ist.
„Aber eigentlich lieben wir sie alle.“, erzählen mir beide lachend.