Von HU-Gastbloggerin Izabella
Sehr spontan treffe ich Ali Dogan, den Inhaber des Train, für mein Interview. Unkompliziert verläuft auch unser Gespräch, das im hinteren, nachträglich angebauten, Raum des bekannten S-Bahn Waggons stattfindet. Auf den ersten Blick kann man den Anbau nicht erkennen und so stehen viele Gäste zunächst staunend im Eingang. Konsequent rot präsentiert sich die Bar und so herrscht eine sehr warme, fast sinnliche Stimmung. Die Decke ist mit einer goldenen Knisterfolie ausgekleidet und die Lichter brechen sich hundertfach darin. Der hintere Bereich ist mit einem Zelt erweitert worden, im Winter sorgen Heizpilze für die kuscheligen Temperaturen.
Vermutlich stellen sich viele Gäste die Fragen, wo er den alten S-Bahn Waggon her hat, was der gekostet hat und wie er hergebracht wurde. Das könne er mir leider nicht beantworten, sagt er und rührt in seinem Tee. „Der ist noch vom Vorbesitzer.“ Das wird dann also auf ewig ein Mysterium bleiben.
Seit 1996 gibt es den Train schon, seit 2004 ist Ali der Inhaber der Bar. Davor hat er einen Taxischein gemacht und ist acht Jahre lang durch die Berliner Nächte gefahren. „Meine innere Uhr tickt anders,“ sagt er. So mochte er die Nachtschichten und sagt auch keine Ton über anstrengende, betrunkene Fahrgäste. Und der Sprung in die Gastronomie bedurft keiner großen Umstellung des Schlafrhythmus.
Wie sieht es mit dem Publikum aus? Hat er Stammgäste? Hat eine Cocktailbar Stammgäste? Menschen, die mehrmals in der Woche Cocktails trinken? Mir kommt der Gedanke merkwürdig vor. Ich persönlich verbinde mit „Stammcafé“ oder „Stammbar“ eher etwas, wohin ich gehe, um Kaffee zu trinken. Oder Bier. Oder Wein. Ich bin also überrascht, als Ali mir sagt, dass nur 20% seiner Gäste Touristen seien und der größte Teil der Besucher aus dem Kiez käme. Aha. So unterschiedlich sind die Menschen.
In der Gastronomie herrschen ungeschriebene Codes. Die Gastronomen kennen sie natürlich. Aber auch die Gäste beherrschen sie zum Teil. Wenn man alleine in eine Bar kommt und sich an den Tresen setzt, ein Bier, einen Wein, in diesem Fall einen Cocktail bestellt (Bier gibt es natürlich auch im Train), dann ist es wahrscheinlich so, dass einem Plausch mit dem Barmann nicht abgeneigt ist. Man sitzt da, sieht ihm bei der Arbeit zu, nickt ab und an, schlürft sein Bier, seinen Wein, seinen Cocktail, und gelegentlich fallen Sätze wie: „Na, wohlverdienter Feierabend ?“ Oder ähnliches. Man kommt ins Gespräch. So kommt es durchaus vor, dass diese Gäste zu Freunden werden, sagt Ali.
Das Personal im Train ist gut aufeinander eingespielt und ist auch schon länger dabei. Man findet eine eher „klassische“ Aufteilung: Männer arbeiten an der Bar, Frauen im Service. Man findet das häufiger so vor und bekommt dann meistens auch die gleiche Antwort: „Männer können halt schwerer tragen.“ Ich vertrete zwar die Meinung, dass auch Frauen einen guten Job als Barkeeperin machen und auch unangenehme Gäste unmissverständlich nach draußen beordern können, aber ich gehe nicht weiter darauf ein.
Ganz reizend finde ich die Antwort auf meine Frage bezüglich der Anwohner. Der Train hat auch einen kleinen Außenbereich, in dem man im Sommer unter freien Himmel Cocktails schlürfen kann. Deswegen läßt sich mutmaßen, dass es häufig Ärger mit den Anwohnern gibt. Doch Ali lächelt und winkt ab. Das halte sich in Grenzen und einige Nachbarn rufen ihn manchmal auch an und sagen, dass es es etwas zu laut ist, was dann umgehend geändert wird. Schönes Miteinander.
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Centers an der Humboldt Universität