Ist der Fotograf mit dem Käppi Rainer Jensen von der dpa? Er hat sich den besten Platz gesichert, direkt an der Stirnseite des Grabes, fast scheint er etwas erhöht auf einem Kästchen zu stehen, doch ich bin nicht nah genug dran, um das zu sehen.
So kann er scharfe, punktgenaue Fotos liefern von diesem Ereignis/dieser Beerdigung. Zum Beispiel für den Artikel Protestaktion in Berlin-Schöneberg – Zentrum für Politische Schönheit beerdigt Flüchtling im Tagesspiegel. Das ist sein Job als Fotograf, immer möglichst nah dran zu sein – egal ob es ein Galadiner, eine Filmpremiere, ein EU-Gipfel oder eben die Beerdigung eines Flüchtlings ist.
Eines Flüchtlings, der im Mittelmeer ertrank, dann von den KünstlerInnen des Zentrums für politische Schönheit exhumiert und nach Deutschland verbracht wurde. „Die Toten kommen“ – seit Tagen bewegt diese Aktion die Gemüter, lässt mich aufschrecken, denn ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, was eigentlich mit den Toten passiert. Welches elende Ende sie nach ihrem grauenhaften Ableben nehmen.
Der taz-Artikel Was wir sehen müssen beschreibt es en detail. Die Artikel-Unterschrift löst mehr als genügend Assoziationen bei mir aus: Auf ihrer Überfahrt in die EU sterben 17 Menschen. Tage später liegen sie in Müllsäcken im Kühlschrank einer sizilianischen Klinik. Auch ein Bild gibt es dazu im Artikel – es ist aufgenommen vom Zentrum für Politische Schönheit – und Reporter Christian Jakob beschreibt warum dieses Foto trotz seiner grausamen Aussage gezeigt werden muss.
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Diesem Flüchtling – ein 60jähriger Syrer – wird auf dem Alten Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße die letzte Ruhestätte gegeben. Imam Abdallah Hajjir spricht das Totengebet auf arabisch. Dann spricht er die Trauergemeinde – circa 200 meist junge Menschen – eindringlich an und bittet alle, nicht von einer Veranstaltung sondern von einer Beerdigung zu sprechen.
Alles geht von statten wie bei einer Beerdigung. Der Leichenwagen fährt heran, der Sarg wird ans Grab getragen, hineingelassen, ein Prediger spricht und dann werfen die Trauernden Erde auf den Sarg und legen Blumen nieder. All dies unter dem ständigen Klicken von Fotoapparaten, dem Surren von Kameras ( wenn die modernen Kameras denn Summen täten).
Das Zentrum für politische Schönheit braucht die mediale Aufmerksamkeit für seine Aktionen. Es bekommt sie und das ist gut so. Die Inszenierungen zeigen Wunden auf. Doch auf dem Friedhof hätte ich mir gewünscht, dass die Regisseure – wenn auch nur für 20 Minuten – alle Kameras hätten schweigen lassen. Im Gedenken an die Toten, die sie hierher gebracht haben, damit wir ihrer Gedenken und aus der Besinnung heraus dann auch Verantwortung übernehmen.
Ist das Entfernen von symbolischen Gräbern eine Schändung?
Doch ist es gut zu wissen, dass dieses Grab sicher ist. Dass der Mensch zwar fern von seiner Heimat, aber immerhin gleich neben einem anderen Muslim seine letzte Ruhestätte gefunden hat und hier auch bleiben darf.
Zwei Tage später – also heute am 21. Juni 2015 – wollte das Zentrum für Politische Schönheit ein Gräberfeld vor dem Kanzleramt errichten. Die Genehmigung wurde untersagt. Der Trauerzug musste kurz vor dem Kanzleramt anhalten. Dann fiel der Zaun.
Und auf einmal war die Wiese vor dem Parlament/Reichstagsgebäude mit symbolischen Gräbern übersät. Manche waren schnell ausgehoben, andere liebevoll mit vobereiteten Kreuzen, Blumen, Gedanken geschmückt.
Wessen Aufgabe ist es nun, diese Gräber zu zerstören? Den Rasen einzuebnen, damit er wieder gedankenlos überquert werden kann.?
Ist die Erinnerung an das Gräberfeld haltbar. Ich habe sicherheitshalber Fotos gemacht.