Oder:
Denn keiner weiß, was das Bezirksamt Mitte während den Ferien vorhat.
„Ach wie schön wäre es, einfach nur zu unterrichten,“ seufzt die eine. „Na die Werbung für die Schule können wir uns ja in Zukunft schenken,“ die andere. „Ich nehme meinen Sohn jetzt mit in den Schulausschuss, damit er lernt, was wir seit Monaten dort diskutieren,“ die nächste. „Sind alle unsere Bemühungen für die Katz gewesen,“ eine weitere.
Tatort BVV-Schulausschuss in Berlin-Mitte am 10. Juli 2015. Eine Gruppe von der Allegro Grundschule protestiert – mal wieder – gegen die räumliche Verkleinerung der Allegro Grundschule. Niemand hat darüber Buch geführt wie oft sie seit Herbst in diesen Räumen waren, um entweder beim Schulausschuss oder in der Bezirksverordnetenversammlung für den Erhalt der Schulklassen und Musikräume zu argumentieren und zu streiten.
Frauenpower ist kein Fremdwort an der Allegro-Grundschule. Seufzen schon eher, denn das meiste wird mit Humor, Kollegialität und Solidarität bewältigt. Doch in diesem Fall brauchen sie starke Nerven: die Frauen der Schulleitung, des Kollegiums, der Gesamtelternkonferenz und des Fördervereins. Und dennoch: Sie sind gut! Sehr gut sogar!*
Insgesamt gelingt es der Allegro-Schule in besonderer Weise, ihre im Leitbild verankerten Ziele im Unterricht umzusetzen und ihr ausgewiesenes Profil mit den beiden Schwerpunkten „Lesen“ und „Musik“ im Schulalltag lebendig werden zu lassen.
In die ganzen Arien der Raumdiskussionen, über die an verschiedenen Stellen schon berichtet worden ist, platzte Anfang des Jahres die Ankündigung, dass die Schulinspektion drei Tage in der Allegro Grundschule verbringen würde, um 34 Unterrichtsbesuche, Interviews mit Schulleiterin, 10 SchülerInnen, 13 LehrerInnen, 11 Eltern, 7 ErzieherInnen, stellvertretenden Schulleiterin, Hausmeister, Schulsekretärin, Schulsozialarbeiter durchzuführen. Das obige Zitat entstammt dem 52-seitigen Bericht, der am 11. Juni dann vor der gesammelten Schulkonferenz veröffentlicht wurde. Er ist (fast ausschließlich) eine Lobeshymne.
Eine Zitatsammlung mit Einwürfen
Den Bericht in wenigen Absätze zusammen zu fassen, den Kampf von vielen Monaten in einigen Sätzen zu chronologisieren, das ist mir nicht möglich. Der Bericht liest sich erfreulich spannend. Die Stellungnahmen und Pressemitteilungen der betroffenen Mütter bringen es auf den besten Punkt. Deshalb ist dieser Artikel eine Zitatsammlung mit meinen Einwürfen.
Bericht zur Inspektion. Hier können Sie ihn in seiner Gänze lesen
„Beschwingt, heiter und fröhlich” übersetzt die Allegro-Grundschule das italienische Wort in ihrem Schulnamen. In ihrem Leitbild macht sie diese Bedeutung zum Programm. Laut Schulprogramm will sie „ein Ort von Bildung und Kultur sein, der den Kindern in vielfältigen Lernsituationen das freudige Gefühl vermittelt, etwas Neues zu verstehen und zu können.“ Dies gelingt der Schule durch die Umsetzung der beiden Profile im Unterricht und in vielfältigen Angeboten und Projekten, die beide Schwerpunkte einerseits schärfen und sie gleichzeitig miteinander verbinden.
Übrigens kommt zu den Profilen auch noch eine ganz deutliche Betonung der kreativen Kunstvermittlung. Sie zieht sich ebenfalls wie ein roter Faden durch den Schulalltag, so dass auch die Kreativität der Kinder hier in besonderer Weise gestärkt wird.
Obwohl 2010 zwangsweise zusammengeführt, hat es die Schule geschafft, die Stärken beider Schulen zu erhalten und in das Gesamtgefüge der neu benannten Allegro-Grundschule einzubauen.
Es ist ja nicht so, dass die Allegro Grundschule schon seit Jahren Zeit und Muße hat, ihr Profil zu gestalten und zu schärfen. Nein, was wir heute dort vorfinden, ist in nur vier Jahren nach einer wirklich komplizierten Fusion zwischen der Grips-Grundschule (Leseprofil) und der Fritzlar-Homberg-Grundschule (Musikprofil) aufgebaut worden. Sicherlich erinnern sich noch viele aus dem Kiez an diese Zeiten, der endlosen Diskussionen mit dem Bezirksamt den Ausschüssen und der Sorgen von Eltern. Und der Tatsache, dass auch viele Eltern, die wertvolle Arbeit für den Schulalltag geleistet hatten, ihre Kinder in anderen Schulen anmeldeten, Freundschaften zwischen Kindern zerrissen wurden. Das Wort „zwangsweise“ in dem Bericht kann es nicht besser beschreiben, was damals/vor Kurzem erst geschah.
Die Haltung, mit unabänderlichen Gegebenheiten im Sinne der eigenen Zielsetzung konstruktiv um-zugehen, ist auch der Ansatz der Schulleiterin. Mit der Fusion neu eingesetzt, repräsentiert sie die Schule auch in schwierigen Phasen jederzeit souverän nach außen. Mit Weitblick, Geduld und Durchsetzungskraft begegnet sie Hürden, nimmt Ideen auf, denkt zielorientiert in großen Zeiträumen, handelt in nachvollziehbaren Schritten und berücksichtigt dabei die vorhandenen personellen und materiellen Ressourcen.
Von Beginn an hat die Schulleiterin zur Erhaltung und Stärkung des Schulprofils eine Vielzahl an Kooperationen mit überregionalen Partnern sowie ein dichtes Netz der Zusammenarbeit im Kiez aufgebaut. Über den Allegro-Förderverein, die Arbeitsgruppe Schule im Quartier, regionale Arbeitsgruppen in Tiergarten-Süd, die Stadtteilbibliothek, den Einsatz von Lesepaten sowie Studentinnen und Studenten gelingt es ihr zunehmend, die Schule im Umfeld zu etablieren und sie als verlässliche und innovative Institution darzustellen. Die hauptsächlich von der Schulleiterin gestaltete Homepage informiert alle Beteiligten und Interessierten und dokumentiert in Fotos und Filmen die zahlreichen schulischen Aktivitäten.
Lassen Sie sich Zeit bei der Entdeckungsreise durch die Webseite . Folgen Sie den Links, erfreuen Sie sich an den Bildern, schauen Sie die Videos. Auch sie sprechen für sich selbst.
Der Unterricht in der Allegro-Grundschule weist in fast allen Merkmalen eine im Vergleich mit dem Unterricht an Berliner Grundschulen überdurchschnittliche Qualität auf. Die meisten Lehrkräfte haben ihre Räume mit vielfältigen Materialien und Schülerarbeiten anregend ausgestaltet. Sie empfangen die Kinder in einem von Zuwendung und Wertschätzung geprägten Klima. Die Schülerinnen und Schüler verhalten sich untereinander freundlich, helfen sich häufig gegenseitig und halten die in vielen Räumen aushängenden Klassenregeln fast immer ein. Die Stunden sind klar strukturiert, auch wenn die Lernziele nicht immer transparent gemacht werden. Besonders deutlich zeigt sich das Bestreben der Lehrkräfte, jedes einzelne Kind durch Lob und Anerkennung anzuspornen und zur Leistung zu motivieren. Bei der Bewältigung der Anforderungen erhalten die Schülerinnen und Schüler bei Bedarf Hilfestellung. Viele Kinder werden nach Angaben der Lehrkräfte im Elternhaus wenig beim Lernen unterstützt, sodass schon kleine Erfolgserlebnisse im Unterricht besonders wichtig sind.
Ja, an der Schule kloppen sich die SchülerInnen auch. Manchmal bewerfen sie sich auch mit Schimpfworten. Manche sind auch sauer auf ihre LehrerInnen und auch Eltern und Kollegium sind nicht immer einer Meinung. Wir sind hier nicht im Paradies, sondern in einer Schule mit 340 SchülerInnen aus 40 Nationen, die nicht alles immer mit gewaltfreier Kommunikation ausdiskutieren. Machen wir ja auch nicht. Und die harsche Wirklichkeit ist sehr viel humorloser und frustrierender als die Unterrichtstage an der Allegro Grundschule.
Nach zwangsweiser Fusion nun zwangsweise Verkleinerung
In letzter Zeit schreiben die engagierten Mütter ihre Pressemitteilungen und Stellungnahmen nachts, wenn sie wieder einmal empört/frustriert aus einer Sitzung des Schulausschusses oder der BVV hinter sich gebracht haben. Dann wälzen sie weitere – gute – Argumente und wissen, dass sie am nächsten Morgen wieder ein voller Arbeits-, Schul- und Elterntag beginnt. Wenn also schreiben, dann gleich.
Jutta Richter, Vorsitzende des Fördervereins, nach der BVV-Sitzung am 16. Juni 2015: Es muss dringend aufhören, dass die Verschlechterung der Rahmenbedingungen in der momentanen Art und Weise voranschreitet, nur weil man sich die Verantwortlichkeiten zwischen Bezirk und Senat hin und her reicht. … Ich möchte Sie bitten, sich dafür stark zu machen, dass Schulen optimale Rahmenbedingungen erhalten und nicht weiter durch die Verantwortlichen versucht wird, lediglich die Verschlechterung zu rechtfertigen.
Katja Kaba, Vorsitzende der Gesamtelternkonferenz, nach der Sitzung des Schulausschusses am 9. Juli 2015: Nach der gestrigen Schulausschusssitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte ist aber klar: Stadträtin Smentek (SPD) will hier kurzerhand an den schulischen Gremien und der BVV Mitte vorbei entscheiden! Und verstößt damit eindeutig gegen einen BVV-Beschluss vom Februar 2015, der genau das verhindern sollte. Die Allegro-Grundschule verlangt einen sofortigen Baustopp der Umbaumaßnahmen und eine klärende Sondersitzung im Berliner Senat.
Höflichkeit ist eine Zier doch besser agieren wir ohne ihr?
Wir bleiben bei diesem Punkt, denn obwohl zum einen noch geprüft werden soll und am 19. Februar 2015 entschieden wurde, dass die Sabine Smentek, (SPD) Bezirksstadträtin für Jugend, Schule, Sport und Facility Management in Mittedie BVV und Gremien vor dem Beginn von Maßnahmen in die Diskussionen mit einschließt, kamen am letzten Freitag bereits die Bauleitung der Kita und des Bezirksamtes in die Schule.
Weiter in der Pressemitteilung: Ihre [Frau Smenteks, Anm potseblog] gestrige Feststellung, dass „die Bevölkerungsdynamik eine Kürzung der Planungszyklen fordert“, steht in klarem Widerspruch zu ihrem Anliegen, eine komplette Etage der Schule für 10 Jahre zu vermieten.
….
Besonders eklatant erscheint ihr Vorgehen auch in politischer Hinsicht: Wie kann es sein, dass am Freitag, 10. Juli 2015, ein Bauleiter des Bezirksamtes in der Allegro vorstellig wird, wenn – wie dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion Die Linke vom 16. Juni 2015 zu entnehmen ist –, „die an dieser Entscheidung zu beteiligenden Gremien und auch die Bezirksverordnetenversammlung diesen Vorhaben bisher nicht zugestimmt“ haben?
Frau Smentek’s Satz, sie würde nicht noch einmal über die Allegro-Grundschule sprechen, zeigt deutlich, dass sie keine Lust mehr auf Einmischung hat. Zumindest nach der Sitzung des Schulausschusses nahm sie sich noch ein wenig Zeit für direkte Gespräche, ohne dass dies an der Situation etwas verändert hätte.
Übrigens hat das Bezirksamt der Schulleitung bisher noch keinen Zeitplan für die Bauarbeiten mitgeteilt. Das ist zumindest unhöflich.
Planlos in die Sommerferien
Wie ich inzwischen aus gut unterrichteten Kreisen erfahren habe, muss das Bezirksamt jetzt erstmal ausmessen und rechnen.
Und ob sich die Bemerkung aus dem heutigen Checkpoint des Tagesspiegels wohl auch auf die Allegro Grundschule bezieht? Laufen die Umbauten unter dem Stichwort „marode Schulen“ oder ist sie da doch in einem anderen Topf: 90 Mio sollen aus dem Sonderprogramm wachsende Stadt in die maroden Schulen gesteckt werden (Sanierungsbedarf insg.: ca. 2 Mrd.) – doch das Geld kann zum Teil erst 2017 verbaut werden. Die Gründe: Dort, wo noch geplant werden muss, fehlen Hochbauamtsmitarbeiter – und dort, wo schon geplant worden ist, fehlt die Zustimmung des Parlaments (aber das macht erst mal Sommerpause).
Dieses vorgestellte Szenario aus der Pressemitteilung der Allegro Grundschule wird sich wohl doch nicht bewahrheiten: Dann also doch dieses Szenario: Das Schuljahr ist fast vorbei und alle freuen sich auf die Ferien. Doch was, wenn zum Start des nächsten Schuljahres plötzlich Kita-Kinder durch die Gänge rennen? Der Hortraum auf einmal ein kleinkindlicher Schlafsaal ist? Oder der Lehrer einer 5. Klasse in seinem ehemaligen Klassenzimmer eine Wickelkommode findet? So sehen die Befürchtungen der Schüler, Lehrer und Eltern der Allegro-Grundschule in Berlin Tiergarten aus.
Doch diese Forderung sollte unbedingt aufrecht erhalten werden: Daher fordert die Allegro-Grundschule den sofortigen Baustopp und appelliert an alle Fraktionen, noch in den Sommerferien einen Eilantrag auf eine Sondersitzung im Senat einzureichen. Vor dem Hintergrund der langfristig steigenden Schülerzahlenprognosen muss verhindert werden, dass das gesamte Schulkonzept der Allegro-Grundschule der kurzfristigen Minimierung des Produktdefizits im Schulbereich geopfert wird! Oder, um es mit Frau Neuberts (die Grünen) Worten zu sagen: „Das Verwaltungshandeln muss gestoppt werden.“
Ansonsten mit den besten Wünschen für eine erholsame Sommerpause noch der Tipp: keinen einzigen Raum räumen!
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*Es gibt auch Männer, es gibt auch Sozialarbeiter, es gibt auch Jungs an der Schule. Auch sie sind gut, sehr gut. Doch hier möchte ich einmal die Frauen in den Vordergrund stellen. Denn bei den Aktivitäten, die ich in den letzten Monaten an der Schule begleitet habe, waren sie durchweg in der Mehrheit.