Von HU-Gastblogger Tony
Mit Tischlermeister Ernst Helmut Ißleib lernte ich heute einen offenen und redseligen Ur-Berliner kennen, der äußerst aufgeschlossen von seinem Betrieb und den Wandel rund um die Potsdamer Straße erzählt. Und er kann viel berichten, schließlich ist sein Tischlereimeisterbetrieb in der Lützowstraße 93 seit 1950 in Familienbesitz und wird es auch bleiben, da sein Sohn demnächst die Nachfolge antreten wird.
Geboren wurde der Tischlermeister 1949 in Berlin, wo er auch aufgewachsen ist. Sein Vater wiederum stammt ursprünglich aus Thüringen und übernahm 1950 den Betrieb, bei dem er damals bereits arbeitete.
Mittlerweile sind bei Ißleib vier Mitarbeiter beschäftigt, von denen drei in der Produktion arbeiten und eine als Bürokraft tätig ist. Stolz erzählt der Berliner mir: “Ich war der letzte Tischler vor der Mauer, nach mir kam keiner mehr”. Zudem ist er seit mehr als 55 Jahren im Tischlerberuf tätig. Die eingehenden Aufträge sind vielfältig und decken eine große Palette ab. Meist sind es Reparaturen für Hausverwaltungen und auch Privatpersonen, wobei es sich bspw. um Beschläge, Türen und Fenster (Holz, Kunststoff, Alu), vor allem für Altbau handelt. Eine Besonderheit ist, dass Ißleib das Know-how zur Instandsetzung und Wiederherstellung von Oberlichtern besitzt und damit besonders bei der Sanierung in Altbauten fast ein Alleinstellungsmerkmal hat, da viele Tischlereien diese Kunst nicht mehr beherrschen bzw. anbieten. Weitere Auftraggeber sind u.a. Kindergärten, Hotels und Kirchen.
Übrigens wird nicht nur repariert, sondern auch selbst gebaut. Für die St.-Matthäus-Kirche am Kulturforum wurden Trompeten aus Holz hergestellt. Und es gibt ein weiteres Projekt, von dem mir Herr Ißleib unbedingt erzählen möchte. Es handelt sich um den Auftrag eines französischen Künstlers, für den der Tischlereibetrieb ein Cessnamodell in beinahe Originalgröße baute. Die verwendeten Materialien waren Holz sowie Aluminium. All dies verwirklichte er in einer Gesamtbauzeit von ca. 2 Wochen.
Neben diesem außergewöhnlichen Bau werden natürlich auch gewöhnliche Stücke wie Bilderrahmen oder Regale hergestellt. Und so kommen wir ein wenig zur Geschichte des Kiez sowie der Potsdamer Straße (slawisch “Straße unter den Eichen”) und ich erfahre, dass die Regale früher für Miederwarenläden oder Buchhändler aus der Gegend produziert wurden, die nun leider immer weniger oder gar geschlossen wurden. Es verschwinden Verkaufsläden und sogar Discounter wie Penny und Netto strichen ihre Segel. Spätkaufläden allerdings würden nach wie vor bleiben, wird mir versichert.
Beeindruckend umfangreich finde ich seine Kundenkartei, in der er all seine Kunden handschriftlich gesammelt hat: “Es dürften so einige Karteileichen darunter sein”, erzählt Ißleib lächelnd. Ich habe das Gefühl, als würde er zu jedem einzelnen Kunden eine Geschichte erzählen können.
Zum Schluss führt mich Ernst Helmut Ißleib durch seine Produktionsräume und zeigt auch einige alte Türen, für deren Restauration er beauftragt ist.
Besonders auffällig fand ich allerdings seine große hölzerne Schubladenwand, in der allerlei Kleinzubehör wie z.B. Schrauben, Nägel und Türgriffe aufbewahrt werden: „Hier wird man schneller fündig als in so manchem Baumarkt.“
Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Centers an der Humboldt Universität.
Ich freue mich über diesen Beitrag zur Tischlerei Ißleib!
Die Räume der Werkstatt sind in der Tat eine Welt für sich, mit vielen Details…