Mit Tony sitzt mir ein überzeugter Ur-Berliner mit
ausgeprägtem Informatik-Interesse gegenüber.
Daher war für ihn ein Studium in dieser Richtung klar. „Informatik – das klingt erstmal trocken, ist aber abwechslungsreich, weil es viele Themengebiete gibt“, klärt er mich umgehend auf, als ich frage, weshalb er sich dafür entschieden hat. Aussuchen, welcher Bereich am interessantesten für ihn ist, kann er aber noch nicht. Ihm gefällt, anderen bei IT-Problemen helfen zu können und immer weiter zu lernen. Diese Motivation macht ihn für mich sehr sympathisch.
Über den Umweg eines dualen Fachhochschul-Studiums fand er zur HU, an der er sich viel wohler fühlt. Beneidenswert wohler – denn auf meine Frage, was ihn am Studium stört, antwortet er nach einer Bedenkpause mit einem Schmunzeln und „eigentlich nichts“. Mit der Schilderung der Verhältnisse an seiner früheren Hochschule wurde seine Zufriedenheit für mich nachvollziehbarer: viel gependelt, viel gearbeitet, wenig gelernt.
Jetzt schätzt er die Freiheit vom Arbeiten, den höheren Anspruch und die Konzentration auf das Erlernen des Inhalts. Und natürlich die Semesterferien – nie mehr im späteren Arbeitsleben wird es so viel frei am Stück geben, gibt er mir durch seine Erfahrung weise prognostizierend zu bedenken. Diese Ferien hat er sich viel Ruhe gegönnt, Freunde getroffen und sein Berlin mal etwas genauer erkundet: neue Parks und Freizeitangebote kennengelernt.
„Es ist vielleicht nicht die schönste Stadt“, sagt er so fair, wie ich’s nie von einem Berliner persönlich zu hören geglaubt hätte, mit Blick auf die Sauberkeit an so mancher Stelle. Wir einigen uns natürlich darauf, dass es auch tolle, hübsche und naturbelassene Gegenden gibt. Für Tony ist Berlin ausreichend schön, um sich auch gut vorstellen zu können, hier zu bleiben. So könnte er auch weiterhin seine Runden durch die Innenstadt radeln, bei denen es ihm aber nicht auf Tempo und Strecke ankommt: „ich bin eher ein Genussfahrer“.
Sein Tüftler-Interesse, das ihn zur Informatik brachte, zeigt sich auch bei seinem Hobby, dem Fotographieren. „Das Handwerkliche“ daran reizt ihn. Die Einstellungen selbst zu bestimmen, obwohl er keinen analogen Fotoapparat besitzt. Spannend finde ich, dass er gern Blitze fotographiert, dafür Regen-Radare studiert und sich dadurch mit Klimatologie beschäftigt. Auch er strahlt, als er mir davon erzählt, und begeistert mich mit.
So eine ‚alles dahinter wissen wollen‘-Veranlagung hat er auch, merke ich. Spätestens als es darum geht, warum er mit im Kurs sitzt: Gezielt etwas herausfinden, richtig recherchieren, lesenswerte Artikel schreiben und die Techniken dahinter kennenlernen; mindestens „für später“. Ich finde, dass er das Zeug dazu haben könnte. Seine Fragen an mich bekunden ein überlegtes, verständnisvolles und respektvolles Vorgehen. Er hatte überraschende Fragen parat, auf die ich gar keine Antwort fand.
So schnell in die unbekannte Interview-Situation gebracht zu werden, hatte uns gleichermaßen überrascht und verunsichert. Trotzdem haben wir am Ende gemeinsam gelacht. Mit Tony hätte mir wohl schwerlich ein geduldigerer Interviewpartner begegnen können.
Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Centers an der Humboldt Universität