Die Lage spitzt sich extrem zu

Von HU-Gastblogger Cora

Auf der Facebook Seite von der A-Z Hilfen gGmbH positioniert sich die Berliner Miet- und Wohnhilfe mit einem Like für das Aktionsbündnis #NOBÄRGIDA offen politisch und gegen Rassismus und Ausgrenzung. Ich finde das wichtig und interessant, besonders vor dem Hintergrund, dass die wenigen Hilfsangebote und Notunterkünfte die es in Berlin gibt, nun auch von den vielen Geflüchteten in Anspruch genommen werden und so noch weniger für alle da ist die in Wohnungsnot sind. Ich frage mich ob dies unter den Betroffenen  zu verstärkten Vorurteilen und Intoleranz  führt.

Der Sozialarbeiter Marco Wackwitz, der bei der A-Z Hilfe in Schöneberg arbeitet, möchte auf keinen Fall verallgemeinern, aber sagt auch, dass er persönlich das Gespräch sucht wenn er mitbekommt, dass unter den Menschen mit denen er arbeitet Vorurteile oder gar rechtes Gedankengut geäußert werden. Es sei auch ein stückweit verständlich, sagt er, dass Menschen, die besonders von Armut und wohnungslosigkeit betroffen sind und denen begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen, um sich umfassend über politische Themen zu informieren, Angst davor haben, dass ihnen das wenige, was sie noch haben, auch noch weggenommen wird.

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Ich treffe Marco Wackwitz (Foto) in der Schöneberger Filiale der A-Z Hilfen Berlin gGmbH. Es gibt die A-Z Hilfen auch noch in Köpenick, Treptow und Neukölln. Der Standort in der Potsdamer Straße 141 hat erst im November 2014 eröffnet. Die Miet- und Wohnhilfe ist Montag bis Freitag von 9.00 bis 17.00 Uhr Anlaufstelle für alle die Hilfe brauchen, weil sie zum Beispiel von Wohnungsverlust bedroht oder bereits betroffen sind. Aber auch bei Verschuldung, Suchtproblematiken, Seelischen Krisen und genereller Überforderung leisten die Sozialarbeiter bei A-Z Hilfen allgemeine Lebenshilfe und vermitteln weitere Anlaufstellen.

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Als ich ihn nach dem typischen Klientel befrage, versichert mir Marco Wackwitz dass es ganz individuelle Fälle sind in denen Menschen in den unterschiedlichsten Situationen seine Hilfe benötigen. Oft, beschreibt er, türmen sich einfach Probleme auf, zum Beispiel nachdem Menschen einen Schicksalsschlag erleiden, krank werden oder die Arbeit verlieren und eine allgemeine Überforderung stellt sich ein. Oft ist das Einkommen seiner Klienten ungeklärt. Es müssen unter anderem Amtsgänge begleitet werden, unverständliche Amtsschreiben erklärt und die Höhe von Schulden geklärt werden. Die praktische Hilfe beinhaltet oftmals das Vermitteln von Suchtberatungen, Schuldnerberatungen, Unterkünften und die direkte Unterstützung bei bürokratischen Hürden.

Dabei muss zuerst geklärt werden, ob und warum die Hilfe von professioneller Seite notwendig ist. Die Kosten für die Unterstützung der A-Z Hilfen müssen vom jeweils zuständigen Bezirksamt übernommen werden. Nach dem §67 des 12. Sozialgesetzbuches muss Menschen in besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten geholfen werden, wenn Sie hierzu selbstständig nicht in der Lage sind. Doch dies ist eine subjektive Entscheidung mit entsprechendem Spielraum für diejenigen die darüber entscheiden. Und um den Anspruch auf die Leistungen bürokratisch abzuklären, variieren Maßstäbe nicht nur von Bezirk zu Bezirk sondern wie Marco Wackwitz sagt, sogar von Sozialarbeiter zu Sozialarbeiter. Diese bürokratischen Tücken seien den Hilfebedürftigen oft schwer zu vermitteln und auch selbst versteht man so manche Entscheidung nicht. Marco Wackwitz erzählt von „teils irrwitzigen Diskussionen“ mit den Ämtern wenn es um die Bewilligung von Leistungen geht. Denn es muss ja immer überall gespart werden.

Neben offenen Beratungsstunden steht bei A-Z Hilfen die Wohn- und Miethilfe im Vordergrund. Einmal im Monat wird eine kostenfreie Mietrechtsberatung durch eine Rechtsanwältin angeboten. Bei Kündigung oder Konflikten mit dem Vermieter kann hier eine erste Meinung von einer Expertin darüber eingeholt werden, ob sich ein Rechtstreit lohnt.

Nicht nur Lebenskrisen und Mietschulden sind die Ursache dafür, dass Menschen vom Verlust der Wohnung bedroht sind. Gentrifizierung und Verdrängung ist in ganz Berlin und auch in Schöneberg ein brisantes Thema. Es ist kein Geheimnis, so Wackwitz, dass sich Problematiken rund um dieses Thema in Berlin in den letzten 10 Jahren besonders zuspitzen. Wackwitz ist in Berlin geboren und sagt, dass er seit 2008 konkret beobachtet, dass das Mietniveau in Berlin extrem ansteigt. „Berlin hat an Attraktivität zugenommen“. Junge Menschen, die aus der ganzen Bundesrepublik nach Berlin kommen, aber auch zahlungskräftige neue Mieter aus dem Ausland lassen Vermietern mehr Spielraum, oft zum Nachteil von Sozialleistungsempfängern und wirtschaftsschwächeren Mietern.

Unterschiede in den Bezirken gibt es nicht, die Probleme sind in allen Bezirken da und sehr individuell. Alle Berliner Standorte der A-Z Hilfen sind stark ausgelastet. Auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen und Sozialberatungsstellen in Schönberg, wie zum Beispiel dem Quatiersmanagement oder Casa Nostra ist wichtig für die Arbeit von der A-Z Hilfen gGmbH.

Für den bevorstehenden Winter befürchtet Marco Wackwitz Schlimmes. Die Kapazitäten der Wohnheime und Notunterkünfte sind erschöpft. Das war schon so bevor Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan in so großer Anzahl wie in den letzten Wochen und Monaten nach Berlin kamen. Es könnte durchaus weit mehr Kältetote in Berlin geben als in den vergangenen Jahren, wenn der Winter sehr kalt wird und wenn von offizieller Seite keine Maßnahmen ergriffen werden um Wohnungslosen mehr Anlaufstellen zu bieten. Es müssen angesichts der Flüchtlingsherausforderung mehr Unterkünfte und mehr Hilfe zur Verfügung gestellt werden. Wie auch bereits von der SPD-Bundestagsfraktion gefordert benötigt es ein „Sofortprogramm für mehr Erstunterkünfte“.

 

Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Centers an der Humboldt Universität

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