Von HU-Gastbloggerin Nancy
Der Wandel in Berlin ist allgegenwärtig. Auch der Potsekiez hat sich im Laufe seiner Geschichte immer wieder verändert. Neuankömmlinge liessen sich hier nieder und haben durch ihre jeweils eigene Kultur Spuren im Kiez hinterlassen. Besonders in den Gründerzeitjahren bis in die Weimarer Republik hinein war das Gebiet um die Potsdamer Strasse das Mekka für Künstler und Kreative. Inspiriert vom literarischen Streifzug eines HU-Gastbloggers durch die literarische Potse habe ich mich auf den Weg gemacht, um zu erkunden, was aus den kulturellen Schauplätzen der Vergangenheit geworden ist.
Das Neue Schauspielhaus : Von Piscator zu Miley Cyrus
Ich starte am Nollendorfplatz. Das 1905/1906 erbaute Neue Schauspielhaus hat eine illustre Geschichte hinter sich. In den Jahren 1927-28 fand der Theater-Avantgardist Erwin Piscator hier seine Bühne. In der Nachkriegszeit zunächst als Kino genutzt, wurde im Haus in den 1970er Jahren die berühmte Disko „Metropol“ eröffnet. Grössen wie U2 oder die Pet Shop Boys traten hier auf. Der Ruhm verblasste allerdings in den 90er Jahren. Nach einem kurzen Gastspiel des Kit Kat Clubs im Jahre 2000 wurde das Haus 2005 in den Speise- und Tanzklub Goya umgewandelt. Miley Cyrus gab hier 2008 ihr einziges Deutschlandkonzert. Im Jahr 2014 wurde der Goya-Club geschlossen.
Authentisch Speisen à la Joseph Roth
In der Potsdamer Strasse 75 kann der hungrige Flaneur in die Joseph-Rothe-Diele einkehren. Der österreichische Schriftsteller und Journalist hatte in den 1920 Jahren im Haus nebenan gewohnt. Geboten wird im liebevoll restaurierten Ambiente einer sich stets ändernde Mittagskarte mit leckerer deutscher Küche wie beispielsweise Königsberger Klopse.
Weiter geht’s in die Bülowstrasse. Im Eckhaus 90/91 empfing der Verleger Samuel Fischer seine Autoren. Das Gebäude wurde kriegsbedingt zerstört, heute befindet sich u.a. eine Zahnarztpraxis an seiner Stelle. Eine Gedenktafel erinnert an den einflussreichen Verleger und sein Schicksal.
Mit Lulu nach Persepolis
Wer immer noch hungrig ist, kann sich zur Kurfürstenstrasse. begeben. Das einstige Wohnhaus des gesellschaftskritischen Dramatikers Frank Wedekind mit der Hausnummer 125 steht zwar nicht mehr, dafür kann man im Persepolis Imbiss Gerichte aus dem nahen und mittleren Osten geniessen.
Weiter hinten, in der Kurfürstenstrasse 154, steht das Jugendhaus des Philosophen Walter Benjamin.
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Die Kurmark-Apotheke in der Kurfürstenstrasse. Hier stand das Haus, in dem Walter Benjamin in seiner Jugend lebte. Foto: Autorin
Heute ist darin die Kurmark Apotheke zu finden, bekannt für ihre grosse Auswahl an traditioneller chinesischer Medizin.
Vieles ist verschwunden
Was kann ich nach meinem Spaziergang sagen? Vieles ist verschwunden, aber wer sich die Mühe macht, auf den Spuren der literarischen Moderne Berlins zu wandeln – vielleicht gerade auch nachdem (Wieder-)Entdecken der Werke – kann sicherlich die einzigartige Atmosphäre der damaligen kulturellen Blütezeit wieder aufleben lassen.