„Ich hab noch einen Koffer in Berlin, deswegen muss ich da nächstens wieder hin“, sang einst die schöne Sängerin und Schauspielerin Marlene Dietrich, die übrigens auch eine waschechte Schönebergerin war.
Koffer begleiten uns auf Reisen, stehen viel im Keller oder in der Abstellkammer, verstauben auf Schränken und werden, wenn es schnell gehen muss, hastig und grob gepackt. Wer sich einen wirklich guten Koffer leistet, weiß, dass der einen im wahrsten Sinne des Wortes um die Weltgeschichte begleitet. Was macht man aber, wenn der Koffer `mal kaputt ist? In unserer heutigen Wegwerfgesellschaft wird vermutlich schneller neues Reisegepäck gekauft, als man schauen kann. Doch die wirklich wertvollen, die bringt man zur Reparatur.
Eine Rarität in Berlin
Anna hat einen Koffer der Marke, die auch Piloten der berühmten Kranich-Airline ständig mit auf Reisen nehmen. Neu hatte er einmal 800€ gekostet, ein Rad ist aber abgebrochen. Ihn einfach wegzuschmeißen, das bringt sie nicht über’s Herz, schließlich hat er sie auf ihr Jahr in Amerika begleitet. Also beschließt sie, sich nach einem Laden umzusehen, der ihren geliebten Koffer reparieren könnte. Prompt wird sie in ihrem Kiez fündig. Das Kofferhaus befindet sich in der Hauptstraße in Schöneberg. Einen Termin braucht Anna nicht, sie kann einfach vorbeikommen und ihren Koffer dort lassen.
Der Laden in der Hauptstraße wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Ein altes Schild „Kofferhaus Witt“ verrät Anna, dass es den Laden schon etwas länger hier gibt. Aber wie genau kann sich denn ein Kofferhaus wie dieses überhaupt so lange halten, fragt sie sich.
„Service wird bei uns groß geschrieben“, erzählt Karin Gabriel, die Besitzerin des Traditionshauses. „Wenn jemand seinen heiß geliebten Koffer zu uns bringt, schauen wir uns das Reisegepäck genauer an und reparieren es wenn möglich. Eine eigene Werkstatt hinten im Laden kümmert sich dann drum.“ Seit 1991 gehört Karin Gabriel das Kofferhaus Witt. Schon seit über 100 Jahren gibt es das Kofferhaus aber schon. „Maria Witt hatte das Lederwarengeschäft hier in der Hauptstraße lange Zeit geführt. Nachdem wir es gekauft hatten, kam sie auch noch zweimal zu uns und hat sichihr altes Lederwarengeschäft modernisiert mal angesehen, sie fand es toll.“
Promis garantieren das Bestehen
Kofferläden gibt es in Berlin nicht mehr all zu viele. Das Kofferhaus in Schöneberg ist außerdem eines der letzten Unternehmen, dass seit über 100 Jahren besteht und weiterhin erfolgreich Koffer verkauft und repariert. wegbrechen, ist das schon ein ganz schöner Schlag, aber wir haben es trotzdem irgendwie hinbekommen.“ Könnte vielleicht auch an den zahlreichen Prominenten liegen, die hier ein und aus gehen. Wenn man Karin Gabriel auf besondere Kunden anspricht, schmunzelt sie stolz und verweist auf die vielen Autogrammkarten im Laden. „Wir haben sie eingerahmt und freuen uns, wenn immer neue dazu kommen. Neulich war sogar jemand Hochrangin„Wir hatten auch Phasen, in denen es schwierig wurde. Als beispielsweise unser großer Kunde aus der Luftfahrtbranche abgesprungen war, hatten wir ganz schön zu kämpfen. Es waren ziemlich viele Kunden, die von der Airline zu uns geschickt wurden, weil ihnen bei einem Flug der Koffer beschädigt wurde. Wenn die alle mit einem Mal ges von der amerikanischen Botschaft hier, der kam gleich mit Bodygard. Der hat erstmal den Laden kontrolliert und alles im Auge behalten, sowas ist dann schon immer ziemlich aufregend.“
Aber auch andere Promis wissen die kompetente Werkstatt des Kofferhauses zu schätzen. „Die sind ja viel auf reisen, da bricht schnell mal eine Rolle ab. Die brauchen ihr Reisegepäck ja dringend wieder, gehört ja auch zu ihrem Beruf, immer auf Achse zu sein.“
Ein Laden wie kein anderer
Der Laden ist aufgeräumt, sehr geräumig und hat von der klassischen Reisetasche bis hin zum eleganten Alu-Koffer alles da. Insgesamt sechs Angestellte arbeiten in dem Unternehmen und kümmern sich um die kleinen und großen Sorgenfälle der Kunden. „Wenn man dem Kunden dann sagen muss, dass der Koffer irreparabel ist, können im wahrsten Sinne auch schon mal die Koffer fliegen. Da hängt oft viel dran, wenn man viel Geld für einen guten Koffer bezahlt hat. Unsere Mitarbeiter haben hier wirklich schon alles erlebt.“
Touristenmagnet
Karin Gabriel hat in den knapp 24 Jahren Bestehen viel erlebt, auch an den Wandel des Kiezes musste sich das Kofferhaus anpassen. „Schöneberg ist in den letzten Jahren bunter geworden. Man merkt aber auch, dass immer mehr besser Verdienende hier wohnen. Deshalb haben wir unseren Laden nochmal modernisiert und entrümpelt.“
Auch Englisch ist im Kofferhaus von Vorteil, denn viele Touristen kommen gezielt in die Hauptstraße um Koffer zu kaufen.
„Viele Japaner und Chinesen kommen extra zu uns, um sich deutsche Qualitätskoffer zu kaufen, das scheint der absolute Renner zu sein.“
Anna kann ihren Koffer nach ein paar Tagen wieder abholen. Ihr geliebtes Stück ist wieder komplett intakt und für ihre nächste Reise nach Vietnam bereit.