Von HU-Gastbloggerin Miriam Meinekat
Street-Art.Projekt Urban Nation plant in der Bülowstraße Eröffnung des „Museum for Urban Contemporary Art“- Ein Interview mit Blick von der Straße.
Die von der Stiftung Berliner-Leben geförderte Plattform Urban Nation sieht es als ihre Aufgabe an, Street-Art für nationale sowie internationale Künstler sowie die Nachbarschaft rund um die Bülowstraße und die Potsdamer Straße in den Mittelpunkt zu stellen. Zusammen soll so eine aktive Zusammenarbeit im Gestalten des Stadt- und vor allem des Kiezbildes stattfinden.
So wurden beispielsweise die Häuserfassaden der gebowag-Häuser in der Bülowstraße zu Leinwänden, Künstler aus aller Welt durften sich hier in aller Kreativität austoben. Die Kunstwerke, „Murals“ genannt, sind meist riesig, wunderschön anzusehen und beinhalten zudem eine politische oder gesellschaftskritische Message.
Oben: Mural der Künstlerin Handiedan in Schöneberg.
Links: Mural des Künstlers Li-Hill in Schöneberg.
Für 2017 plant Urban Nation seiner Kunst einen neuen Raum zu geben, in Form von etwas Statischem, einem Museum. In der Bülowstraße 7, an der Ecke zur Zietenstraße soll den Street-Art-Künstlern und ihren Bildern ein ganzes Haus zum malerischen Austoben gewährt werden. Wie dieser Raum aussehen wird, will die gebowag am offiziellen Pressetermin am 19.Mai bekanntgeben. Doch schon vorab stellen sich viele Fragen. Wie kann so ein Museum funktionieren? Bleiben die Bilder wie in einem „richtigen“ Museum eine lange Zeit dort hängen? Oder werden sie nach einiger Zeit übermalt, wie es bis jetzt von der Direktorin Yasha Young und ihrem „Project M“ gehandhabt wird. Diese Fragen hätte ich gerne bei einem Interview mit Urban Nation gestellt, doch es gibt so viel zu tun. Doch kann man sich schon in der neuen Ausstellung „BELIEVE/BECOME“ ein Bild davon machen, wie Street-Art aussehen kann und was passiert, wenn internationale Künstler den urbanen Raum von Berlin mitgestalten.
Die Street Art ist aus dem Graffiti entstanden, jene Schriftzüge, die der eine oder andere als Schmiererei bezeichnen würde, während andere während einer Bahnfahrt die leuchtenden Buchstaben auf der Lärmwand als bunte Abwechslung sehen. Was ist nun illegal und was nicht?
Was würde Urban Nation in sein Repertoire aufnehmen und was nicht? Und wollen die Graffiti-Künstler das überhaupt? Ich habe mit einem jungen Künstler aus der Graffiti-Szene gesprochen, der seine ganz eigene Meinung zu diesem Thema hat.
Ich nenne den 21jährigen Azubi und Schüler einfach mal XY. Er kommt aus Berlin und wohnt in Kreuzberg. Wir treffen uns draußen und beginnen einen kleinen Spaziergang vorbei an anderen Kunstwerken, den zahlreichen Tags und Bildern, die aus Buchstaben bestehen und an Häuserfassaden, Lärmschutzwände und Brücken gesprayt sind. XY hat einige von ihnen mitgestaltet, er und seine Crew versuchen, sich in ganz Berlin zu verewigen.
Wie und warum hast du angefangen dich für Graffiti zu interessieren?
Schon in der Grundschule hatte ich Spaß daran, regelmäßig meine Schreibschriftart zu ändern. In der fünften oder sechsten Klasse habe ich dann mal ein Buch über Graffitti geschenkt bekommen und so nahm die Sache ihren Lauf. Als ich siebzehn war, hing ich öfter mit Leuten rum, die das jeden Tag gemacht haben und dann kam ich selbst dazu.
Wie würdest du deinen Style beschreiben?
Ich mache klassisches Style-Writing, ganz normales Hip-Hop-Graffiti halt. Aber jedes Mal wird es unterschiedlich.
Das Style-Writing ist die verbreiteste und älteste Art des Graffiti. Mit einem künstlerischen Anspruch an sich selbst verewigt sich der Sprayer mit seinem Namen auf öffentlichem Raum. Hierzu hat er auf legalen Wänden meist mehr Zeit, als auf illegalen Flächen. Dies können auch Züge der Regional- oder S-Bahn sein. Um einen „Train“ malen zu könen, gehört intensive vorherige Planung unbedingt dazu. Bewegungsmelder und Wachleute stören bei der Kunstgestaltung. Es muss also vorher klar sein, wann die Bahn wo hält. Dabei bleibt man trotzdem nicht lange allein.
Malst du alleine oder mit anderen zusammen ?
Ich habe einen eigenen Namen, male aber meist die Kürzel meiner Crew. Letztendlich arbeitet man ja meist mit vielen aus der Szene zusammen wenn es um Trainspotting und so geht. In der Gruppe macht es meistens auch mehr Spaß.
Was bedeutet Graffitti für dich?
Es ist ein Hobby, das weitergeht, quasi eine Lebenseinstellung. Ich „muss“ malen gehen. Vor allem der Adrenalinflash ist es, der mich dabei fasziniert. Man hat nicht zu viel Zeit, darüber nachzudenken was man macht. Das ganze Drumherum einfach.
Wo in der Stadt malst du ?
Am liebsten da wo ich wohne, in Kreuzberg. Da juckt es die Leute am wenigsten, wenn du auf der Straße mit Dosen unterwegs bist.
Hast du auch schon mal in der Nähe der Potsdamer Straße gemalt ?
Eher nicht, da wird es meist schnell übermalt.
Was ist der Unterschied zwischen legalem und illegalem Malen?
Street Art ist meist plakativ und soll etwas ausdrücken. Es ist die gesellschaftlich anerkannte Form des Graffiti. Das finden die Leute cool und somit ok. Das richtige Graffiti, das Illegale wird meist als Vandalismus und Scheiße bezeichnet.
Wie findest du Urban Nation und deren Arbeit?
Prinzipiell nicht schlecht, die machen gute Arbeit. Aber es ist wie gesagt, ausgewählt und wer ist berechtigt dies auszuwählen? Ich weiß nicht, ob Urban Nation das auch so macht, aber auf jeden Fall übermalen in London manchmal Street-Art-Künstler die Graffitis von illegalen Malern. Banksy soll auch mal etwas übermalt haben, von einem Graffiti-Künstler der gestorben ist.
Wie stehst du zu der geplanten Eröffnung des Museums?
Ich werde aus eigenem Antrieb nicht hingehen, wenn mein Vater mir jetzt das Programmheft unter die Nase halten würde, sag ich nicht nein.
Das Interview mit XY hat mich zum Nachdenken gebracht. Warum wird die eine Art der Kunst unterstützt und als „Street-Art“ bezeichnet und die andere ist seit jeher Gegner von Polizei und S-Bahn-Unternehmen? Es wäre doch schön, nur noch in bunt bemalten Zügen zur Arbeit oder in die Uni zu fahren. Andererseits will die Graffiti-Szene auch gar nicht unbedingt als völlig gesellschaftsfähig akzeptiert werden. Sie definiert sich über ihren Unabhängigkeitsstatus. Und funktioniert trotzdem. Trotzdem sollte jeder die Augen etwas offener halten und sich an dem Graffitifreiluftmuseum Berlin erfreuen, welches gar kein Haus braucht. Wer sich das Experiment „Museum of Contemporary Art“ dennoch ansehen möchte, hat 2017 die Möglichkeit dazu. STAY TUNED!
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität.