Sperrig, schmutzig, unglücklich, wozu ist er eigentlich nützlich? Der Hochbunker an der Pallastraße spaltet die Meinungen – Denkmal oder Klotz am Bein?
von HU-Gastbloggerin Nadia
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1977 wurde der Hochbunker mit dem Sozialpalast – heute Pallasseum – überbaut
„Sind da Mäuse?“, höre ich, als ich gerade ein Foto vom Hochbunker an der Pallasstraße mache. Ich drehe mich und sehe einen alten Mann. „Wie bitte?“, sage ich ein bisschen erstaunt. „Ich fragte, ob sie da Mäuse fotografieren.“
Hermann, dies ist sein Name, fragt mich das, weil es anscheinend überall hier um den Bunker herum Mäuse gäbe, eigentlich Ratten, aber niedliche Ratten, präzisiert er, als er meinen leicht angeekelten Gesichtsausdruck bemerkt. „Wenn Sie auf die andere Seite gehen, finden sie ganz viele davon im Busch versteckt„. Nicht unbedingt einladend, denke ich mir. Aber amüsant finde ich es schon. Hermann sieht nett und offen aus, so beschließe ich die Gelegenheit auszunutzen: „Darf ich ihn ein paar Fragen stellen?„.
Hermann ist Künstler, Bildhauer genau gesagt. Er erzählt mir, dass er seit einiger Zeit danach strebt, eine Ausstellung im Bunker zu organisieren. Er habe was unternommen, aber ohne Erfolg: „Es sind da Widerstände, die anscheinend nicht einfach zu beheben sind. Und in der Zwischenzeit steht der Bunker einfach nur noch da.„, erklärt er mir. Hermann war nicht der einzige, den ich über den Bunker befragte.
Einige Zeit davor war ich im selben Ort und versuchte, von ein paar Leuten ihre Meinungen zum ehemaligen Zivilschutzanlage zu hören. Als erstes fragte ich, ob sie es wüssten, was das Gebäude ist: „Na klar, ein Bunker“, antworteten sie selbstverständlich. Doch, bei der zweiten Frage – was seine heutige Nutzung sein könnte, zögerten sie. Und diejenigen, die ihn als Ort der Erinnerung bezeichneten, verrieten dabei einen gewissen Skeptizismus.
Der geschichterzählende Betonklotz
Der Hochbunker an der Pallasstraße ist heute einer der größten Zivilschutzanlage aus dem zweiten Weltkrieg, die das Stadtbild noch mitprägen. Eine vierstöckige Luftschutzanlage, damals errichtet von Zwangsarbeitern aus den osteuropäischen Gebieten. Funktionstüchtig ist er jedoch nie gewesen.
Nach dem Krieg versuchte die US-Armee ihn zu sprengen. Aber die Gefahr die daneben liegende Wohngebäude ebenfalls zu zerstören, war zu hoch. So wurde der Hochbunker begnadigt.
Jahrzehntelang verwendete der Senat die Schutzräume als Lager für Lebensmittel, bis im 1994 ein Brief änderte sein Schicksal.
Eine ehemalige Zwangsarbeiterin aus der Ukraine erzählte über die Jahre der Internierung an der „Augustalager“ – heute Sophie-Scholl-Schule. Neues Licht wurde auf die Vergangenheit der Schule und ihrer Zivilschutzanlage geworfen. Dies veranlasste eine Reihe von Führungen und Ausstellungen auch in Zusammenarbeit mit den Schülern der daneben gelegenen Schule. Und der Lagerraum wurde allmählich als Ort der Erinnerung aufgewertet.
Vor einigen Jahren wurde der Hochbunker an der Pallasstraße nun unter Denkmalschutz gestellt. Im Rahmen von kulturellen Staatsprojekten betreuten Experte, wie beispielsweise Bodo Förster – Geschichtslehrer der Sophie-Scholl-Schule, eine Reihe von Führungen im Hochbunker.
Ich schaue mir das gesamte Gebäude nochmal genauer an. Seine Oberfläche ist teilweise mit Graffiti überdeckt. Einige davon sind bunt und schön. Doch die Grauheit ist überwigend und sie verleiht ihm was Schwermütiges. Fast unglücklich sieht er aus. Als ob er auf etwas warten würde, das noch nicht gekommen ist.
Ein Klotz am Bein der Stadt?
Christian van Lessen drückte in seinem im 2007 erschienen Artikel starke Zweifel über das heutige Dasein von Bunkern aus. Die Gleichung Bunker/Ort der Erinnerung nahm er nicht als selbstverständlich. Wie einst der Bunker an der Nähe der Friedrichstraße, heute Privat Kunstsammlung Boros, auch der „Pallas-Bunker“ wartet auf eine Neubestimmung seiner Funktion.
Laut ihm ist die Erhaltung von Bunkern einfach viel zu teuer. Ist der Hochbunker an der Pallasstraße wirklich nur noch ein riesiger Betonklotz am Bein der Stadt? Sollte man ihn verkaufen und daraus was neues machen?
Das Beispiel von der Kunstsammlung Boros zeigt auch und vor allem wie Vergangenheit und Gegenwart, statisch und beweglich, auf kreative Art und Weise zusammentreffen können.
Mittlerweile ist es dunkel geworden und ich habe meine Fotos aufgenommen. Ich werfe einen letzten Blick zum Gebäude. Als Denkmal erfüllt er seine Funktion – er steht da, ja, aber muss er mehr machen, um an die Geschichte zu erinnern? Eine sperrige Betonmasse, deren Präsenz sich in der Umgebung gewaltig eindrängt. Schon der 1977 darauf erbaute Sozialpalast versuchte ihn irgendwie einzuverleiben, was nur zum Teil gelang. Vielleicht ist doch nur seine Dimension das, was stört.
Auf dem Boden um ihn herum sind blau bemalte und beschriftete Eisenrohre zu sehen. Eine Beschriftung pricht mich an: „Da will ich mal rein“. Ich schaue auf den Eingang, der zur Straße zeigt. Auch dieses Bild ist – auch ohne Mäuse – nicht unbedingt einladend. Trotzdem würde ich einen Blick hinein werfen.
Der Artikel ist entstanden im Rahmendes Kurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Center an der Humboldt Universität