Im Gedenken an Matthias Kühnel
Ich war hoch erfreut, dass Matthias Kühnel 2014 zu einem Interview einwilligte und auch, dass dann der unten stehende Artikel über ihn erscheinen konnte. Denn so offen und hilfsbereit und rührig er im Kiez auch war, so wenig wollte er – außer im persönlichen Kontakt – im Netz über sich preisgeben. Mit Bildern schon gar nicht. Und auch von seiner Laufbahn als Fotograf kann man nicht finden und das nicht nur damit zu tun, dass er sich der analogen Fotografie verschrieben hatte.
Doch fragte man NachbarInnen und seine MieterInnen, dann war viel Freundliches zu hören. Autoverleih, mit Anpacken bei Umzügen oder Reparaturen, Ratten bis in den Gleisdreieckpark bringen, wenn sie bei ihm im Gewerbehof auftauchten.
Er liebte den Kiez, das Kumpelnest und begann vor circa drei Jahren, sich bei den Apostelstuben und bei der Mittwochsinitiative der Zwölf Apostel Kirchengemeinde zu engagieren. Beim Gemüseschnippeln mit ihm zu plaudern war eine echte Erholung. Er war dort gemocht und er erfreute sich an diesem neu entdeckten Ort.
Anfang Oktober 2016 ist Matthias Kühnel gestorben.
Viele hier im Kiez vermissen ihn.
(Regine Wosnitza – 8.12.2106)
Veröffentlichung des folgenden Artikels am 19. August 2014
Von Gastbloggerin Monique
Mit seinem Haus verbindet ihn eine Menge. Matthias Kühnel plaudert sofort aus dem Nähkästchen als gäbe es kein Halten mehr. Das ist die rheinische Mentalität (lacht). Das macht den Unterschied zu Berlin. Bist du in Köln unterwegs und kennst dich nicht aus, kommen die Kölner auf dich zu und zeigen dir den Weg. In Berlin drehen sich alle weg. Ihnen ist anzusehen „Hoffentlich fragt der mich nicht.“
Der 48jährige kam vor 20 Jahren aus Leverkusen nach Berlin. Das Ost-West-Gerede gehe ihm auf die Nerven – Er fühle sich als Ossi. Punkt.
Mein Haus, meine Mieter und ich
Seit 2006 vermietet er Gewerbe- und Wohnräume in der Kurfürstenstraße 15/16 zusammen mit seinem Kollegen der EDV Firma sumotronic und ist seit etwa 10 Jahren Mitglied der IG Potsdamer Straße.
Auf der Webseite mstreet findet man ihn in der Ruprik Medienhäuser. Sobald ein paar Fotografen oder Designer Häuser in Berlin mieten, werden diese gleich als Medienhäuser bezeichnet. Er lacht wieder. Für ihn sei das nicht wichtig. Ich strebe eher eine schöne Durchmischung aus Gewerbe und Bewohnern an. In den letzten Jahren zogen sowohl eine Musikschule als auch einen Teil des Vereins kidz.ev ein. Das bringt Leben ins Haus. Und ich finde den Verein förderungswürdig. Die Musikschule ist deshalb wichtig, weil hier in der Gegend eher weniger gut betuchte Menschen leben und ihre Kinder trotzdem musikalisch fördern möchten. Das finde ich toll.
Was ihn von anderen Vermietern unterscheide? Ich mache vernünftige Mieten und habe kaum Fluktuation in den letzten Jahren erlebt. Außerdem wohne ich selbst mit im Haus und bin immer schnell zur Stelle, wenn es Probleme gibt. Ein Klassiker sei z. B. das ´Nippel ziehen´zu Beginn der Heizperiode. Ventile sind verstopft und es kann nicht geheizt werden. Matthias Kühnel weiß, wo der Nippel zu ziehen ist und macht das auch noch unentgeltlich. Wie alle seiner Tätigkeiten als Hausmeister. Das verbindet und schafft ein gutes Verhältnis untereinander. Ansonsten habe ich hier auch Künstlerateliers, Designer, Werbeagenturen und die Firma POK .
Hinter der Fassade des Vorder- und Hinterhauses verbirgt sich eine langjährige tiefere Familiengeschichte. Über Großväter, Großtante, Eltern, Schwester bis zu ihm schlägt das Herz bis heute weiter. Um 1948 ging das Haus in den Familienbesitz über. Im Zweiten Weltkrieg wurde es teilweise zerstört und nach und nach wieder aufgebaut. Heute sieht man immer noch Einschlaglöcher der Bomben. Ich habe es noch nicht geschafft, alles komplett zu sanieren. Bis vor einigen Jahren, als das Treppenhaus noch nicht renoviert wurde, sah man wohl noch in kyrillischer Schrift auf jeder Etage eingeritzt „Etage 1…4 – minenfrei“. Ich hänge sehr an dem Haus und will hier auch nicht weg.
Vom Werbefotografen zum Hausbesitzer
Der ehemalige Werbefotograf distanzierte sich nach 20 Jahren Tätigkeit von der Werbebranche. Diese sei auch nicht das ´Gelbe vom Ei ´und mache zu viele Knebelverträge. Hinzu kommt, dass sich die Fotografie verändert habe. Früher habe ich noch Stunden an einem Bild gesessen. Das war noch richtiges Arbeiten. Heute ist alles digital, man sitzt zu viel am Bildschirm und kann alles nachbearbeiten. Damals saß ich für food and still (eine Bezeichnung für Lebensmittelfotografie und Stillleben) unglaublich lange an einem Motiv, z. B. mit vielen kleinen Spiegeln um einen Kaffee herum, Licht oben, Kamera schräg daneben, alles zugebaut – und nun den Kaffeedampf simulieren mit einem Halm, den ich durch einen schmalen Spalt der Spiegel schob und da durchblies. Das Digitale ist mir zu langweilig. Heute kann er sich als Hausbesitzer und selbst ernannter Hausmeister wieder handwerklich betätigen und in seiner Freizeit der Fotografie nachgehen.
Wenn er drei Wünsche frei hätte…
Für die Zukunft als Vermieter und Anwohner im Kiez wünsche er sich mehr Individualität, freie Hand und Vielfalt in den Straßen. Immer noch schränken zu viele Gesetze die Eigentümer ein. Große Konzerne verdrängen zu dem die privaten Hausbesitzer und alles werde zu anonym. Von Zwangsabgaben, die momentan vielen Vermietern drohen, fühle auch Matthias Kühnel sich bedroht und würde sich gern engagieren, dass das im Sinne der Anwohner und zur Erhaltung des Kiezes, verhindert würde.
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Sommerkurses 2014 “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität