Elisabeth Meyer-Renschhausen und die Urbanen Gärten
Elisabeth Meyer-Renschhausen
Es ist Donnerstagnachmittag und ich steige aus der U2 an der Bülowstraße aus. Hier wohnt die langjährige Anwohnerin des Schöneberger Nordens, Dr. Elisabeth Meyer-Renschhausen. Wenige Minuten später stehe ich im Flur ihrer Berliner Altbauwohnung. Das Gemüse in dicken Einkaufstaschen tragend begrüßt sie mich herzlich und bietet mir aufmerksam samt Hausschuhangebot einen Platz an ihrem großen Küchentisch an. Einen Augenblick später liegen die Zwiebeln bereits zum schnibbeln auf dem Holzbrett bereit und nach fünf Minuten Bekanntschaft bezeichne ich die rothaarige Soziologin als Multi-Tasking-Talent. Während sie die Kürbissuppe für ihre Gäste vorbereitet, höre ich gebannt ihren Erzählungen zu, wie sie genau zu dem Zeitpunkt zum Tempelhofer Feld kam, als in ihrer direkten Nachbarschaft der Park am Gleisdreieck geplant wurde.
Kleinstlandwirtschaft
Als Berliner Garten-Aktivistin engagiert sie sich für Urban Gardening und gehört zu den Gründern der Arbeitsgruppe Kleinstlandwirtschaft. Durch die Führung interkultureller Gärten entsteht eine Gemeinschaft mit unterschiedlichsten Kulturen und dabei treffen über elf Sprachen aufeinander. Diese Vielfalt verleiht den Kleinstgärten ihren besonderen Charme.
Gemeinschaftsgarten Tempelhofer Feld
Meyer-Renschhausen pflegt seit April 2010 gemeinsam mit Freunden des urbanen Gärtnerns voller Herzblut ihre eigenen Hochbeete auf dem Tempelhofer Feld.
Vor der Gründung des Allmende Kontor – Gemeinschaftsgarten Tempelhofer Feld setzt sie sich über Jahrzehnte zielbewusst und bewundernswert geduldig für das Gelände Gleisdreieck ein. Mit der Bürgerinitiative Westtangente AG wird die erstmalige Planung der Autobahn in den 70er Jahren verhindert, und der zweite Versuch dieses Prachtstück aus Beton durch die Stadt ziehen zu lassen wird ebenfalls, dieses Mal von der IG Gleisdreieck, aufgehalten. Der Beweis dafür, dass man mit Willenskraft und Zusammenhalt oftmals zum Ziel gelangt.
Doch wie sieht es heute aus? Elisabeth Meyer-Renschhausen ist bei Wind und Wetter mit voller Leidenschaft auf dem lahm gelegten Flughafen anzufinden, doch was ist mit dem Gemeinschaftsgärtnern im Gleispark? Überrascht erfahre ich, dass sie neben dem Allmende Kontor hier nur noch eine mini Fläche für den privaten Gebrauch nutzt. Während das Gemüse bereits in den Töpfen brutzelt bin ich neugierig wie es dazu kam.
Gleisdreieck wird zum Park am Gleisdreieck
Was ist also zwischenzeitlich geschehen, wie wird das Gleisdreieck heute genutzt? Ende der 90er Jahre setzt sich die neu gegründete AG Gleisdreieck für wildes Grün mit interkulturellen Gärten auf der brachgelegten Bahngleisfläche ein. Der Plan der Senatsverwaltung und der Baugenossenschaft ist allerdings ein Anderer. Ein transparenter, pflegeleichter Park mit großzügig gepflasterten Wegen soll entstehen. Nach mehreren, heiß diskutierten Treffen der Pro – und Kontra Vertreter kommt es letztlich zu einem Urteil. Die Planung und Durchführung des Parks wird durchgesetzt und ein kleiner Teil der Fläche soll naturbelassen für die Kleingärten erhalten bleiben.
Es kommt zum Ausstieg der Aktivisten und die Parkgenossenschaft Gleisdreieck löst sich auf. In diesem undemokratischen und phantasielos gestalteten Park werden sie keine ehrenamtliche Pflege übernehmen. Dies tut Meyer-Renschhausen für die bosnischen Mitgärtnerinnen leid. Es entstand eine tolle Gemeinschaft beim gemeinsamen Anpflanzen von Beeten und die Frauen hatten viel Spaß daran gehabt. Eine Koordinatorin wird allerdings kurz nach der Auflösung mit ins Boot geholt. Diese leitet die Gruppe, setzt Termine und kümmert sich um die Rahmenbedingungen des biologischen Gärtnerns, worüber sich die Gartenaktivistin freut.
Und heute?
Trotz zäher vergangener Auseinandersetzungen und aufeinanderprallender Meinungsunterschiede steht Elisabeth Meyer-Renschhausen dem Park mittlerweile recht positiv entgegen. Heute sind alle sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Die großen Wiesen sind okay, da sie tatsächlich sehr viel von den jungen Leuten genutzt werden. Außerdem bietet es eine Nutzfläche für Yoga und andere informelle Sportarten. Gleichzeitig sind die Gärten viel besucht.
Die Landschaftsgärtner und der Senat sind besonders stolz auf die Abwechslung von einem großflächigen Park, mit diversen Freizeitangeboten und wild wachsenden Blumen, umgeben von natürlichen Kleingärten. Auf die Frage wie der Park aussehen würde, wäre die Entscheidungsmacht alleine bei ihr gewesen antwortet Meyer-Renschhausen: „Wilder, mehr kleine Gärten und keine breiten Wege.“ Sympathisch fügt sie selbst beäugend hinzu, dass sie den Nutzen der breit ausgelegten Wege unterschätzt hatte und es doch ganz schön sei, dass die Mütter mit ihren Kinderwägen und sie auf Ihrem Fahrrad entspannt aneinander vorbeifahren können. Somit also genügend Platz für alle da ist.
Von Gastbloggerin Jule
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität.