von HU -Gastbloggerin Martina
Besuch des Geschäftes ,,Das Hörwerk“ in Schöneberg
Habt ihr euch schon einmal gefragt, ob das Missverstehen von einigen Wörtern wie ,,Stahl oder Schal“ nicht ein ,,Versehen“ sondern ein vermindertes Hörvermögen sein könnte?
Krankenkassen und Zeitungen berichteten, dass die Schwerhörigkeit in der Bevölkerung massiv zugenommen hat, gravierend auch bei den Kindern und Jugendlichen. Mögliche Ursachen sind: Dauerhaftes Hören von zu lauter Musik beim Besuch von Clubs / Popkonzerten, aber auch die ,,gefährliche Dauerbeschallung“ über Mini-Kopfhörer wie es u.a. bei dem Gebrauch von MP3 Playern der Fall ist.
Das Problem mit der ,,aufgeschobenen“ Schwerhörigkeit
Auf meine anfängliche eigene Vorrecherche und Frage zur steigenden Anzahl von Schwerhörigen in der Bevölkerung, bekomme ich folgende Antwort von der Geschäftsinhaberin ,,Das Hörwerk“:
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Das Geschäft am Willmanndamm 16, 10827 Berlin und Inhaberin Funda Gül Gozdzik
,,Wer schwer hört, geht oft zu spät zum Hörtest.“ So berichtet mir die Inhaberin Funda Gül Gozdzik, ausgebildete Hörgeräteakustik- Meisterin des Geschäftes ,,Das Hörwerk“ im Willmanndamm 16, in 10827 Berlin. ,,Erst wenn es mit der verminderten Hörfähigkeit schon dramatischer geworden ist, wird der Weg zum HNO-Arzt beschritten. Einfach viel zulange wird die bereits bemerkte Hörminderung in Kauf genommen.“
Bei mir entstehen zu dieser Antwort gleich weitere wichtige Fragen: Obwohl es moderne Hörgeräte gibt, warten die Betroffenen sehr lange, warum? Obwohl beim Hörgeräteakustiker kostenlose Hörtest angeboten werden, entsteht der notwendige Weg zum Akustiker größtenteils erst dann, wenn ein Rezept vom Arzt für ein Hörgerät vorliegt?
Zu diesen wichtigen Problemstellungen berichtet mir Frau Gozdzik gleich sehr ausführlich und aufschlussreich, mögliche Ursachen: ,,Eine Hörminderung ist in den häufigsten Fällen ein schleichender Prozess und wird von den Betroffenen deshalb erst spät wahrgenommen. Oft ist es das Umfeld, welches auf die Hörminderung aufmerksam macht. Bis zum ersten Besuch beim Hörakustiker oder beim HNO-Arzt vergehen deshalb manchmal viele Jahre. Die Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung und Akzeptanz von Hörminderungen vieler Institutionen zeigt jedoch schon erste Erfolge. Immer mehr Menschen schützen ihr Gehör rechtzeitig oder machen einen Hörtest bei den ersten Anzeichen für einen Hörverlust.“ Der Bezug zur Öffentlichkeit wurde u.a. hergestellt mit der Veranstaltung ,,Welttag des Hörens„, welcher am 3. März 2017 stattfand.
Das Geschäft
Nur eine Seitenstraße von der Potsdamer Straße und nur wenige Fußschritte entfernt vom U-Bahnhof Kleistpark liegt das mit blauen Farben gestaltete und freundlich einladende Geschäft ,,Das Hörwerk“ von der sehr sympathisch wirkenden, jungen Besitzerin Frau Funda Gül Gozdzik. Auch der Internetauftritt ist in blauen Farbtönen gestaltet. Für mein Interview und einen geplanten Hörtest am Ende des Interviews, meldete ich mich bei der Inhaberin mit einem zusätzlichen ,,Hörprobanden“ zu zweit an, um mich selbst besser auf das Interview konzentrieren zu können.
Nach einer freundlichen Begrüßung und einer Tasse frischen Kaffee aus einer modernen Espressomaschine, kann ich gut ,,erfrischt“ das ausführliche Interview führen. Frau Gozdzik wirkt meinen vielen Fragen gegenüber sehr aufgeschlossen, erklärt und zeigt viele Hörgeräte und die dazugehörigen Utensilien. Ich untersuche und fotografiere viele Hörgeräte (FOTO), die auffallend klein aussehen und sich sehr leicht in der Hand anfühlen.
Es wird mir erklärt, dass es sehr unterschiedliche Varianten von Hörgeräten gibt: Im Ohr, außerhalb des Ohres usw. und Zubehör.
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Verschiedene kleine Hörgeräte und Zubehör
Der Service in deutscher, türkischer und polnischer Sprache
Die Flyer zum Geschäft gibt es in türkischer und deutscher Sprache.Auch ihre Internetseite bietet die Ladeninhaberin in türkischer Sprache an, da Frau Gozdzik türkische Wurzeln hat, aber in Deutschland geboren wurde. Ihr Ehemann bietet für Kunden bei Bedarf einen polnischen Übersetzungs-Service an, da er ehemals aus Polen stammt. So ist die Kundschaft breit gemischt und Frau Gozdzik berichtet begeistert: ,,Der Service in türkischer Sprache wird sehr oft genutzt, der in Polnisch eher weniger. Außerdem kommen Kunden nicht nur aus dem Kiez, sondern auch aus anderen Teilen Berlins und Brandenburg.“
Für die Zukunft möchte sie ihren Internetauftritt so gestalten, dass sie zusätzlich auch einen ,,Einkaufs – Shop“ anbietet. Mehr verrät sie mir dazu leider nicht.
Die jahrelange Betreuung
Die Hörgeräteakustikerin macht außerdem auf die Testung und Betreuung bei einem Hörgerät aufmerksam: ,,Deshalb ist es wichtig, Hörgeräte immer im privaten Umfeld und verschiedene Modelle im Vergleich zu testen. Erst dann kann eine geeignete Wahl getroffen werden. Nach dem Kauf von Hörgeräten wird der Kunde viele Jahre von seinem Hörakustiker weiter betreut. In bestimmten Intervallen werden die Hörgeräte gereinigt, auf ihre Funktion geprüft und ggf. nach einem neuen Hörtest nachgestellt.“ Hierzu erhält man ,,ähnlich“ wie bei einer notwendigen Inspektion eines Autos ein kleines blaues ,,Serviceheft“ von der Inhaberin des Hörwerks für die nächsten Inspektions-Termine der Hörsysteme.
Außerdem berichtet sie mir, dass es zusätzlich die Möglichkeit gibt, bei teuren Hörgeräten auch eine Versicherung gegen Diebstahl, Beschädigung usw. abzuschließen. Denn die Kosten eines Hörgerätes variieren zwischen 0,00 Euro (ohne Zuzahlung) bis zu 2000 Euro oder höher für ein sehr ,,intelligentes“ Hörgerät.
Der Wunsch der beruflichen Selbständigkeit
Frau Gozdzik schildert mir, dass ihr die Ausbildung zum Beruf der Hörakustikerin/Hörgeräteakustikerin sehr gefallen hat. Diese dauerte 3 Jahre und beinhaltete zu den technischen Gebieten auch das Fach Psychologie, welches ihr besonders gut gefiel. Zu einem späteren Zeitpunkt absolvierte sie die Qualifikation zur Hörgeräteakustik – Meisterin. Die Gründung ihres Geschäftes hatte sie nebenbei mit Familie und Kind umgesetzt. Den eigenen, starken Wunsch nach beruflicher Selbständigkeit hatte sie schon lange: ,,Ich wollte seit meiner Kindheit unbedingt später selbständig ein Geschäft besitzen und führen“. Einige Semester Jura-Studium liegen hinter ihr, aber der Wunsch zur Selbständigkeit und ein großes Interesses an dem Beruf Hörakustiker führten dazu, dass sie das Studium ,,sausen“ ließ. Sie ist Geschäftsführerin und Inhaberin des Ladens und führt diesen momentan alleine. Den Ort für das Geschäft am Willmanndamm 16 in Schöneberg hat sie bewusst gewählt: ,,Ich bin hier im Kiez aufgewachsen und kenne ihn gut!“.
Das Hörgerat – ein moderner ,,Winzling“
,,Heutzutage gleichen die modernen Hörgeräte teilweise kleinen Computern, die sich sogar kabellos mit dem Smartphone verbinden können oder internetfähig sind“, berichtet mir die Besitzerin.
Ich bekomme auf eigene Nachfrage hin, mehrere Prospekte ausgehändigt, u.a. auch wie sorgfältig die Pflege eines Hörgerätes sein sollte, hier ein spezielles Heft, eine Pflegefibel für Hörsysteme. Es entsteht bei mir, der überraschend positive Eindruck, dass moderne Hörgeräte heutzutage sehr klein, individuell angepasst und unauffällig am oder im Ohr zu tragen sind. Auch die Farbauswahl ist sehr vielseitig, es gibt Hörgeräte in weiß, rosa, braun, blau und vielen anderen farblichen Möglichkeiten.
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Hörgerät ,,am Ohr“ in blauer Farbe
Der mit Spannung erwartete Hörtest
Was ist überhaupt ein Hörtest? Ein Audiometer überprüft Schwingungen/ Schallwellen im Gehörkanal, d.h. bestimmte Frequenzbereiche werden getestet, ob und wann diese Schwingungen (Töne) rechtzeitig erhört werden, gemessen wird in Hz (Hertz).
Es erfolgt eine kleine Einweisung und mein ,,Prüfling“, Frau Godzik und ich betreten den schallisolierten Hörtestraum. Die Hörtestperson bekommt von der Hörakustikerin einen großen, abgedichteten Kopfhörer – wie beim Musikhören – auf beide Ohren gesetzt und einen ,,Drücker“ in die Hand. Bei jedem kleinsten gehörten Ton soll sofort der ,,Drücker“ betätigt werden. Das Ergebnis wird parallel auf dem uns sichtbaren PC in einem Diagramm, das sog. Audiogramm gespeichert. Ich darf beim Hörtest dabei sein, setze mich in eine Ecke und bin ,,mucksmäuschenstill“, um zusätzlich störende Geräusche zu vermeiden.
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Der Hörtest-Raum
Beim folgenden ,,Hörtest“ erscheinen für unseren ,,Prüfling“ helle und etwas später dumpfe Töne, die für mich nicht zu hören sind. Frau Gozdzik markiert das jeweilige Ergebnis in einem Diagramm, am Bildschirm des PCs sichtbar. Bei einigen dumpfen Tönen, ,,verzieht“ der Prüfling das Gesicht, warum?
Die Auswertung des Hörtest
Die ,,Versuchsperson“ schneidet im Ergebnis bei hellen Tönen gut ab, berichtet im Auswertungsgespräch die Hörakustikerin. Aber warum wurden die dumpfen Töne so spät erkannt? Der Test wird von ihr wiederholt, es entsteht ein ähnliches Ergebnis. Unser Proband hat Probleme beim Erkennen von dumpfen Tönen, warum? Ein zufälliges Ergebnis einer nicht erkannten oder ,,verschleppten“ Hörminderung? Die Hörakustikerin schildert das Ergebnis: ,,Beim Hörtest hat das linke Ohr leider schlechter gehört, als ein gesundes Ohr es tun würde. Eine Erkältung ist eher ausgeschlossen, da nur ein Ohr betroffen ist. Der Hörtest sollte auf jeden Fall wiederholt werden und ein Besuch beim HNO-Arzt ist ratsam.“
Es wird mit Frau Gozdzik vereinbart, den Hörtest in einem späteren Termin zu wiederholen. Hat sich hier bereits bei der Testperson eine ,,versteckte“ Hörminderung eingeschlichen? Gehört auch sie zu den Personen, die ,,unerkannt“ eine Hörminderung mit sich ,,herumschleppen“ und diese ,,aufschieben“? Ich und Frau Gozdzik schauen uns hierzu nachdenklich an. Unser Proband beschrieb den Hörtest ansonsten als völlig schmerzfrei und harmlos. Der Test dauerte keine 10 Minuten. Der Hörtest wurde geschildert wie ein Piepen von Tönen, welche kurz gehört wurden oder eben nicht. Das weitere Vorgehen liegt nun in der Hand der ,,Testperson“.
Die ,,Scham“ vor dem Hörtest
Ich selber bemerke ,,manchmal“ auch bei mir ,,gewisse“ Verständnis – schwierigkeiten, sollte ich vielleicht einmal einen Hörtest ,,riskieren“? Bei der sympathischen und vertrauenswürdigen Inhaberin des Hörwerkes würde ich auf jeden Fall einen Hörtest durchführen, um wirklich Gewissheit zu erlangen. Dieser wird mir wie immer ,,kostenlos“ vom Hörwerk angeboten. Kopfhörer aufsetzen und Drücker betätigen sollte es wert sein, um Gewissheit zu haben, ob alles ok ist mit dem eigenen Hörvermögen!
Es bleibt bei mir immer noch der Gedanke weiterhin bestehen: Warum haben viele Menschen Angst einen Hörtest durchzuführen bzw. rechtzeitig zum HNO-Arzt zu gehen, wenn sie bei sich selbst Hörminderungen oder Verständnisschwierigkeiten bemerken? Sind es die Ergebnisse, die einen ,,schockieren“ könnten oder die Handlung, zukünftig ein Hörgerät tragen zu müssen?
Frau Gozdzik erklärt hierzu, dass es eine psychologische Ursache haben könnte. Das man sich schämt, wenn man schlecht hört. ,,Man kann Hörminderungen jahrelang überspielen und dazu improvisieren.“ Meine dennoch offene Frage wurde später beim ,,Stöbern“ in einem speziellen Forum im Internet beantwortet, wo über Scham und Angst vor Hörgeräten ausführlich und offen diskutiert wird.
Wer sich nun nach meiner ausführlichen Schilderung einen Hörtest zutraut, der ist gerne willkommen beim Hörwerk im Willmanndamm 16, 10827 Berlin zu den Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag von 9 Uhr bis 17 Uhr und freitags bis 14.30 Uhr.
Traut ihr euch?
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Centers an der Humboldt Universität zu Berlin