Auf der Nachbarschaftsplattform nebenan.de waren in letzter Zeit mehrmals Aufrufe von der AG Magdeburger Platz des Stadtteil-Forums Tiergarten-Süd zu lesen. So auch vor vier Tagen: Seit einigen Wochen trifft sich die Arbeitsgruppe Magdeburger Platz des Stadtteil-Forums regelmäßig auf dem Platz und rodet Brennnesseln. Am kommenden Samstag [ heute – 6.5.2017 ab 11 Uhr] nun werden wir dann auf den ersten 200 m² bearbeiteter Fläche säen können, bald werden dort Kornblumen statt Brennnesseln sprießen.
An diesem Tag können wir auch mit weiterer Unterstützung rechnen, da wir uns an dem berlinweiten Aktionstag Berlin machen beteiligen.
Kommen auch Sie, bringen wir Leben auf den Platz, damit wir uns dort wohlfühlen können.
Doch wie wir nun aus gut unterrichteten Kreisen erfahren, ist heute vielleicht gar nicht sooo viel zu tun oder es sind – im besten Fall – noch viel mehr freie Flächen zum Säen vorhanden. Denn seit einigen Tagen ist das Grünflächenamt-Mitte auf dem Magdeburger Platz tätig. Rupft die Brennnesseln, die doch die AG beackert.
Ob das was mit dem Aktionstag zu tun hat? Der Ankündigung, dass MitarbeiterInnen der Berliner Woche unterstützend mit dabei sein werden? Oder gar mit dem Besuch vom Stellvertretenden Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat Ephraim Gothe bei der Sitzung des Stadtteil-Forums Anfang Mai? Dort wurde er auch auf den Magdeburger Platz angesprochen, denn das Stadtteilforum hat einen ausführlichen Beschluss zu der gesamten Materie erstellt. Seine Antwort war mit Informationen des Grünflächenamtes unterfüttert, dazu später mehr.
Dass der Madgeburger Platz grüne Anteilnahme dringend nötig hat, sah auch HU-Gastblogger Lukas bei einem kurzen Besuch dort vor wenigen Wochen. Hier sein Beitrag:
In meinem ersten Artikel in diesem Jahr schrieb ich über die beiden Landschaftsarchitektur-Studenten Lars und Luisa, die sich mit der Umgestaltung des Magdeburger Platzes in ihren Abschlussarbeiten beschäftigten.
Mit beiden Konzepten in der Hand ging ich daraufhin persönlich zu dem Platz um mir Anwohner-Meinungen einzuholen. Wie reagieren sie auf den Platz und die mögliche Umgestaltung?
Es ist der erste richtig warme Tag in diesem Jahr. So warm, das man sogar nur im T-Shirt draußen sitzen kann . Die Sonne scheint und der Himmel ist strahlend blau. Gegen 14 Uhr, an diesem Märztag, sitze ich auf einer der Parkbänke auf dem Magdeburger Platz und lasse ihn auf mich wirken.
Man sieht, dass hier wenig Arbeit investiert wird bzw. nur das Nötigste. An einer Stellen liegt ein Stapel gesägter Äste, die der nächst kräftige Windstoß vermutlich eh mitgenommen hätte.
Der Platz ist fast menschenleer, Wenige finden den Weg hierher. Gegenüber sitzen 2 Männer, eine Frau stößt mit ihrem Hund dazu. Scheinbar verbringen die drei öfter gemeinsame Stunden auf dieser Bank. Auf einer anderen Bank arbeitet eine junge Frau an ihrem Laptop. Ein Vater schaut seinem Sohn beim Schaukeln zu. Ein Mann schlendert eisleckend über den Platz.
Ich erhebe mich von der doch recht ungemütlichen Parkbank, um dem Skater, der sich gerade eine Zigarette dreht, ein paar Fragen zu stellen. Er ist Mitte 20 und verbringt gerade sein Mittagspause auf dem Magdeburger Platz, da er direkt um die Ecke arbeitet. Auf die Frage hin wie er den Platz findet antwortet er: „Nicht so schön, aber immerhin etwas grün“. Er weiß um die Probleme der Prostitution, groß aufgefallen sind sie ihm jedoch noch nicht (ich schätze tageszeitbedingt). Ich zeige ihm die Entwürfe von Lars und Luisa. „Wäre eine schöne Idee, nur ob sich das wirklich so lohnt ist eine andere Sache?“
Ich spreche eine ältere Frau an, die sich gerade auf eine Bank gesetzt hat. Merklich unangenehm ist ihr die Situation und versucht mich abzuwimmeln: „Ich lebe hier erst seit Kurzem, dazu kann ich nichts sagen.“ Ich verabschiede mich höflich und setze mich ein paar Bänke weiter. Nach 5 Minuten kommt sie zu mir und fängt dann doch ein Gespräch an. Ich erfahre, dass sie nur heute ausnahmsweise hier sitzt, da sie krank ist. Normalerweise läuft sie viel oder fährt Fahrrad im Gleisdreieck oder am Landwehrkanal.
Ich frage warum sie so selten auf dem Magdeburger Platz ist, da sie ja direkt um die Ecke wohnt. „Das hier ist Pornografie vom Feinsten. Das ist ja nicht zum Aushalten. Das ist seit 50 Jahren schon so und das wird sich auch nicht mehr ändern“, sagt sie empört.
Ob sich der Magdeburger Platz ihrer Meinung nach verändert hat über die Jahre, frage ich. „In den 60ern gab es hier noch Gartenbau und man hat den Rasen gesprengt im Sommer. Die Pflege wurde aber vor circa 20 Jahren eingestellt.“
Sie findet die Konzepte der Umgestaltung ansprechend und fügt hinzu: „Ich würde öfter hier her kommen, wenn es denn schöner wäre“.
Zum Abschied verrät mir die Frau sogar ihren Namen. Elvira.
Ich mache noch ein paar Bilder und mich dann auf den Heimweg. Schön ist der Platz nicht. Circa eine Stunde war ich dort und habe nicht mehr als 20 Menschen dort gesehen (und das bei schönstem Frühlingswetter). Auch ich bin der Meinung – hier sollte sich etwas ändern.
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses „Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Centers an der Humboldt Universität.
Das Bezirksamt und die Entwürfe
Doch wie lautet nun die Reaktion des Grünflächenamtes auf diese Pläne. Misslich am Gestaltungsvorschlag sei – so übermittelt Stadtrat Gothe – dass Tiergarten-Süd gerade als Quartiersmanagement-Gebiet ausgelaufen sei. Dies sei ein ungünstiger Zeitpunkt. Und schließlich sei der Park gerade im Jahr 2000 umgestaltet worden. Im Herbst 2016 sei – auch auf Wunsch der AnwohnerInnen – ein Zaun installiert worden. Ein moderates Auslichten wäre vielleicht möglich. Doch aus Gründen des Naturschutzes sei ein Kahlschlag undenkbar. Und aufgrund der finanziellen Ausstattung des Amtes sei an eine Beleuchtung und deren Unterhalt nun gar nicht so denken.
Doch so schnell lassen sich die Menschen, die sich seit Jahren hier engagieren, nicht abwimmeln. Das sei eine sehr konkrete Antwort auf einen nicht sehr konkret gemeinten Plan, einen Denkanstoß, um den Platz wieder zu beleben, gibt jemand zu bedenken.
Und da nun einmal ein Stadtrat direkt vor Ort bei den Menschen ist, kommt die Bitte um eine Terminvermittlung bei Bezirksstadträtin Sabine Weißler, zuständig aber nicht terminoffen für Fragen zu Weiterbildung, Kultur, Umwelt und Naturschutz im Bezirk Mitte von Berlin.
Das Statement eines weiteren AG-Mitgliedes: 2000 ist schon eine Weile her. – Hört! Hört! – Heute, im Jahr 2017, sollten sich Leute dafür stark machen dürfen, dass es eine Umgestaltung gibt. Außerdem hat sich die Prostitution anders entwickelt. Immer wenn es Wahltermine gibt* oder ein Stadtrat in den Kiez kommt, werden die Brennnesseln geholt. Wir machen seit Wochen eigene Gärtneraktionen. Wir brauchen kontinuierliche Aktionen und keine Hauruckaktionen vor Politikerbesuchen.