Kon-Tiki – Pallas – Lilli Flora – Terra Petra

Eine Feuer so zu errichten, dass es von oben nach unten brennt. Und dann auch unten noch die Zugluftfuhr verschließen. „Das kann niemals funktionieren,“ stöhnt ein versierter Gartenkenner und verdreht mehrmals die Augen, als die anderen Workshopteilnehmer*innen einfach nur der papiernen Gebrauchsanleitung folgen wollen.

Zehn Neugierige stehen in den Pallasgärten um den Kon-Tiki Ofen herum. Die Initiatoren Julian Bohländer und Maik Billing sind genauso aufgeregt wie alle anderen. Sehr fachkundig führen sie zunächst in die Kunst des Kon-Tiki und der Terra Petra ein. Eifrig studiert haben sie im Internet und auch schon gefachsimpelt. Beim GartenPlausch des Projektes GartenAktiv im Schöneberger Norden haben sie den Vortrag „Mit Terra Petra den Boden verbessern“ gehalten. Sie haben auch Spender*innen mit ihrer Begeisterung motiviert den Ofen zu finanzieren, der jetzt zwischen den hohen Fassaden des Pallasseums, der Gründerzeitbauten der Pallas- und Winterfeldtstraße steht und fachgerecht befeurt seinen Teil dazu beitragen wird, den Gärten wunderbarste Erde zu bescheren.

Diesen Samstag – das Sommerfest schöne[wort]_tage 2017 – habe sie zur Initiation, zur ersten Feuerprobe erwählt. Der Gartenkenner gibt sein Feuerzeug und guck skeptisch. Flammen lodern auf [ Händeklatschen ] Holz kohlt nur wenig [ Besorgnis ] Flämmchen ersterben [Pusten, nachlegen – Augen verdrehen ]. Und dann endlich – das Feuer brennt locker von oben nach unten [ Phew ].

Nun heißt es erstmal zuwarten, fachsimpeln, beim Bühnenprogramm des Festes zuschauen oder die Planzen, Gemüse und Blüten des Gartens bestaunen.

Die Pallasgärten in der Pallasstraße – benannt nach dem Naturforscher Peter Simon Pallas ( 1741 – 1811 )

Der Pallaspark entstand auf der Fläche eines großen Parkplatzes. Anfang 2000 kam die Umbenennung bzw Benennung, weil Parkplätze ja gemeinhin keine Namen haben. Seitdem begleitet das Quartiersmanagement Schöneberger Norden den Prozess des Urban Gärtnerns im PallasPark – der mehr ist als ein Park.

Viel ist geschehen seitdem. Und heute gibt es den Verein Pallasgärten e.V., der auf Facebook eine blumenbunte Seite betreibt und sich und die Gemeinschaftsgärten so beschreibt: Wir sind GärtnerInnen aus der Nachbarschaft und treffen uns mehrmals in der Woche. Darüber hinaus gibt es viele gemeinschaftliche Aktionen mit dem benachbarten Interkulturellen Garten der Künste, wie das Kulturfest schöne(w)ort_tage. Wir setzen uns u.a. für den Erhalt und den Anbau seltener und vergessener Pflanzenarten, Umweltbildung und die Herstellung und Verbreitung von Terra Preta ein. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Austausch mit anderen Gemeinschaftsgärten in Berlin.

Ein Blick ins Schwarze
Die Berichterstatterin schaut circa 90 Minuten später wieder in das Kon-Tiki und sieht eine schwarze, breiige, flüssige Masse. Das mit dem nach unten brennen scheint geklappt zu haben. Nun werden die nächsten Schritte unternommen werden. Und irgendwann gibt es dann diese schwarze, satte Erde, von der ein bisschen in einem Beutel andachtsvoll herumgereicht und begriffen wird. Ein Geschenk von irgendwoher, um das Ziel schon mal in den Händen halten zu können.

Lilli Floras Leben hingegen zerfloss im Grauen
Und dann ändert sich die Stimmung abrupt. Da steht Bezirkstadträtin Christiane Heiß und Bertram von Boxberg auf der Bühne erklären kurz den Hintergrund zur Umbenennung des Parks. Gila aus Israel spricht nur Englisch und berichtet ihre Familiengeschichte. Die Berichterstatterin ist froh, diese Sprache zu verstehen und alles aus erster Hand hören zu kommen bevor dann für die Festbesucher*innen die deutsche Übersetzung folgt.

Lilli Flora war Gilas Tante. Sie lernte sie nie persönlich nur durch Erzählungen kennen. Für kurze Zeit lebten sie und Lilli mit ihren Eltern – nachdem sie aus ihrem eigenen Haus aufgrund der Nazi-Gesetze vertrieben worden waren – in der Pallasstraße 12. Sie waren Kinder, ab einem bestimmten Zeitpunkt durften sie die Wohnung nicht mehr verlassen, nicht mehr mit den anderen Kindern spielen, schon gar nicht den Pfadfindern beitreten.

1939 wurde Gilas Mutter mit einem Kindertransport nach England geschickt und damit gerettet. Lilli blieb in Berlin, die Familie musste noch einmal umziehen und dann wurde sie mit ihrer Mutter am 19. Oktober 1942 nach Riga deportiert und dort in den Wäldern erschossen.

Gilas Mutter war die einzige Überlebende der gesamten Familie. Sie emigrierte von England aus nach Israel. Sie gründete eine Familie, lernte das Leben wieder zu lieben. Sie starb am 15. Juli 2013 – also genau vier Jahre bevor Gila hier im PallasPark steht und ihre Familiengeschichte erzählt. Gila sagt, ihr Name bedeute Freude und sie wünsche sich, dieser Park solle immer voller lachender Kinder sein, egal woher sie kämen.

Inzwischen hat es angefangen zu regnen und es sind kaum noch Kinder auf dem Fest. Eine Gruppe Menschen begleitet die Gäste noch in Richtung Parkeingang, wo ein Schild enthüllt wird. Die Neuköllner Blechbläser waren so freundlich, ihren Live-Auftritt zunächst mit getragener Musik dem Anlass anzupassen. Doch dann versuchen sie es noch mit genuiner Festmusik. Doch der Regen ist stärker geworden. Das Fest ist vorbei.

Mit den Gemeinschaftsgärten und dem Namen ist dieser Flecken im Schöneberger Norden ein spezieller Begegnungsort, der seine Balance nun wieder neu zu finden hat. „Ich gehe in den Lilli-Flora-Park“, wer das in Zukunft sagt, möchte vielleicht nur Möhren ernten oder Terra Petra bestaunen. Von nun an wird dann auch Lilli Flora dabei sein – irgendwie.

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