Radwende oder Radmüll?

Vor knapp einem Jahr testete HU-Gastbloggerin Jette die damals im Berliner Straßenland noch recht neuen Leihfahrräder von Lidl und Nextbike. In Bezug auf diese beiden gibt es hier im Gebiet eine Neuerung. Nextbike hat einen Standplatz vor der Commerzbank an der Ecke Potsdamer Straße / Bülowstraße eingerichtet.

Für Umwelt und Gesundheit und Verkehrsplanung?
Hinzugekommen sind jedoch inzwischen Tausende Fahrräder von hauptsächlich chinesischen Anbietern. Ihre Bedienung ist denkbar einfach, ihr Preis so niedrig, dass sie die Vermehrung des Radverkehrs zu unterstützen scheinen.

Wenn ein umweltbewusster Gast mit Handgepäck zum Beispiel am Hauptbahnhof ankommt und zum Kleistpark möchte, kann er*sie sich auf ein Leihfahrrad setzen und zum Einen gleich ein wenig Sightseeing erledigen, (Kanzleramt, Parlament, Brandenburger Tor, Potsdamer Platz ), außerdem auf einer grünen Route durch den Tiergarten und den Park am Gleisdreieck fahren und gelangt dann über Yorckstraße, den Crellemarkt und den Willmanndamm auf verkehrsarmen Straßen ans Ziel.

Doch diese Tour mag manchen schon zu lang erscheinen. Denn die Ausstattung der Fahrräder ist so spartanisch, dass sie sich eigentlich nur für Kurzfahrten eignen. Einige sind zwar für gute Sichtbarkeit bei Nacht ausgestattet, doch insgesamt sind diejenigen mit Vollgummireifen sehr schwer. Positiv ausgedrückt erhöht das Fehlen einer Gangschaltung den Fitnesswert, doch darf man es nicht eilig haben ans Ziel zu kommen. Und groß gewachsenen Benutzer*innen beschert der kleine Rahmen vermutlich Krämpfe in den permanent angezogenen Knien.

Auch wäre noch zu argumentieren, dass die Sammlung der GPS-Daten bei allen Vorbehalten einen Vorteil haben. Wenn sie denn an die Berliner Verkehrsbehörden weiter gegeben würden. Doch das verweigern die asiatischen Firmen ausgerechnet aus Datenschutzgründen.

Datenschutz und Marketing
Nach einem Datenleck bei Obike warnen die Verbraucherschützer inzwischen vor Datenklau, denn die Firmen scheinen es mit dem Datenschutz nicht so genau zu nehmen. Nach einem APP-Fehler Ende letzten Jahres, flotierten im Internet auf einmal die Kundendaten von Obike. Inzwischen nicht mehr, doch was genau mit den Kundendaten und der GPS-Ortung ist nicht transparent.

Denn vielleicht ist das Ganze nichts weiter als eine Marketingaktion von Investoren. Die FAZ schreibt: Hinter den meisten Verleihern aus Asien stecken mächtige Investoren. So ist der Apple-Zulieferer Foxconn beispielsweise mit mehreren Millionen in Mobike investiert, auch die chinesischen Megakonzerne Alibaba und Tencent sind Anteilseigner von Radvermietern wie dem chinesischen Start-up Ofo. Warum interessieren sich Tech-Firmen für das Vermieten von Rädern? Natürlich schreiben sie sich auf die Fahnen, dass sie in Zeiten zunehmender Mobilität die Städte entlasten und die Lebensqualität der Bürger verbessern wollen. In Wahrheit geht es aber um die Daten der Kunden, die sie selbst nutzen oder für viel Geld an andere Firmen weiterverkaufen können.

Abstellchaos
In Frankfurt sollen es zur Zeit etwa 5000, in München und Berlin sogar 10.000 der billigen Mieträder stehen. Ein Ende der Lieferungen ist nicht abzusehen.

Die FAZ schreibt: Die neuen Anbieter, die sich Obike, Mobike, Byke oder Limebike nennen, laden ihre Räder einfach in Fußgängerzonen und an öffentlichen Plätzen ab – oft über Nacht. Manchmal schicken sie vorher eine Mail an die Stadtverwaltung, um sich anzukündigen. Doch selbst das machen nicht alle, klagen die Verkehrsdezernate. In München beispielsweise stellte Obike aus Singapur im vergangenen Herbst über Nacht gleich 7000 Fahrräder ab. Auf den Gehwegen brach Chaos aus, doch die Stadt hatte keine Handhabe. Die Verleiher müssen nicht um Erlaubnis fragen. Sie berufen sich auf ein Urteil des Hamburger Verwaltungsgerichts: Dort hatte die Stadt 2009 versucht, Nextbike am Aufstellen seiner Räder zu hindern, und scheiterte.

Akzeptanz von Radwende könnte gefährdet sein
Nextbike ist zur Zeit der einzige große Anbieter mit festen Abstellstationen und zahlt dafür hohe Summen. Die Billigfahrräder und auch die von Lidl werden wild abgestellt. Teils einzeln, teils in Reihe oder in umgefallenen Haufen. Ihre hohe Anzahl und und die Tatsache, dass sie manchmal quer auf dem Bürgersteig liegen oder sich vor U-Bahnhöfen ansammeln erhöht die Akzeptanz von Radverkehr nicht. Das ist schade.

 

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