Belsazar, einst babylonischer Kronprinz, jetzt zu finden in der Potsdamer Straße 91, in 10785 Berlin.
Der Name Belsazar stammt, wie schon gesagt aus dem babylonischen. Etwa fünfhundert Jahre vor Christus übernahm ein gewisser Bel-šarru-uṣur bzw. Belšazar die Regierungsgeschäfte seines Vaters Nabonid, während sich dieser in Arabien aufhielt. Nachdem, laut biblischer Überlieferung, dem Kronprinz an den Wänden seines Palastes eine nicht deutbare Schrift erschien, wurde der Prophet Daniel beauftragt, diese zu interpretieren. Dieses Unterfangen jedoch endete zu Ungunsten von Belsazar. Der Prophet las in der Schrift, dass Belsazars Tage der Herrschaft von Gott gezählt sein; er sei von Gott gewogen und für zu leicht befunden worden. Kurz darauf wurde Belsazar ermordet; sein Reich wurde aufgeteilt zwischen den Persern und Medern.
Inwiefern sich aus der Geschichte des Königs Parallelen zu dem gleichnamigen Unternehmen in der Potsdamer Straße im heutigen Berlin ziehen lassen, wage ich nicht zu beurteilen. Warum der gescheiterte Despot als Namensgeber für eine Firma herhalten musste, wissen nur Sebastian Brack und Maximilian Wagner, die beiden Gründer des jungen Unternehmens. Gerne hätte ich eine Antwort auf diese doch recht interessante Frage bekommen; für ein Interview waren die beiden jedoch nicht zu haben.
Das Unternehmen produziert aus Wermutkraut einen Aperitif; „aber anders“. So zumindest nach dem Werbeslogan auf der sehr professionell wirkenden Homepage. Grafikdesigner würden wahrscheinlich sagen: „Sehr 2018“. Wermut oder internationaler „Vermouth“ ist ein mit Gewürzen und Kräutern aromatisierter und aufgespriteter Wein. Der Alkoholgehalt hat sich vorgeschriebenerweise zwischen 14,5 und 21,9 % zu bewegen. Getrunken wurde Wermut ähnliche Produkte Überlieferungen zu Folge schon im alten China, Mesopotamien und im antiken Rom. Als Erfinder gilt Antonio Benedetto Carpano, der im 18 Jahrhundert in Turin lebte. Nachdem der Adel einige Jahre seine Depressionen mit Wermuth bekämpfte, sank das Ansehen des Aperitifs; zuletzt als Getränk der Landstreicher verschrien. Diese Zeit scheint vorbei. Deutschland sei reif für eine neue Wermutkultur, lässt sich Sebastian Brack in den Medien zitieren. Mit dieser Meinung scheint er nicht allein. Zwischen 2012 und 2016 gründeten sich weltweit angeblich mehr als 100 neue Marken. Belsazar ist also nicht allein im Kampf gegen den schlechten Geschmack. „Aber anders“.
Die unternehmenseigene Hompage strahlt. Spielt gekonnt mit Form und Design, macht vollmundige Versprechen.
„Leicht wie warme Sommernächte. Trocken wie Berliner. Belsazar ist: 100 % natürlich, 0 % Kompromiss im Geschmack.“
„Die besten Nächte sind die, die einfach passieren. Belsazar ist: für leichte Drinks, für unvergessliche Momente.“
„Nine to five? Nicht für uns. Wir leben, statt zu planen. Belsazar ist: der beste Drink. Egal wann. Egal wo.“
Was nun an diesem Produkt besonders ist, bleibt mir verschlossen. Gerne hätte ich mich mit zwei bis drei Drinks bestechen lassen. Aber so bleibt Belsazar für mich ein alter Hut in neuer Verpackung. 100 % Marketing, 0 % Neues. Aber anders.
Von Gastblogger Philip
Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität.