Latex aus Leidenschaft

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Geschrieben von HU-Gastbloggerin Christina

Die Wörter rubber und addiction in Verbindung mit Mode lassen im Kopf die wildesten Bilder entstehen. Nicht, wenn man in das Atelier des jungen , innovativen Modelabels Rub Addiction von Alexander Nemitz und seinem Mann kommt. „Früher war das Wort „addiction“ negativ belastet. Heute geht es uns um die Begierde und Hingabe zum Material Latex.“ sagt er. Latex und Mode? Ja! Rub Addiction verbindet seit 2009 beide Elemente mit Leidenschaft und bringt so ausgefallene Modelle hervor.

AlexundAngelinaDer Fetisch steht bei dem Label zwar im Vordergrund, aber: „Freizeitbekleidung und Alltagsfähigkeit wird von jedem selbst definiert.“, sagt Nemitz mit einem Lächeln. Latex ist allerdings noch nicht salonfähig, sondern vielmehr eine Nischenbranche. Aber genau das macht es so interessant – ein besonderes Produkt für einen besonderen Rahmen.

Im 2. Obergeschoss der Kurfürstenstraße 33 konstruieren und schneidern sechs Mitarbeiter die außergewöhnlichen Kleidungsstücke, die direkt nebenan verkauft werden. Alles unter einem Dach – heute eine Seltenheit, sagt Nemitz. Das Atelier präsentiert eine beeindruckende Auswahl an Fetisch-Mode. Von Gürteln und Unterwäsche, über Hosen, T-Shirts und Anzüge bis hin zu Masken bringt das Label Latex an den Mann und –  seltener – an die Frau. Nemitz sagt, dass Fetisch hauptsächlich von Männern ab 18 nachgefragt wird. Nach oben ist die Altersgrenze offen. Aber auch Mann und Frau als Pärchen kaufen bei dem Label ein. Und auch spezielle Wünsche werden gern entgegengenommen.

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Darüber hinaus bekleidet Rub Addiction Foto-, Film- und Theaterproduktionen, wie zuletzt das Projekt des Fotografen Enrico Nawrath. Im Berliner Nachtclub „Berghain“ entstanden beeindruckende Bilder der Tänzer und Tänzerinnen des Berliner Staatsballetts. Rub Addiction hüllte sie in glänzendes Latex, das den entstandenen Bildern eine besondere Intensität verleiht. Das Latex zeichnet die Formen, Bewegungen und Geschmeidigkeit der Körper ab.

BildAttila neu1Auf die Frage, was das ungewöhnlichste Kleidungsstück war, das Rub Addiction bis dato fertigen durfte, antwortet Nemitz: „Ein Kostüm: einen Feuersalamander, der sich aufblasen ließ!“ Auch die ausgefallensten Wünsche werden also, wenn möglich, von den Schneiderinnen erfüllt. Gibt es etwas, was man bei Rub Addiction nicht kriegen kann? „Wir würden niemals etwas herstellen, bei dem jemand zu Schaden kommen könnte!“ sagt Nemitz mit Nachdruck. Sonst versucht das Label, jeden denkbaren Wunsch zu erfüllen.

Erst vor kurzem ist Rub Addiction in die Kurfürstenstraße 33 umgezogen, der alte Standort in Mitte wurde zu klein. „Wir sind hier sehr zentral, außerdem ist die Kurfürstenstraße Ecke Potsdamer Straße eine Ecke in Berlin, die einem Raum zum atmen lässt.“ Auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten erfuhr das Label zahlreiche Ablehnungen. Der neue Vermieter und auch jeder andere, der das Atelier betritt, merkt schnell, dass an der Mode nichts anrüchiges ist. Die Menschen, die die Latex-Mode verwirklichen, sind ganz normale und aufgeschlossene Leute.

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Neben dem Atelier veranstaltet das Label jeden dritten Freitag im Monat ab 22 Uhr die „Rubber Night“ im Club „Mutsch Mann’s“.

Fetisch oder nicht, Frau oder Mann – jeder kann etwas für sich finden. Schaut vorbei und entdeckt eure Leidenschaft zum Latex!

www.RubAddiction.eu, Kurfürstenstr. 33, 10785 Berlin

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Rub Addiction.

Portrait Christina

IMG_0157Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses [„Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen“ des Career Center der Humboldt-Universität]. Portraitiert von Bettina.

Christina hat mit nur 26 Jahren zwei Studiengänge beinahe abgeschlossen. „Ein Ende ist in Sicht“, sagt die zukünftige Referendarin für Sozialkunde und Religion, die auf den Master of Education noch ein Studium der Rehabilitationspädagogik draufsetzt. „Die beiden Bereiche ergänzen sich, denn Inklusion wird immer wichtiger“, meint Christina, und damit trifft sie auf den Punkt. Christina hat schon reichlich Erfahrung in der Arbeit mit Behinderten und chronisch Kranken, die ihr großen Spaß macht. Gerade absolviert sie ihr Studienpraktikum in einem Klinikum, wo sie Patienten in sozialrechtlichen Fragen berät und ihnen Orientierung für den Klinikaufenthalt wie auch für das Leben nach der Behandlung gibt. „Es ist eine interessante Herausforderung, denn ich lerne so viele unterschiedliche Charaktere kennen. Man muss aber zu einem gewissen Grad innerlich Distanz halten.“

In ihrer Freizeit trifft sich Christina mit Freunden oder frönt ihrem speziellen Hobby – dem Häkeln. Vor etwa zwei Jahren packte sie der Häkel-Virus und seitdem häkelt Christina, was das Zeug hält. „Meine Freunde sind froh, denn jetzt wissen sie immer, was sie mir schenken können, nämlich Häkelwolle, -nadeln und Handarbeitsbücher“.
Vor acht Jahren zog Christina aus einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern zum Studium nach Berlin. Nach einem kurzen Intermezzo im hippen, aber lauten Friedrichshain zog sie allen Warnungen zum Trotz in ein Marzahner Hochhaus. Von ihrer Wohnung im 14. Stock hat sie eine wunderbare Aussicht auf Berlin und das Umland. „Ich sehe in der Ferne schon grüne Wälder“. Christina liebt ihre Neubauwohnung, in der alles funktioniert und freut sich über den netten Concierge, der sogar Pakete annimmt, und den Hausmeisterservice.

In den Ferien zieht es Christina eher in den Norden Richtung Skandinavien, oder aber sie bleibt gleich in der alten Heimat. Christina ist ein echter Ostseefan. Schon als Kind war sie immer mit ihren Eltern an der Ostsee zelten und dorthin zieht es sie auch jetzt immer wieder. Dann kommt oft die Schwalbe „Anneliese“ zum Einsatz, Christinas kultiges Ost-Moped. Auf diesem fahrbaren Untersatz geht es dann mit Sack und Pack und Freund auf den Zeltplatz. „Ich schraube sogar selber an Anneliese herum und habe dabei eine Latzhose an“, erzählt sie, und man glaubt der sehr lebenslustig und aktiv wirkenden Christina unbedingt, dass sie dies und noch vieles andere problemlos in den Griff bekommt.

 

Was wir sehen, was wir benennen, was wir erkennen

Der Artikel ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität

Von HU-Gastbloggerin Natascha

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„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“
- Aristoteles (384-322 v. Chr.)

Der Mensch erschafft seine Wirklichkeit. Er schafft Räume, Stadträume und Straßen, die er mit Leben und Funktion erfüllt. Dieses unterhält er fortwährend, neu erschaffend und die Natur drumherum spricht hierbei kontinuierlich mit. Wie nach jedem Schöpfungsakt steht man davor, betrachtet es und will es beschreiben und verstehen. Hierbei wird man überflutet von einem Meer aus Zeichen, Begriffen, Sinngehalten, Objekten – und der Geist versucht alles zu einem klaren Gedanken zusammenzuschmelzen, fast schon zu einer geistigen Sinnlichkeit.

Der Mensch: Schöpfer und Interpret

Dieser Augenblick hat zur Bedingung, dass Zeichen, die Begrifflichkeiten und Objekte in einem klaren Zusammenhang zueinander stehen. Schon die Hochkultur der Griechen, vertreten durch Aristoteles und Platon, haben diese Entschlüsselung erkannt und in Form des sogenannten semiotischen Dreiecks verbildlicht. Seither steht die Semiotik für die Lehre von der Bedeutung der Zeichen als Grundlage des Denkens und der Kommunikation.

Im Konkreten: Das Hier und Jetzt

Nehmen wir Berlin mit seinen Großstadtstraßen und sehen wir im besonderen auf die Potsdamer Straße, erfassen wir die Materialität der Straße und fragen danach, wie die Dinge, die wir sehen, zu den Bildern führen, die von ihr in uns entstehen.

Diese Fragen stellte sich auch Eva Reblin in ihrer Dissertation „Die Straße, die Dinge und die Zeichen – Zur Semiotik des materiellen Stadtraums“. Sie untersuchte die Potsdamer Straße auf eine nie zuvor beschriebene Art: Wann und wie materielle Dinge einer solchen Großstadtstraße zu einer eigenen Bedeutung und zu einer bestimmten spezifischen Straßeninterpretation führen. Aus einer Anzahl von Leitfadeninterviews gelingt es ihr, vielschichtige Bedeutungslinien zu den hinterfragten Stadterscheinungen offenzulegen. Gemessen an der fast unbegrenzten Zahl der möglichen Interpreten, dem unendlichen Universum der Semiose, kann diese Analytik, wie auch Eva Reblin darlegt, jedoch nur unter einschränkenden Modellierungen und Hypothetik zu entsprechenden Ergebnissen führen.

Also, dann lassen wir doch die Dinge verspielt im Geiste treiben, ohne sie allzu sehr auf die Probe zu stellen.

Zum Buch:
 Eva Reblin
„Die Straße, die Dinge und die Zeichen – Zur Semiotik des materiellen Stadtraums“
Transcript Verlag, 1. Aufl., 464 Seiten
ISBN 978-3-8376-1979-9

N.H. – Ein Portrait

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Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Centers der Humboldt Universität
Portraitiert von N.H.

Bitte, treten Sie näher.“

Ich schreite quer durch den Raum zu den zwei Sesseln, die spärlich von einer zarten Stehlampe beleuchtet werden. Links und rechts von mir stehen Bücherregale. Am Fenster befindet sich ein Schreibtisch. Ich nähere mich nun dieser Frau, die zu mir gesprochen hat und in einem dieser Sessel sitzt. Sie schaut aus dem Fenster. Es regnet. Als ich meine Hand auf die Armlehne lege, richtet sie ihre großen dunklen Pupillen auf mich.

Sie sind also Journalist?”

Sie mustert mich forschend, aber mit dem Schalk in den Augen. Ich setze mich zu ihr.

„Dann möchte ich beginnen. Mein Name ist N. Mein Leben begann an einem Mittwochmorgen im November 1989, als ich, wie mein Vater mir einst berichtete, zur Überraschung aller Anwesenden wie ein Kugelblitz aus dem Leib meiner Mutter schoss. Wer mich und diese Geschichte kennt, der sagt noch heute von mir, dass sich an meiner Art des Auftretens nichts geändert hat.“-

N. bemerkt, wie ich auf eines der vielen Schwarzweißfotos an der Wand blicke.

Sie wollen wissen, wo meine Wurzeln liegen? Mein Vater stammt aus einer Hochebene, umrahmt von den Karpaten. Dieses Land ist reich an Wein und Burgen, reich an Leidenschaft. Vielen Menschen ist es bekannt unter dem Namen Transsilvanien- Siebenbürgen. Einst wurde dieses Land von vielen Völkern bewohnt: Ungarn, Serben, Rumänen, Sinti und Roma und Deutschen. Es war Teil eines Vielvölkerstaates. Nun, und meine Mutter, sie ist Berlinerin. Es heißt jedoch, dass ihre Familie von dem russischen Adelsgeschlecht der Romanov abstammt, was auch meinen Namen erklärt. Sie sehen also, es steckt viel Geschichte in meinem Ahnenblut.“

N. erhebt sich und geht an die Anrichte.

Ich habe Ihnen noch gar nichts zu trinken angeboten.“

Ehe die Gläser geleert sind, vergeht eine Stunde und N. erzählt mir von ihrer behüteten schönen Kindheit, ihrer Kindergartenzeit, umgeben von Nonnen und Schuljahren, in denen sie das erste Mal in Berührung mit dem Schreiben kam, ihrer Leidenschaft für das Reisen, ihrem langen Aufenthalt in Budapest, der Stadt, in der sie sich verliebte. — Lange schweigt sie und ihre dunklen Augen ruhen auf mir, dann in der Leere. Ich glaube, sie hat es kaum mitbekommen, dass ich mich höflich und mit großem Dank von ihr verabschiedete. Ich habe das, was ich von ihr haben wollte: ihr neues Buch.

 

A Vitamin

Von HU-Gastbloggerin Sophia

Was erwartet man, wenn man eine Agentur betritt, die sich selber als „Kreativagentur“ bezeichnet?

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Unvoreingenommen und gespannt klingele ich an der Tür. Es wird mir aufgemacht, ich soll warten. Als erstes fällt mein Blick auf ein Aquarium. Es ist groß und hell, ein paar Goldfische verstecken sich hinter den Pflanzen, andere schwimmen stolz vor der Glasscheibe hin und her.  Dann werde ich persönlich von Sven Hänszke, dem Geschäftsführer, begrüßt.

Der Konferenzraum, in dem unser Gespräch stattfindet, ist eindrucksvoll gestaltet. Eine Wand ist voller Bilder von bisherigen Projekten. Zwei weitere Wände sind bis an die Decke voll von mysteriösen schwarzen Kisten.  Sie bilden, das erfahre ich erst später, das Archiv der Agentur. Viele hunderte alte Broschüren und Flyer, fein säuberlich sortiert und kategorisiert, finden hier ihre letzte Ruhe. Die vierte Wand wird von einem Kicker-Tisch eingenommen.  Bekanntlich entspannen Spiel und Spaß ja und machen Platz für Phantasie und neue Gedanken. Beides kann in einer Kreativagentur nur von Vorteil sein.

In der Mitte des Raumes befindet sich ein großer, ovaler Holztisch. Hier erzählt mir Sven Hänszke von A Vitamin. Nein, es handelt sich hier nicht um eine chemische Verbindung, sondern um den Namen der Werbeagentur.  Die Mutteragentur aus Osnabrück nennt sich treffenderweise Kiwi. Ob so viel Vitamin noch gesund ist? Mittlerweile steht A Vitamin jedoch unabhängig da.

Doch wie fällt man in der Hauptstadt noch auf, wo es hier doch über 2500 Werbeagenturen gibt?

A Vitamin ist auf Print spezialisiert – genaue gesagt auf barrierefreie Kommunikation. Von Broschüren, über Visitenkarten bis hin zu Flyern werden so die verschiedensten Projekte realisiert.  Barrierefrei bedeutet, dass alle Flyer, Broschüren und Dokumente als pdf-Datei vorliegen und dem Nutzer vom Computer vorgelesen werden können.

Ein wichtiger Kunde und Nutzer dieses Angebotes ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Liebevoll abgekürzt mit BMFSFJ. Das ist nicht nur unglaublich praktisch – ob für Blinde, Sehbehinderte oder Menschen, die besser verstehen, als selber lesen können – sondern auch eigentlich eine Pflicht der Öffentlichen und Medien, denn jeder sollte die Möglichkeit haben an Informationen zu kommen. Leider wird sie nur nicht von jedem wahrgenommen.

13 Mitarbeiter kümmern sich um die Belange des Kunden und sind immer persönlich erreichbar. Jetzt zurzeit findet ein Casting für ein Projekt des BMFSFJ statt, wo es um Jugendschutz geht. Ziel ist es hier, das umfangreiche Jugendschutzgesetz leichter für alle zugänglich zu machen. Denn… Wussten Sie, dass Sie mit Ihrer 11 Jährigen Tochter in einen Kinofilm FSK 12 gehen dürfen, aber mit Ihrer 16 Jährigen Tochter nicht in einen Film ab 18?

Der Kiez um die Potsdamer Straße ist bunt, kreativ, zusammengewürfelt – perfekt für eine Kreativagentur.  Doch auch das Engagement innerhalb des Kiezes ist wichtig. Deswegen ist A Vitamin Mitglied der Interessengemeinschaft Potsdamer Straße und unterstützt Projekte wie die „Soziale Gruppe“ oder den Berliner Integrationslauf. Doch hat eine so vielschichtige Umgebung Auswirkungen auf die Arbeit? Nein, kreativ gearbeitet wird genauso wie immer. Obwohl der Austausch innerhalb des Kiezes immer wieder für neue Anregungen sorgt und so neue Kontakte geknüpft werden können.

„Was macht A Vitamin besonders“, frage ich Sven Hänszke. Da muss er lachen. Und betont, wie wichtig der persönliche Kontakt zu den Kunden ist. „Wir, die kleinen Mittelständler, sind persönlich da. […]  Wir leben die persönliche Betreuung sehr stark.“

Und wie ist so ein (Berufs)leben, dass man nicht groß planen kann? Wo die meisten Termine erst ein paar Tage vorher gemacht werden und man nicht weiß, was in einem Jahr sein wird? Wenn man immer flexibel und spontan sein muss? „Wunderbar. Ich liebe es!“ Das Leben ist „…immer wieder eine Überraschung. Es ist lebendig.“

Und zu guter Letzt – Wie sieht denn die Zukunft so einer Agentur aus? Verschwindet die Kreativität irgendwann? Klar, das ist schwer zu beantworten. Das Geschäft ist wenig planbar und immer müssen neue Kunden umworben werden. Man kennt das ja aus dem Leben: „Es passiert eh nie das, was man sich wünscht, sondern es kommt einfach zu einem.“

 

A Vitamin Kreativagentur, Körnerstraße 12, 10785 Berlin

Porträt von Sophia

Das Porträt ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität.

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Das Eis ist gebrochen, als ich Sophia nach Australien frage: neun Monate Work’n’Travel nach dem Abi, die Ostküste entlang, drei Wochen Sydney, Arbeit auf einer privaten Pferdefarm, zwischendurch jede Menge Ausflüge, dann Brisbane und dreieinhalb Monate auf einer Bananenplantage. „Fließbandarbeit”, klagt Sophia, doch ihre Stimme lässt vermuten, dass sie das im Nachhinein nicht mehr so schlimm findet: „Das Hostelleben war sehr bereichernd”.
Auf ihrer Tour schreibt sie einen Reiseblog, „für meine Familie, unter anderem, um ihnen nicht ständig am Telefon berichten zu müssen, wo ich bin.”
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Auf einen Kaffee mit Thomas Mann

Von HU-Gastbloggerin Angela

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Es ist gleich 19 Uhr. Engür Sastimdur, verantwortlich für “Konzeption und Kunst” im Café P103 Mischkonzern, zieht einen schwarzen Vorhang zu, der das Café mittig teilt. Ein Vorführraum entsteht. Eine dunkel gekleidete Dame bittet um Aufmerksamkeit und stellt das Abendprogramm vor. Vorher hatte sie noch jeden einzelnen Gast persönlich angesprochen und für den nun auf die Leinwand projizierten Film begeistert; es wird ein Dokumentarfilm über Werner Tübke gezeigt, einem Künstler der sogenannten Leipziger Schule. Über jene künstlerische Strömung erfahre ich an diesem Abend noch einiges, als ich mich mit Engür Sastimdur über das P103 unterhalte.

Engür Sastimdur möchte mit dem P103 einen Ort schaffen, der künstlerisches Potential fördert, der inspiriert. Der Raum nimmt sich dabei zurück, um der Kunst Platz zu geben. “Das Konzept beruht auf Klarheit,” erzählt er mir von seiner Vision. Die Einrichtung besteht folgerichtig aus gepolsterten Vintage-Sesseln und Tischen mit Sperrholzplattencharme; keine Deckchen, keine Kerzen, sondern Minimalismus in seiner gemütlichsten Form: die wunderschöne Jugendstil-Immobilie, 1894 erbaut, lange Zeit traditionsreiche Autorenbuchhandlung, Lesungen von Thomas Mann inklusive, wurde sorgfältig restauriert. Eine Stuckateurin legte die Deckenverzierung frei, die Wände wurden nicht überstrichen, sondern belassen.

Der Betreiber verfügt über viele Kontakte zu Kulturschaffenden, gerade auch zu Künstlern der Leipziger Schule; zu Jürgen Gustav Haase beispielsweise, von dem auch die Idee stammte, das Café mit dem Attribut “Mischkonzern” zu versehen. Denn im P103 Mischkonzern gibt es nicht nur Espresso und Kuchen, sondern auch Kunst: Vernissagen, Lesungen, Klavierabende, Filmvorführungen. Das Programm ist ambitioniert und vielfältig.

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Engür Sastimdur organisiert jene Veranstaltungen. Er akquiriert die Künstler nach dem  „Flaschenpostprinzip“, wie er es nennt. „Da muss man nicht mit Flyern oder Facebook kommen.“, weiß er. Persönliche Kontakte zählen. Und was ihm neben seinem großen Bekanntenkreis zu gute kommt: „Hinter einem Künstler stehen zehn weitere.“

Probleme, interessante Künstler für Veranstaltungen zu finden, hatte er schon früher nicht, als in seiner Taxizentrale (die es heute auch noch gibt) Vernissagen stattfanden: im Büro versammelten manchmal 200 Kulturbeflissene. Das P103 sollte sein zweites Standbein werden. Engür Sastimdur  und seine beiden Mitstreiter, die  Taxizentrale und Café mit ihm leiten, suchten fast zwei Jahre lang nach einem Ort für ihr Café. Als dann jene Immobilie in der Potsdamer Str. 103 gefunden war, sollte eigentlich gerade ein Mietvertrag für ein Objekt auf der gegenüberliegenden Straßenseite unterzeichnet werden. Den Jugendstil-Bau, in dem das Café nun zu finden ist, ließ man sich aber glücklicherweise nicht entgehen, Engür Sastimdur und seine Vertragspartner mieteten den Altbau in der Potsdamer Str. 103 spontan. Seit Mai 2013 exisitert das Café.

Vor hundert Jahren hatte Thomas Mann hier Lesungen. Heute betrachtet man staunend den Stuck und fühlt sich in die Kaffeehaus-Kultur der 20er Jahre versetzt. Wer inspirierende Gespräche und Einblicke in künstlerisches Schaffen sucht, bekommt hier, was das Herz begehrt – und guten Kaffee übrigens auch.

Potsdamer Str. 103 – Öffnungszeiten: 9 – 24 Uhr – Frühstück ab 10 Uhr – keine EC-Zahlung möglich

Helmut Millan – Ein Schwabe Auf Umwegen

…. ein Portrait von HU-Gastblogger Henrik

Mehr als 250 pedalbetriebene Taxis rollen durch Berlin. Ihre Fahrer erleben die Stadt anders als Fussgänger oder Autofahrer. Einer von ihnen ist Helmut Millan aus Mitte.  Er fährt seitmehr als 14 Jahren Rikscha-Taxi in der Hauptstadt. Hierher verschlagen hat den gebürtigen Schwaben aus Ulm vor fast 30 Jahren die Liebe: „und dann bin ich da geblieben“ sagt er.Helmut Millan Berlin Rikscha Tours

Mittlerweile ist der 54 jährige verheiratet und hat einen 6 jährigen Sohn, welcher öfters mit der Rikscha in die Kita gebracht wird, was er „sehr genießt“. Denn Papa ist Gründer sowie Geschäftsführer bei Berlin Rikscha Tours,  „einem der führenden Anbieter für Stadtrundfahrten “ aus Berlin Mitte. Er fährt Touristen und Berliner bis zu 19 Stunden täglich sicher und gemütlich durch den Großstadtdschungel, getreu dem Motto: „Der Luxus der Langsamkeit“.

Angefangen hat der gelernte Einzelhandelskaufmann dabei nach einem Bandscheibenvorfall 2000 im Velo-Taxi, allerdings sind chinesische Rikschas „schneller, leichter zu warten, sie sind wendiger, besitzen eine Federung sowie einen Rundumblick“.

Seine Lieblingsstrecke verläuft durch den idyllischen Tiergarten, hier kann man abseits der lauten Strassen die Natur genießen und auch mal mit den Gästen reden während der Fahrt. „Wenn man nicht mit den Gästen ins Gespräch kommt hat man den falschen Beruf“ sagt der ausgebildete Stadtführer. Sogar seine Frau Alexandra lernte Helmuth über einen Fahrgast in seiner Rikscha indirekt kennen.

Auch im Fernsehen war er schon zu sehen, bei einem Kurzauftritt im ZDF Film Bella Familia an der Seite von Andrea Sawatzki. Seine Passion gilt aber nicht dem Film, sondern dem Reisen: Er lebte zeitweise in Australien und hat mit der transsibirischen Eisenbahn China erreicht, wo er fast ein Jahr lang blieb und die Menschen sowie ihre Kultur zu schätzen lernte. „Vor allem das Essen hat mich stark geprägt“ sagt er. Sein Favorit: Chau-Tse. Von exotischeren Speisen wie Tiger-Phönix-Suppe (Suppe mit Katzenkopf), lies er dann aber doch lieber die Finger … und „down under“ kostete er unter anderem Känguru und Krokodil.

Auch wenn er am liebsten noch den Rest der Welt erkunden würde, vor allem Afrika und Südamerika, schlägt sein Herz ganz und gar für Berlin. Er engagierte sich im Bürgergremium Quartiermanagement Tiergarten Süd und ist aktives Mitglied in der Interessengemeinschaft Potsdamer Strasse sowie der IG Friedrichsstrasse. Dabei steht er der Modernisierung des Viertels durchaus positiv gegenüber, es entstehen ja schließlich auch „sehr schöne und viele neue Bauten hier“.

Privat schiebt er eher eine ruhige Kugel, vorzugsweise in einer Snooker-Bar. Seit 1985 spielt er erfolgreich diese Variante des Billards, war sogar schon bei verschiedenen nationalen Meisterschaften dabei. Der Snooker-Tisch dürfte neben diversen Büchern und seiner Familie übrigens auch keinesfalls auf einer einsamen Insel fehlen.

Portrait von Henrik – Vom Model zum Paläobiologen

Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität.

Januar 1989, Ost-Berlin: Henrik wird geboren. Lange bevor sein Bewusstsein einsetzt, ist die Mauer gefallen. Familienhintergrund: Eltern in der ostdeutschen Punkbewegung aktiv, Onkel DJ auf einer der ersten Loveparades. „Die Musik liegt mir im Blut“, sagt Henrik. Er hat sich also kurzerhand selbst beigebracht, Musik so zu mixen, dass sie die von ihm  präferierten Merkmale erhält: nur ein paar Regler adaptieren, und schon verwandelt sich jeder Titel in herrlichsten Britpop! So einfach ist das.

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In anderen Lebensbereichen handelt Henrik ähnlich pragmatisch. „Eine Tür geht zu, eine andere auf!“, so läuft das bei ihm. Als seine Agentur ihm das Angebot unterbreitet, in Italien an seiner Modelkarriere zu arbeiten,  hatte er soeben Absagen für seinen Studienplatz erhalten.  Also auf nach Mailand, um dort über den Catwalk zu stolzieren. Er lebte für ein Jahr in einer Model-WG, glamourös war das kein bisschen, resümiert er. Anschließend nach Shanghai, um dort zu modeln, das wollte er nicht, und lehnte das Angebot ab. Lieber wieder zurück nach Berlin! Henrik klagte sich in seinen Studienplatz ein, und begann Biologie in seiner Heimatstadt zu studieren. „Weil ich darin in der Schule am besten war!“, begründet er die Entscheidung. Chemie als Nebenfach, „das hasste ich ja!“, sagt er lachend. Aber bestanden hat er am Ende dann doch alle Prüfungen.

Nun widmet er sich seinem Lieblingszweig der Biologie, der Paläobiologie, in der man sich mit der biologischen Erforschung ausgestorbener Lebewesen befasst. Diese Disziplin entpuppte sich, nachdem Henrik seine anfängliche Skepsis überwunden hatte, als interessantes Sujet, und erschließt ihm außerdem ein neues Berufsfeld: Ölkonzerne nehmen die Dienste von Paläobiologen gerne in Anspruch, um festzustellen, an welchen Orten es sich lohnt, noch tiefer nach Öl zu graben. Das erkennt der Fachmann nämlich an den Fossilien, die an betreffenden Stellen gefunden werden. „Ich bin kein Weltverbesserer“, sagt Henrik, wie immer, pragmatisch: „Der Verdienst muss stimmen.“ Ganz unter uns: er wählt trotzdem nicht die FDP. Und sein Faible für trashige Hits aus 80ern und 90ern unterläuft ein bisschen den Pragmatismus, mit dem er sonst sein Leben bestreitet. Sein Lieblingstitel aus dieser Sparte: “Saturday Night” von Whigfield.

Portraitiert von Angela

Bettina W. Ein Portrait.

Dass fremden Sprachen und Kulturen für gewöhnlich ein ganz besonderer Reiz innewohnt, ist nur schwer abzustreiten. Selten jedoch reicht jene Anziehungskraft des “Anderen” – das vielen bekannte Fernweh – über eine Back­packer-Reise oder den normalen Sommerurlaub hinaus.

Bei der aus Osnabrück stammende Bettina W. ist das anders. Der Faszination für die Kulturen unserer Welt entwuchs eine Leidenschaft, für welche ihre Heimatstadt sehr schnell zu klein wurde. Gleich nach dem Abitur lebte die junge Frau ein Jahr als Au-pair in Spanien und studierte im Anschluss Spanisch, Französisch und Germanistische Linguistik in Braunschweig und Berlin.

Hier gibt Bettina unter dem Namen cosmopolilingua mit selbstentwickelten Methoden und Materialien individualisierten Einzelunterricht in Deutsch als Fremdsprache. Dabei vermittelt sie nicht nur Sprache, sondern auch “Kultur und Mentalität, Sozialverhalten und kulturelle Kompetenzen”. Seit einiger Zeit erstellt sie als selbstständige Produzentin nun auch Online-Lernvideos für die Plattform Sofatutor. Menschen mithilfe ihres Unterrichts die Sprache und somit den “Schlüssel zu Integration in Gesellschaft und Arbeitswelt” zu geben, bezeichnet die Lehrerin als erfüllende Aufgabe. Wenn sie von ihrer Arbeit spricht, leuchten ihre grünen Augen, ein schüchternes, und doch stolzes Lächeln ziert ihr Gesicht.

Obwohl Bettina nach über 10 Jahren Aufenthalt schon lange als waschechte Berlinerin gilt, zieht es sie immer wieder in die Ferne – nach Frankreich, Portugal, Spanien. Gemäß ihres Naturells checkt sie dabei eher selten in Hotels ein, sondern nutzt Online-Plattformen wie Couchsurfing oder das von ihr präferierte unkommerzielle und gemeinnützige BeWelcome, um bei Landsleuten unterzukommen. Gleichzeitig hat Bettina innerhalb der letzten vier Jahre über 30 Menschen aus aller Welt auf ihrer eigenen Couch schlafen lassen.

Durch die zeitintensive Arbeit und ihren Sohn, der noch zur Schule geht, wurden Bettinas Reisepläne in den letzten Jahren stark eingeschränkt. In Zukunft jedoch möchte die Sprachbegabte wieder neue Teile des Erdballs erschließen – Südamerika reizt sie, in Brasilien könnte sie sich sogar vorstellen zu wohnen. Aber erst einmal muss der Sohnemann die Schule abschließen und Bettina festen Fuß als selbstständige Deutsch als Fremdsprache-Lehrerin gefasst haben. Bis dahin erfreut sie sich an ihrer kleinen Familie, den Lernerfolgen ihrer Schützlinge – und den ruhigen Sonnenstunden auf Balkonien, inmitten ihrer Pflanzen und in dem Wissen, dass die Welt noch einiges zu bieten hat. 

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Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses [“Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen”des Career Center der Humboldt Universität]

Portraitiert von Anne T.