Schlagwort-Archiv: Angst

Portrait Senta

Es war der einzige Gang mit Stühlen. Das Interview fand in einem schmalen, grauen Gang in dem Universitätsgebäude in der Ziegelstraße statt. Trotz der ungastlichen Umgebung entstand schnell eine gelöste Atmosphäre und das Gespräch wurde rasch persönlich. Senta scheint eine sehr aufgeweckte und fröhliche Persönlichkeit zu sein und ist sehr neugierig. Auf meine Frage, wohin sie gerne mal reisen würde, antwortet sie prompt: „Überallhin!“

Dass ich sie als fröhlich empfinde, liegt nicht nur daran, dass sie „zu viel Lachen“ als ihre schlechteste Eigenschaft bezeichnet. Ist zuviel Lachen eine schlechte Eigenschaft? Das kann ich für meinen Teil nicht bestätigen. Doch tatsächlich wirkt sie sehr lieb und so, denkt sie, wird sie auch von anderen wahrgenommen. Als würde sie kein Wässerchen trüben können. Ich wage die Behauptung, dass das durchaus trügen kann.

Senta studiert VWL und schlägt auch in der tageszeitung als Erstes den Wirtschaftsteil auf. Dann folgt Politik. „Immerhin sind das Themen, die doch alle angehen.“ Doch sie gibt zu, dass diese Artikel oft nicht alle erreichen, was dem Schreibstil geschuldet sein kann. Nicht jeder versteht etwas unter den Begriffen der Makroökonomie. Schmunzelnd gibt sie zu, dass sie danach zum Comic blättert.

Senta

Mich interessiert, wovor sie Angst hat. Sie ist 21 und hat gerade mit ihrem Studium begonnen. Vor kurzem erst hat sie ihre Heimatstadt in Hessen und ihren Freund und ihre Freunde verlassen, um in Berlin zu studieren. Wovor also könnte sie Angst haben? Deswegen erstaunt mich ihre Antwort ein bisschen. Sie hat Angst zu versagen. Es nicht zu schaffen. Dabei finde ich, dass jemand, der loszieht, um neue Sachen zu lernen, sehr mutig ist.

Eine 21-jährige zu fragen , wie sie gerne mit 85 wäre, ruft erst einmal einen verständnislosen Blick hervor. Doch dann scheint sie es genau zu wissen: gesund wäre sie gerne und sie würde gerne auf ein erfülltes und gelebtes Leben zurückblicken. Vielleicht mit einer großen Familie. Auf jeden Fall weise! Und sie möchte anderen nicht zur Last fallen, sie nicht nerven.

Meine letzte Frage zu Feminismus beantwortet sie damit, dass sie damit manchmal ihren Freund nervt. Weil das für sie ein wichtiges Thema ist. Jede Frau sollte ihre Meinung äußern können und den Beruf ausüben können, den sie möchte. Selbstverständlich ebenso vergütet wie ein Mann. Verschiedene Lebensmodelle und Rollenverteilungen gesteht sie den Leuten zu, man muss sich eben selbst aussuchen, wie man leben will. Wenn das in dem klassischen Lebensmodell der Fall ist, prima.

 

von HU Gastbloggerin Izabella

Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Kurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Centers an der Humboldt Universität

 

Happy End

Von HU-Gastblogger Frank Haberland

Die junge Frau visiert ihr Ziel an, wartet einen Herzschlag und drückt ab. Dann senkt sie die Spiegelreflexkamera und überprüft das Ergebnis.

Stefanie Klawitter recherchiert für ihren neuen Roman. Sie macht noch ein Foto und blickt die Frobenstraße entlang. Wind streicht ihr durch das schwarze Haar mit den pinken Strähnen. Sie lächelt breit. „Genau so habe ich mir das vorgestellt.“

Stefanie Klawitter.jpg

Foto: Stefanie Klawitter

Sie ist begeistert von Schöneberg. „Kann doch gar nicht sein, dass es so etwas gibt.“ Sie meint die Gegensätze. Der Kiez der Potsdamer Straße ist gleichzeitig dreckig und schick, traditionell und modern und ständig im Wandel. „Ich war mir sofort sicher: Hier geht’s hin.“ Zwischen Bülowstraße und Nollendorfplatz verortet Stefanie die Schicksalsgeschichte über einen Stricherjungen.

Kei (gesprochen ‚Kii‘) ist 17, als er von zu Hause wegläuft. Seine Familie lehnt seine Homosexualität ab. Er läuft weg. In Schöneberg will er zwischen Regenbogenfahnen und Schwulenklubs ein neues Leben beginnen. Aber auch dort läuft es schlecht für Kei. Er findet sich auf dem Transgender-Strich auf der Frobenstraße wieder. Immer wieder gerät er an brutale Freier und Schläger. Zurück nach Hause kann er nicht. Kei ist am Tiefpunkt seines Lebens. In dieser hoffnungslosen Situation macht ihm ein Freier ein fragwürdiges Angebot. Was hat der Mann mit ihm vor? Ist er Keis Rettung oder sein Verhängnis?

Diese Frage beanwortet Stefanie Klawitter im Sommer 2011, wenn ihr Debütroman in der Edition Doppelpunkt erscheint. Der ungewöhnlich lange Titel steht schon fest: „Im Licht der Straßenlaternen sah ich einen tanzenden Traum“.

Ein Traum wurde auch für Stefanie wahr, als sie ihren Autorenvertrag unterschrieb.

Wie ich mich gefühlt habe? Ganz ehrlich? Ich konnte es nicht glauben. Das kam ganz unerwartet.“ Aber Erich Schanda, Gründer der Edition Doppelpunkt, und sein Lektoratsteam erkannten Stefanies Potenzial. Der Verleger sieht die Hauptaufgabe der Edition darin, Geschichten auszuwählen, die es wert sind, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. „Wir fördern gezielt junge, noch weniger bekannte Autorinnen und Autoren, weil diese im rein kommerziell ausgerichteten Verlagswesen kaum eine Chance haben.“

Heute sind es meist Kleinverlage, die Nachwuchsförderung betreiben. Und weil Erich Schanda diesen Anspruch ernst nimmt, stellt er Stefanie eine Lektorin und die kompetente Erfahrung des kleinen, aber engagierten Verlagsteams zur Seite.

Natürlich verändert sich dabei auch Stefanies Arbeitsweise. „Mehr Ernst, mehr Recherche“, fasst sie es zusammen. Keis Schicksal ist ihr ambitioniertestes Projekt und „ein riesen Haufen Arbeit.“ Ihre Augen leuchten. „Das ist alles so aufregend!“

Dabei konnte Stefanie schon Erfahrungen mit Veröffentlichungen sammeln. Erst vor wenigen Wochen erschien ihr Text „Aus. Geliefert.“ in einer Kurzgeschichtensammlung der Edition Doppelpunkt. Die Angst!-Anthologie versammelt 24 Geschichten von elf Autoren, aktuell wird die Krimi-Sammlung „Blutlese“ ausgeliefert.

Aber wie bringt die gelernte Mediendesignerin und Studentin der Medientechnik Schreiben, Studium und Privatleben unter einen Hut? „Also einen Zeitplan habe ich noch nicht gemacht. So funktioniert das bei mir auch nicht.“ Sie will das Schreiben nicht erzwingen. Im Augenblick schließt sie die Vorarbeiten zu ihrem Roman ab. Dazu gehört eine gründliche Recherche vorort. Wo übernachtet Kei? Welche Geschäfte besucht er? Wo trinkt er seine Cola und wie viel kostet sie? Jedes Detail ist der Autorin wichtig. Stefanie ist ein neugieriger Mensch. Sie spricht vier Sprachen und war schon mehrmals in Japan. Natürlich beeinflusst das auch ihre Geschichten. Ebenso wie Gespräche mit Polizisten oder die Preisliste der Eckkneipen.

Im Sommer 2011 wird all die Arbeit mit der Veröffentlichung des Romans ihr Happy End finden. Ob es auch eines für Kei gibt, wird sich erst dann zeigen.