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Kunst an der Potsdamer Straße: Begegnungen mit Künstlern, Galeristen und Besuchern

von Christian Kaiser

Die Gegend um die Potsdamer Straße ist zu einem Kunstquartier geworden. Im Straßenbild sind die Galerien und Ateliers deutlich sichtbar. Fährt man etwa die Potsdamer Straße entlang, so kann man vom Doppeldecker aus in die weißen Räume von Galerien hineinschauen. In deren Inneren sieht man mitunter ein Paar Stiefel schrittweit auseinander stehen oder einen Farbklecks an der Wand – „Ist das Kunst oder kann das weg?“ ist ja längst ein Running Gag.

Wie aber sehen Künstler und Galeristen eigentlich ihre jeweilige Tätigkeit, was bedeutet sie ihnen persönlich?

Was macht überhaupt ein Galerist genau? Und wie wird man zum Künstler? Ist Kunst noch immer gelebte Selbstentfaltung? Und wie gehen dann Künstler und Galeristen mit der Notwendigkeit um, ihre Werke vermarkten zu müssen?

Wieso gibt es eigentlich so viele Galerien und Künstler im Gebiet der Potsdamer Straße?

Gibt es eine Vernetzung zwischen den Galerien und den hier ansässigen Künstlern? Wer kauft denn Kunst, wer besucht Galerien? Kann man tatsächlich von einem Kunst-Boom sprechen?

Gesprochen habe ich über diese Fragen mit zwei Künstlern, die in den U-Bahnbögen der Pohlstraße 11 ihre Ateliers haben, Bettina Lüdicke und Rolf Hemmerich, mit der Managerin der Krome Gallery in der Potsdamer Straße 98, Selina Lai, und mit Alfons Klosterfelde, dem Galeristen der Helga Maria Klosterfelde Galerie in der Potsdamer Straße 97, sowie mit zufällig angetroffenen Besuchern dieser beiden Galerien.

Von diesen Begegnungen berichte ich in fünf Artikeln, zu deren Lektüre ich Sie herzlich einladen möchte:

Urknall im Keller – eine Begegnung mit dem Künstler Rolf Hemmerich in seinem Atelier in der Pohlstaße 11

Skulpturen schaffen, um Raum zu gewinnen – Bettina Lüdicke erzählt in ihrem Atelier in der Pohlstraße 11 von ihrer künstlerischen Arbeit

Von ‚Nieeje‘ und der großen Liebe – Galerien-Besucher. Eine Momentaufnahme

„Es geht darum, den Künstler in seiner ganzen Persönlichkeit zu verstehen“ – ein Gespräch mit Selina Lai, Managerin der Krome Gallery (Potsdamer Straße 98), über die Tätigkeit einer Galerie

Über das Verkaufen von Genuss – eine Begegnung mit Alfons Klosterfelde, Galerist der Helga Maria Klosterfelde Galerie (Potsdamer Straße 97)

Urknall im Keller. Eine Begegnung mit dem Künstler Rolf Hemmerich in seinem Atelier in der Pohlstraße 11

Dieser Beitrag ist Teil des Artikels: Kunst an der Potsdamer Straße. Begegnungen mit Künstlern, Galeristen und Besuchern.

von Christian Kaiser

Atelier Rolf HemmerichParallel zur Pohlstraße, nahe am neuen Gleisdreieck-Park, lässt eine Kuriosität des U-Bahnbaus Raum für Ateliers entstehen: Denn die zunächst oberirdisch über eine eiserne Brücke geleitete U-Bahnlinie 1 fährt hier plötzlich mitten durch die zweite Etage eines roten Mietshauses und wird dann von einem ebenfalls noch oberirdisch verlaufenden Tunnel peu a peu in den Untergrund geführt. Die Besonderheit dieses Tunnels nimmt, wer von der Pohlstraße herüberschaut, nicht wahr, doch läuft man nun zwischen Spielplatz und Neubau durch einen versteckten Torbogen hindurch, findet man sich unerwartet in einer geschützten, aber dennoch sonnenbestrahlten langgestreckten Grünanlage wieder, in der man vom angenehmen Flair eines mediterranen Dorfes meint empfangen zu werden; geht der Besucher nun den Weg am Tunnel entlang, so wird er sehen, dass der Tunnel von Gewölben getragen wird, in denen sich Jugendtreff, Metall- und Holzwerkstatt, Flamenco-Tanzschule und mehrere Künstler mit ihren Ateliers und Ausstellungsräumen eingerichtet haben, unter ihnen auch Rolf Hemmerich, mit dem ich heute verabredet bin.

Herr Hemmerich begrüßt mich und führt mich ins Innere seines Ateliers in der Pohlstraße 11. Ich setze mich an einen langen Holztisch und blicke mich um: Es ist ein hohes, lichtes Gewölbe, über das ab und an die U-Bahn rumpelt. Kunstwerke sind im Raum verteilt: am Fenster ein zackiges Sonnenrad, von einer Stange getragen, daneben ein feingliedriger metallener Strahlenkreis, umrahmt und halb verdeckt von hölzernen Rechtecken. An der Wand gegenüber eine Art plastisches Bild, in dessen Mitte das Innere eines alten Türschlosses zu sehen ist, um das herum schwarze Hölzer angeordnet sind.

Schattenwesen IV, Mooreiche 100x100, Rolf Hemmerich

Schattenwesen IV, Mooreiche 100×100, Rolf Hemmerich, Foto: Rolf Hemmerich

An einer anderen Wand des Ateliers hängen „Schattenwesen“ aus braun-schwarzer Mooreiche. Das Rohmaterial liegt auf einem Tisch in der Ecke, viel ist nicht mehr da. „In den letzten zwei Jahren habe ich mich bemüht, neue Formen, neue Ausdrucksmittel zu entwickeln“, erzählt Rolf Hemmerich. „Ich hatte dabei das Glück, in Polen dieses schwarze Holz zu bekommen, das ist Mooreiche, die ist ein paar Tausend Jahre alt.
Ich war immer schon fasziniert von der Evolutionsgeschichte der gesamten existierenden Lebenswelt, wie sich das Neue aus dem Alten herausbildet bei gleichzeitiger Beibehaltung dessen, was mal war. Das Alte verschwindet ja nicht, das taucht in anderen Formen immer wieder auf. Das konnte ich mit diesem Material, der Mooreiche, zeigen.“

Fossilien sind für seine künstlerische Arbeit eine seiner Inspirationsquellen. Herr Hemmerich hat selbst an Ausgrabungen in einem Steinbruch teilgenommen, in „Solnhofen, wo sie den Urvogel gefunden haben“, und im Rahmen seiner 30-jährigen Tätigkeit als Studienrat für Biologie Evolutionstheorie gelehrt.

„Ich habe Kunst überhaupt nicht studiert. Vor 10 Jahren wollte ich mal an die Akademie gehen, aber dachte dann, dass das doch lieber ein Prozess sein soll, der ganz aus mir selber herauskommt.“ Angefangen hat seine künstlerische Tätigkeit vor etwa 30 Jahren, „mit Fundstücken aus Holz, die ich dann mit dem Messer bearbeitet habe. In einem solchen Prozess  entwickelt man dann eine bestimmte Ästhetik, ein bestimmtes Gefallen an der Sache.“
Heute hat er als pensionierter Studienrat den „Vorteil, dass ich nicht Klinkenputzen gehen muss, sondern wirklich machen kann, was ich will“.

Rolf Hemmerich führt mich in den Keller seines Ateliers, den er mit einiger technischer Raffinesse als Ausstellungsraum hergerichtet hat, so dass jedes seiner Kunstwerke ausgeleuchtet ist. Mein Blick fällt auf eine Art bronzenen Ritterhelm, den er zusammen mit einem Freund selbst gegossen hat. Und auf eine Hunde-Figur (spanisch „Perro“) aus der aztekischen Kultur.
Doch Herr Hemmerich will mir noch etwas Spezielles zeigen: Er dunkelt den Raum ab, steckt einen Stecker in eine Leiste und – plötzlich ist der Raum ganz in Schwarz-Licht getaucht. Aber in Kniehöhe funkeln tausende Farbpunkte auf, gruppiert auf einem x-förmigen Holzgebilde und umrahmt von einem leuchtenden Uhr-Kreis am Boden. Eine kurze, beeindruckte Stille in der farbigen Dunkelheit. Dann seine Erklärung: „Der Urknall!!“
„Da steckt ganz viel Leidenschaft drin. Wenn ich in diesem künstlerischen Schaffensprozess bin, dann vergesse ich Zeit und Raum. Und ich kann mich dem so lange hergeben, wie meine Schaffenskraft an einem Tag reicht. Da freut man sich auch jahrelang über die Produkte, die bedeuten einem was.“

Wieder oben am Tageslicht erläutert mir Herr Hemmerich, warum ihn Inka-Figuren, bronzene Ritterhelme oder der Urknall im Schwarz-Licht interessieren:

Helm-Maske, Esche, 45cm, Rolf Hemmerich

Helm-Maske, Esche, 45cm, Rolf Hemmerich, Foto: Rolf Hemmerich

„Mich interessiert das, was sich im Laufe der Menschheitsgeschichte an Symboliken entwickelt hat, mit denen wir heute noch genauso leben, ohne dass sie uns so bewusst sind, und wir stattdessen so tun, als ob das Alltägliche für uns das allein Ausschlag Gebende wäre. „Archetypen“  – der Begriff stammt von C.G. Jung – ist beispielsweise ein Begriff, der mir sehr viel sagt. Er bezeichnet Strukturen, die sich im Laufe der Entwicklung von Welt und Menschheit immer wieder in anderen Konstellationen verdeutlicht haben. In uns stecken bestimmt auch bildliche Archetypen, woher soll sonst dieses Gefühl von Ästhetik herkommen, wenn viele Leute bestimmte Dinge, Naturerscheinungen etwa, als schön bezeichnen?“

Rolf Hemmerich legt allerdings Wert darauf, seinen Besuchern keine Interpretation oder Sichtweise nahezulegen oder gar vorzuschreiben, im Gegenteil, „ich bin wahnsinnig neugierig darauf, wie die Leute reagieren. Die Rezeption eröffnet ganze Horizonte, an die man vorher gar nicht gedacht hat. Dann gefallen manche Dinge, von denen ich mir das gar nicht hätte vorstellen können.“
„Soll ich ein Beispiel erzählen?“, fragt mich Herr Hemmerich. Aber gerne! „Vor zwei Jahren wurde dieses Gebäude da draußen gebaut und dann lag da auf der Baustelle so ein alter Zinkeimer rum, bisschen verbeult, so einen, wie man ihn vor Jahren benutzt hat. Und mir kam die Idee, den müsste man jetzt irgendwie platt machen. Ja, dann habe ich den Zinkeimer zwischen zwei Holzbretter gelegt und hab` den Baggerfahrer gebeten, da mal drüber zu fahren. Das hat er auch gemacht! Und dann sah das gleich ganz anders aus, nämlich richtig platt, ausgewalzt. Diesen plattgewalzten Eimer habe ich durch die Schlosserei nebenan links und rechts so knicken lassen, dass er genau in eine ehemalige Weinkiste hineinpasst. Den Kasten habe ich schwarz eingefärbt und dann blinkte natürlich dieser Eimer, den habe ich dann poliert, und das sah ganz nett aus. Dieses Objekt lag da anderthalb Jahre und jetzt, auf der letzten Ausstellung, da ging ein Besucher genau darauf zu und sagte: ‚Ach, das ist ja toll, das erinnert mich an so viele Sachen aus meiner Vergangenheit, das muss ich unbedingt haben!‘
Das bestätigt einen immer wieder: Da hast du eine Sache gesehen, die Wirkung auf jemanden hat. Von solchen Dingen bin ich fasziniert!“

„Ja, ich fühle mich hier ausgesprochen wohl.“ Im Frühjahr könne er draußen im Freien arbeiten und komme dabei mit Passanten ins Gespräch. Wie er denn an dieses Atelier in der Pohlstraße 11 gekommen ist? „Ich wohne seit 30, 35 Jahren in dieser Gegend. Durch meine Tätigkeit im Quartiersrat und im Quartier habe ich einige Projekte mit durchgeführt und dabei einen guten Einblick  bekommen, nicht nur in das soziale und ökonomische Geschehen, sondern auch in die Gebäude, die es hier gibt, und was mit diesen Gebäuden geschieht.“

Und zum Schluss erzählt mir Herr Hemmerich noch verschmitzt, wofür so ein Atelier in einem U-Bahnbogen noch so alles gut sei: Für eine Geburtstagsfeier zum Beispiel! In jenem Keller mit dem Schwarz-Licht rückten dann nämlich die Kunstwerke an den Rand des Raumes, Bierbänke würden hineingestellt, der Raum werde geschmückt – und in der Ecke, in der der „Urknall“ zu sehen war, da spiele dann eine Band, mit sattem Klang und ordentlicher Laustärke!

 

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Skulpturen schaffen, um Raum zu gewinnen – Bettina Lüdicke erzählt in ihrem Atelier in der Pohlstraße 11 von ihrer künstlerischen Arbeit

Von ‚Nieeje‘ und der großen Liebe – Galerien-Besucher. Eine Momentaufnahme

„Es geht darum, den Künstler in seiner ganzen Persönlichkeit zu verstehen“ – ein Gespräch mit Selina Lai, Managerin der Krome Gallery (Potsdamer Straße 98), über die Tätigkeit einer Galerie

Über das Verkaufen von Genuss – eine Begegnung mit Alfons Klosterfelde, Galerist der Helga Maria Klosterfelde Galerie (Potsdamer Straße 97)

Skulpturen schaffen, um Raum zu gewinnen – Bettina Lüdicke erzählt in ihrem Atelier in der Pohlstraße 11 von ihrer künstlerischen Arbeit

Dieser Beitrag ist Teil des Artikels: Kunst an der Potsdamer Straße. Begegnungen mit Künstlern, Galeristen und Besuchern.

von Christian Kaiser

Als ich zum ersten Mal an den U-Bahnbögen der hofartigen Grünanlage in der Pohlstraße 11 entlang ging, um zu sehen, welche Künstler hier tätig sind, spielten drei Kinder vor dem Jugendtreff gleich neben dem Torbogen, die mich, kaum dass sie mich sahen, ansprachen und neugierig wissen wollten, was ich denn hier suche. Ich fragte sie, ob es denn hier in der Pohlstraße 11 Ateliers gäbe. „Aber klar“, antworteten sie, „kommen Sie mal mit!“ Und schon liefen sie voran, ich hinterher, bis wir vor den Fenstern einiger Werkstätten stehenblieben. Es war allerdings kein Künstler da, die Werkstätten waren geschlossen. „Was wollten Sie denn von denen?“, fragten mich die Kinder. „Ein Gespräch mit ihnen führen, über ihre Kunst sprechen.“ „Wollen Sie da nicht lieber mit uns sprechen? Wir malen nämlich auch! Wollen Sie mal sehen?“ Und zurück liefen sie in ihren Jugendtreffpunkt, kamen wieder heraus und zeigten mir stolz drei große selbstgemalte Osterbilder mit Eiern, Schleifen und Gräsern. „10 Euro!“, riefen sie. Doch da kam die Leiterin des Jugendtreffs herbei, verwickelte mich in ein Gespräch und die verkaufsbegeisterten jungen Künstler zogen ab.

Atelier Bettina LüdickeAn einem kühlen Montag Mittag im März bin ich dann mit der Bildhauerin Bettina Lüdicke verabredet, die sich vor acht Jahren ihr Atelier in einem dieser sonnenbelichteten Gewölbe unter der U-Bahnlinie 1 in der Pohlstraße 11 eingerichtet hat. Lächelnd empfängt sie mich an der Tür ihres Ateliers und bittet mich herein. Wir setzen uns an einen kleinen weißen Tisch und ich sehe mich erst mal um.

Die rechte Seite des Raumes ist wohl ihr Arbeitsbereich, hier steht jedenfalls ihr Zeichentisch, hier lagern ihre Materialien, während den größeren Teil des Raumes linkerhand fertige oder zumindest fast fertige Skulpturen einnehmen, die auf weißen Podesten stehend den Blick des Betrachters einfangen.

Bettina Lüdicke, Schattenrot

Bettina Lüdicke, Schattenrot, 2012, 42x42x30cm,
Foto: Bettina Lüdicke

„Meine Arbeiten kann man als Zeichnungen im Raum sehen“, erläutert mir Bettina Lüdicke. „Diese metallischen Linien, die ich verwende, umschreiben einen Raum, bilden aber auch gleichzeitig einen Körper. Es geht mir darum, die Welt nicht immer weiter mit Masse zu füllen, sondern Skulpturen zu schaffen, um Raum zu gewinnen.
Damit das Offene sichtbar wird, muss ich andere Teile verdichten und schließen. Diese verdichteten Partien bringen auch eine Dynamik hinein, je nachdem, in welche Richtung diese Linien gespannt sind oder ob sie kreisförmig oder spiralförmig verlaufen.
Die Arbeit besteht aus Linien und Punkten und aus einem ständigen Kreisen, von dem kleinsten Punkt bis zur größten Form, so dass letztlich offene Räume entstehen, die durchlässig und transparent sind, in die man von allen Seiten schauen kann.“

„Im Studium machte jeder Student eine Abformung vom eigenen Oberkörper. Als ich die Abformung dann in der Hand hatte, ist mir aufgefallen, dass der Blick hinein viel interessanter war als der Blick von außen! Mein eigener Oberkörper war mir von der anderen Seite her gesehen unbekannt, das führte zu einer ganz anderen Welt.“

Bettina Lüdicke, Besucher 4

Bettina Lüdicke, Besucher 4, 2011, 70x40x38cm,
Foto: Bettina Lüdicke

„Meine Arbeit braucht einen Betrachter, der um das Werk herumgeht und wirklich hineinguckt und sich fragt: Was sehe ich denn da?
In einer Skulptur gibt es immer Achsen, verschiedene Richtungen: Ein bestimmter Punkt, die Spitze einer Form deutet ja auf eine Vertiefung einer anderen Form. Die eine Form antwortet auf die andere, es ist ein Dialog zwischen verschiedenen Teilen.
Eine für mich spannende Frage ist es, wie ein an sich fremdes Teil, ein Fundstück oder ein farbiges Segment, eine Verbindung mit einem Raum eingehen kann. Was passiert dann zwischen beiden Formen? Da gibt es dann auch einen Raum dazwischen, wo sie sich noch nicht berühren, aber doch gegenüberstehen. Ab wann fängt dann die Spannung an?“

„Nach dem Studium habe ich erst mal gedacht, weg von diesen ganzen feinen Sachen, jetzt mal was ganz Schweres, also das genaue Gegenteil.“ Sie zeigt mir ihre ersten Arbeiten, verborgen in einer Nische hinter einer Pappwand: schwere Steine, Marmorblöcke usw.

Studiert hat Bettina Lüdicke zunächst Design und Textildesign, bevor sie einen künstlerischen Studiengang zur Textilgestaltung an der Hochschule der Künste in Berlin besuchte. „Ich konnte mich dort frei entfalten, weg von der Anwendung hin zur Kunst. Das Wissen um Textiles habe ich natürlich im Gepäck gehabt. Die älteste Form des Verbindens ist ja das Wickeln, dass man zwei Teile zusammenlegt, überkreuzt und darum etwas wickelt. Auf diese Weise werden ja auch immer noch die Gerüste in Asien gebaut, mit Bambusstäben. So bin ich auf diese Methode gekommen, mit der ich eine Form von innen heraus entwickeln und auch sehen kann. Anfangs waren die Arbeiten zwar noch viel statischer, aber bei diesem Material (Kupferlegierung) bin ich geblieben.“

Neben ihrer eigentlichen künstlerischen Arbeit kümmert sich Bettina Lüdicke auch um die Präsenz ihrer Kunstwerke in Ausstellungen. Über ihre beiden, übrigens nicht in Berlin ansässigen Galerien, die sie vertreten, verkauft sie ihre Kunstwerke, vor allem, so ihr Eindruck, an Menschen, die sich schon lange mit Kunst beschäftigt hätten. Mitunter hat sie die Gelegenheit, sich ihre eigenen Kunstwerke im Hause eines Käufers anzuschauen: „Ich habe mich manchmal schon sehr gefreut, wenn eine Arbeit einen richtig guten Platz in einem Haus gefunden hat. Wenn man denkt, genau da passt diese Arbeit toll hin, und wenn ich dann auch von den Leuten höre, dass sie damit glücklich sind und gerne damit leben, ist das schön! Das freut mich natürlich.“

Von einem aktuellen Kunst-Boom spürt Bettina Lüdicke allerdings wenig. „Es gibt vielleicht ein paar wenige, die davon profitieren. Es wird eher ein Rahmen geboten für Leute, sich unterhalten zu lassen. Aber wer kauft denn dann wirklich die Kunst? Ich sehe da viel Show und Entertainment.“

Auf das Verhältnis zwischen Vermarktung und künstlerischem Schaffen angesprochen, hat sie eine klare Meinung: „Ich wüsste schon, was man tun müsste, um am Markt anzukommen! Aber das kann ich selber doch nicht machen! Da würde ich mich doch selbst belügen.“
Denn, so betont sie zum Ende unseres Gespräches, es ist doch „die Freiheit, schöpferisch zu arbeiten und weitgehend unabhängig zu sein“, auf die es ihr ankommt.

 

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Von ‚Nieeje‘ und der großen Liebe – Galerien-Besucher. Eine Momentaufnahme

„Es geht darum, den Künstler in seiner ganzen Persönlichkeit zu verstehen“ – ein Gespräch mit Selina Lai, Managerin der Krome Gallery (Potsdamer Straße 98), über die Tätigkeit einer Galerie

Über das Verkaufen von Genuss – eine Begegnung mit Alfons Klosterfelde, Galerist der Helga Maria Klosterfelde Galerie (Potsdamer Straße 97)

Urknall im Keller – eine Begegnung mit dem Künstler Rolf Hemmerich in seinem Atelier in der Pohlstaße 11