Im Dezember 2009 stand für Kinder und Jugendliche in Tiergarten-Süd viel auf dem Spiel. Ihre Freizeiteinrichtung in der Pohlstraße 11 sollte geschlossen werden. Geldmangel – nicht Bedarfsmangel – hieß die plötzliche Begründung auf Bezirksebene.
Die Kinder- und Jugendlichen nutzten die in einer Demokratie gewöhnlichen Protestformen: Sie sammelten Unterschriften und gingen auf die Straße. Und hatten Erfolg. Der Beschluss wurde rückgängig gemacht.
Nun bekommen die Kinder und Jugendlichen hier im Gebiet ein weiteres Instrument der Demokratie zur Verfügung gestellt: den Kinder und Jugendrat in Tiergarten-Süd – kurz KiJuRa genannt.
„Kinder und Jugendliche sollen mitbestimmen können, wie das Gebiet sich verändert,“ sagt Projektleiterin Christa Schäfer. „Kinder und Jugendliche sollen Gehör finden. Sie sollen sehen, dass sie etwas bewirken können.“
Zur Zeit ist die Pädagogin und Mediatorin unterwegs und wirbt für den KiJuRa. Dieses Projekt ist ein weiterer Schritt in ihrem Engagement für den Kiez, in dem sie lebt und arbeitet. Erfahrung mit hier lebenden Kindern und Jugendlichen hat sie aus mehreren Projekten, darunter Boxen mit dem Cop – Boxen mit Köpfchen und Kiezbuddys.
Den Quartiersrat Magdeburger Platz hat sie bereits überzeugt. Die Mitglieder wollen ihre jugendlichen Kollegen beraten und haben ihnen ein Finanzbudget zugesagt.
Konkrete Unterstützung bei den Sitzungen und Aktionen bekommt Christa Schäfer von zwei Teamern, das sind eine weibliche und ein männlicher Jugendlicher aus dem Gebiet. Die beiden sind um die 20 Jahre, wollen sich für den Kiez einsetzen und ihr Engagement auch Jüngeren vermitteln. „Sie können aufgrund ihres Alters ganz anders mit den Kindern und Jugendlichen sprechen,“ erklärt Christa Schäfer. „In dem Alter lernt man viel leichter von Gleichaltrigen.“
In drei Wochen werden die drei zum ersten Mal ganz öffentlich werden:
Informationsveranstaltung
29. März – 17 Uhr – KiJuRa
MediationsZentrum Berlin e.V.
Dennewitzstraße 34 – im Glasdreieck
In gewissem Sinne knüpft der KiJuRa an ganz alte Gemeinschaftsmuster an. „Früher gab es in jeder Dorfgemeinschaft Jugendliche, die besprochen haben, was sie brauchen und dann dafür gesorgt haben, dass sie zum Beispiel ihr Fußballtor bekommen,“ sagt Christa Schäfer. „Heute leben die Jugendlichen sehr viel zerstreuter.“
Für Tiergarten-Süd trifft das in besonderem Maße zu. Im Gebiet des Quartiersmanagement zwischen Kurfürstenstraße/Landwehrkanal und Gleisdreieck/Lützowplatz sind circa 5 % der 8.503 AnwohnerInnen zwischen 10 und 16 Jahre alt. Die Hälfte von ihnen hat einen Migrationshintergrund, sprich sie selbst oder ihre Eltern kommen aus einem anderen Land als Deutschland.
Im Gebiet gibt es zwei Grundschulen, – Grips und Fritzlar-Homberg Schule – die im Sommer 2010 fusionieren werden. Die einzige weiterführende Oberschulen, das Französische Gymnasium, rekrutiert seine Schülerschaft berlinweit, ist also keine Kiezschule.
Das bedeutet, dass die Mehrzahl der Jugendlichen den Lebensmittelpunkt Schule außerhalb ihres Wohnumfeldes hat. Deshalb wird ein Hauptschwerpunkt des KiJuRa sein, die Identifikation der Kinder und Jugendlichen mit ihrem Wohnumfeld zu stärken. Denn durch ihre Mitarbeit können sie erfahren, dass Engagement Auswirkungen hat und sich lohnt.
Christa Schäfer ist überzeugt, dass Bedürfnisse und Interesse eine Triebfeder für Engagement sind.„Kinder wollen von klein auf etwas bewirken,“ ist Christa Schäfer überzeugt, „schon wenn sie mit Bauklötzen bauen, wollen sie etwas schaffen.“
Welche Bausteine beim KiJuRa zusammengesetzt werden, wird in den Händen und der Entscheidungsfreiheit der Mitglieder liegen. Alle Einzelheiten, so zum Beispiel die Anzahl der Projekte, die Höhe der finanziellen Zuwendungen, die Art der Abstimmung, die Aktionen, werden sie selbst entscheiden.
„Sie müssen selbst ihre Erfahrungen machen, das ist Teil des Prozesses,“ ist Christa Schäfer überzeugt und freut sich darauf, ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.