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American Church – vom preußischen Hurra-Patriotismus zur Multikulti-Kirchengemeinde

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Etwas groß geraten: Das Bülow-Denkmal in Dennewitz

Von HU-Gastbloggerin Nina

Klick. Momentaufnahme. Dennewitz, 1813. Vor 200 Jahren irgendwo in der brandenburgischen Sandwüste. Preußen und Franzosen liefern sich eine erbitterte Schlacht. Als der Pulverdampf sich lichtet, bleiben 30.000 Tote auf dem Schlachtfeld liegen…

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Diesen Anblick kennen jetzt auch die Tatort-Fans: Die American Church in Schöneberg

Klick. Momentaufnahme. Berlin, 2015. Die U-Bahn ächzt bedrohlich in der sogenannten ‚Pastorenkurve‘ und erreicht dann den U-Bahnhof Bülowstraße. Dabei stößt sie fast gegen eine ziegelrote Backsteinkirche. Aus dem Fenster der U-Bahn kann ich das Transparent lesen, das an der Kirche angebracht ist: ‚Sunday worship in English at 11am‘. Hm? Weiterlesen

Über Pfosten und den Radweg Bülowstraße

„Das Alte abgelegt, das Neue angefangen. Wer am Ende Vergangenes versteht, kann Neues erst empfangen.“ Dieser Gedanke, gepostet heute zum Neuen Jahr von der Agentur A-Vitamin aus der Körnerstraße, lenkte meine Gedanken direkt zum Radweg Bülowstraße.

Dies war verständlicherweise keine logische Verknüpfung, eher eine assoziative, weil dieser Radweg sich so lange bewegte zwischen alt/neu, und begonnen/

Radweg Buelow klein 29

Auch schloss sich kein Versuch des Verstehens an, eher ein kurzes Rekapitulieren nach dem Motto: Was als Letztes geschah Weiterlesen

109 Jahre U-Bahnhof Bülowstraße

Heute vor 99 Jahren [109 Jahren Äham, Hüstel – das ist natürlich schon 109 Jahre, wie Axel vom Berliner U-Bahn-Archiv vollkommen richtig im Kommentar bemerkt – bzw heute schon 109 und 4 Tage] kam ein neues Geräusch an die Bülowstraße. Rattern, Brems- und Türgeräusche, Ansagen, Schaffnerpfiffe. Am 11. März 1902 wurde der U-Bahnhof Bülowstraße eröffnet.

Na endlich, mögen die AnwohnerInnen gesagt haben. Denn nicht nur der Bau, allein die Planungen hatten 16 Jahre gedauert. Die Berliner Stadtväter waren stur und ließen den Unternehmer Werner Siemens immer wieder antreten, bis er ihnen genügend Argumente geliefert hatte, dass dass eine Hoch- und Untergrundbahn die zunehmenden Verkehrsprobleme der Millionenstadt beheben konnte. Dabei nannte er prominente Vorbilder wie die Hochbahn in New York.

Der Berliner hat im allgemeinen wenig Witterung für bahnbrechende neue Gedanken,“ hatte bereits 1901 Hans Schliepmann in dem Artikel „Die Berliner Hochbahn als Kunstwerk“ der Berliner Architekturwelt von 1901 geschrieben.

Damit traf die Publikation den Nagel in zweierlei Hinsicht auf den Kopf. Zum einen war die Hochbahn, die den Osten und Westen verbinden sollte, deshalb abgelehnt worden, weil die Stadtväter sie also zu unästhetisch für die noble Friedrichstraße oder Unter den Linden erachteten.

So wurde sie halt durch die Arbeiterviertel Kreuzberg und Schöneberg geführt. Hier warf man dann einen architektonischen Köder aus. Die Bahnhöfe sollten von namhaften Architekten gestaltet werden. So wurde die „Hochbahn zum Kunstwerk“.

Für den U-Bahnhof Bülowstraße erhielt Bruno Möhring, der Stararchitekt des deutschen Jugendstils, den Auftrag. Später war er an Wohnprojekten in Wedding, Weißensee und Neukölln beteiligt und bekannt für seine Entwürfe der Blockrandbebauung mit begrünten Innenflächen.

Quelle: Berliner U-Bahn-Archiv

Prompt erklärte Hans Schliepmann, die Bülowstraße sei aufgrund von Möhrings Jugendstilarchitektur „nicht nur nicht „verschandelt“, sondern zur originellsten, interessantesten Straße Berlins geworden.“

Als zunächst erschreckend wurde auch der Hausdurchbruch am Dennewitzplatz erachtet. Doch letztendlich ließ er nicht die Mieter fliehen, sondern brachte Touristenschwärme, die die technische Meisterleistung in den unter der Durchfahrt lokalisierten „Akademischen Bierhallen“ diskutierten. Die Berliner Schnauze erfand den Begriff „Pastorenkurve“ für den Teil der Strecke, die sich in sanfter Beugung um die damalige Lutherkirche (heute American Church) schmiegte.

Die Nörgler verstummten und fanden sogar Gefallen am Flanieren auf dem schattigen und regenfreien Weg unter dem Viadukt. Doch bahnten sich hier auch bald anderer Geschäfte an. So schrieb Paul Zech 1924 folgendes Gedicht vom Bülowbogen:

Maxe mit der Brühwurst ist schon aufgezogen,
und im milden Licht der Bogenlampen
manchmal kommt auch eine von den Schlampen
wie ein großer Weidenschwärmer angeflogen.

Und es spricht der Schupo zu der Alabaster-
weißen Dame mancherlei vom Wetter und dass morgen
dienstfrei wäre und man auch so seine Sorgen
mit der Liebe hätte bei dem knappen Zaster.

Mittlerweile hat die Hochbahn aufgehört zu kreischen,
und die Luft in den Cafés ist dick zum Schneiden.
Nur die Männer können sich noch immer nicht entscheiden
für die Nachtgemahlin unter den massiven Fleischen.

Und sie suchen auch noch draußen in dem Haufen
aller Laster sich herumzudrücken vor dem letzten
Glockenzeichen, bis sich zu herabgesetzten
Handelspreisen auch die Minderjährigen verkaufen.

Die jüngere Geschichte mag vielen BerlinerInnen noch geläufig sein. Die schweren Kriegsschäden wurden renoviert, doch dann reduzierte der Berliner Mauerbau die Fahrgastzahlen auf dieser Strecke so sehr, dass sie 1972 geschlossen wurde. Statt dessen wurden U-Bahn Wagons stationiert und die Station zunächst als Berliner Trödelmarkt und später als Türkischer Basar genutzt. Seit 1993 rumpeln und quietschen die Züge der U2 wieder von Ost nach West.

Und Schliepmann behielt Recht. „Es wird die Zeit kommen, wo er (der Berliner) auch auf seine Hochbahn, trotz mancher Fehler derselben, sehr stolz sein wird,“ hatte er prophezeit.

So finden sich zum Beispiel auf der Plattform Flickr unter dem Stichwort Bülowstraße viele Bilder des Bahnhofs.

Und auch im Film „Unknown“, der im März 2010 in die Kinos kam, ist der U-Bahnhof eine Kulisse.

Durch den Regen

Von Gastblogger Frank Haberland

Ich muss mich beeilen.

Mit der U-Bahn gibt es Probleme. Die BVG baut. Also steige ich schon Yorckstraße aus.

Nieselregen hängt wie feiner kalter Dunst in der Luft. Durchnässt mich so vollständig wie ein Bad im Landwehrkanal.

Ich folge der Kulmer Straße, bis sie in die Bülow übergeht. Auf dem Dennewitzplatz freut sich ein Hund. Er darf einem Stock hinterherjagen, den sein Frauchen gerade weggeworfen hat. Das Tier bringt ihn sogar zurück. Hoffentlich macht er das nicht auch mit dem Hausmüll. Oder Schienbeinen.

Vorsorglich wechsle ich die Straßenseite. Gehe an der Commerzbank vorbei. Ich mochte das alte Logo lieber. Aber ich verstehe den Wechsel. Irgendwie muss man den Mitarbeitern der Dresdner Bank zeigen, dass sie ein willkommener Teil des Konzerns sind – und nicht nur zusätzliche Kapitalmasse.

Die Potsdamer Straße schneidet meinen Weg. Ein Strom aus Geschäften und Wohnhäusern und Autos und Menschen, der sich durch die halbe Innenstadt ergießt.

Es nieselt nicht mehr. Jetzt regnet es. Der Beton ist nass. In Pfützen spiegelt sich die Werbung eines Telekommunikationsgeschäfts. Die Luft ist durchwebt von Abgasen und Feuchtigkeit. Aber ich sehe nur wenige Regenschirme. Vielleicht fehlt die Zeit, sie aufzuspannen?

Der Wind treibt die Gerüche eines Asiaimbisses heran, vermengt mit den Stimmfetzen eines Obsthändlers. Orangen sind im Angebot. Vielleicht später, jetzt drängt die Zeit.

Ich sehe viele Gesichter, ich vergesse viele Gesichter. In der Großstadt bist du nie allein, aber schnell einsam.

Was geht vor in diesen Menschen? Welche Gedanken hängen hinter der nassen Stirn? Jeder hat seine Ziele und Wünsche. Jeder eilt durch die Welt, den Kragen hochgeschlagen, die Kapuze ins Gesicht gezogen.

Die Menschen gehen ihrem Tagwerk nicht nach – sie hetzen.

Ich passe mich dem Tempo an. Das Herz der Stadt diktiert unhörbar seinen Takt in die Seelen der Menschen. Es ist schwer sich dem Rhythmus zu entziehen. Aber den Versuch ist es wert.

Nicht gegen den Strom schwimmen – aber langsamer schwimmen. Auch das ein Kuriosum. In Berlin beeilt sich der Mensch. Immer hat man das Gefühl, gerade zu spät zu kommen, zu spät zu sein. Ob du zur S-Bahn oder Bushaltestelle läufst, es treibt dich; etwas treibt dich an. Beweg dich schneller, flüstert es. Sonst verpasst du den Zug. Sonst verpasst du die Vorlesung. Sonst verpasst du den Frisörbesuch. Irgendetwas verpasst du immer.

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Und so eile ich Straße entlang. Weil das Leben nicht wartet. Und Berlin schon gar nicht. Da muss sich auch die Zukunft ranhalten, damit sie nicht überholt wird.

Ich versenke die Hände in den Tiefen meiner Taschen. Natürlich zu Fäusten geballt. Zwischen einem Geschäft, das Kleidung für Bauchtänzer verkauft und Wintergarten-Plakaten, liegt mein Ziel. Ich bin viel zu früh am Freien Museum.

Eine halbe Stunde. Eine Ewigkeit.

Also noch eine Runde. Ich wandere weiter.

Der Potsdamer Platz erhebt sich gegen den grauen Himmel. Riecht nach Tourismus und Geld. Aber am Anfang der Potsdamer Straße mischt sich ein modriger Hauch hinzu.

Viele Gebäude stehen leer. Die Fenster sind blind. Die Türen verschlossen, in den Schaufenstern liegen nur vertrocknete Insektenpanzer und Staub. Die Investoren warten ab. Hast schadet den Geschäften. Ich blicke auf die Uhr – nur noch vier Minuten. Schnell zurück!

Ich muss mich beeilen.