Schlagwort-Archiv: Frauen

Auf der Bühne

Interview mit Ilona Maennchen, von freiberuflichen zur sozialen Perspektiven.

Von HU-Gastbloggerin Elsa

Als vielfältige Künstlerin in ihrem Beruf verkörpert Ilona Maennchen heutzutage ein ausgezeichnetes Beispiel von einer kreativen Berufstätigen in Berlin: freiberuflich, anpassungsfähig, teamfähig, von lokalen Berliner Projekten zu internationalen Bühnenmalereiprojekten, von Kunstwerken zu sozialen Medien. Sie definiert ihren Beruf unter Freelance Kommunikation Designerin. Ihr Unternehmen nennt Sie Art&Scenography-Designund beschreibt ihre Beschäftigung als „unique creator Design“.

Neulich hat Ilona Maennchen an der Aktion „mein Kiez“ der KinderKUNSTmagistrale teilgenommen, die von Gabriele Hulitschke konzipiert und geleitet wurde. Mit der Klasse S6 der Allegro Grundschulein der Lützowstraße gestaltete sie einen Workshop zum Thema: Variete Wintergarten gestaltet. Sie strebt an, in ihrem Berufsfeld eine Transparenz zu finden, zwischen Kunst und wirtschaftlichem Austausch. Dementsprechend interessiert sie sich auch für Crowdfunding, wo sie auch bestens vernetzt ist:

I am working in the field between culture and art´s. Cooperation between art and economic aim. If we can try to change something than we have to be open to each other.” Weiterlesen

Kai Pünjer – Frischer Wind im Kiez

Geschrieben von HU-Gastbloggerin Paula.

image222 Jahre jung / politisch-engagierter Wahlberliner / 2011 aus Hamburg hergezogen / wohnt in der Nähe vom Nollendorfplatz /
im 3. Lehrjahr / Ausbildung bei Walter Services zum Kaufmann für Dialog-Marketing / möchte nach der Ausbildung studieren und sich selbstständig machen / trägt gern ausgefallene Kleidung / Silberschmuck und Accessoires / mag Kunst und klassische Musik / aber auch Charts / wie Lady Gaga, Rihanna, Miley Cyrus / liebt es die unterschiedlichsten Menschen kennen zu lernen / schlendert gern durch die Kaiser-Wilhelm-Passage / genießt das Kiez-Leben / ist bei der CDU / arbeitet lokal-politisch lieber für keine Partei / z.B im Quartiersrat Schöneberg und in der IG Potsdamer Straße / „Ich möchte, dass sich etwas ändert, wo ich dahinter stehen kann.”
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Barbara Krauß: Engagement für den Kiez

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Weltreise auf der Potsdamer Straße

Von HU-Gastbloggerin Janna

Zehn Jahre ist es her, dass Barbara Krauß zum ersten Mal mit dem Fahrrad durch die Potsdamer Straße fuhr und ihr Herz für diesen „lauten und dreckigen“ Fleck Erde entdeckte: Den Rewe-Markt, der ein Huhn aus Brandenburg zum wohl besten Preis-Leistungs-Verhältnis anbietet, das Restaurant Ebe Ano, wo man laut Krauß authentisches nigerianisches Essen bekommt, das Orienthaus, wo man außergewöhnliche Brautmode kaufen kann und so weiter – „Auf der Potsdamer Straße kann man eine Weltreise machen“, sagt Krauß, die heute gemeinsam mit ihrem Mann im Schöneberger Kiez lebt und arbeitet. „Und die Potsdamer Straße ist das Herz Schönebergs: Ein Herz, das unter leichten Rhythmusstörungen leidet“. Weiterlesen

Portrait Janna

Das Portrait ist entstanden im Rahmen des Winterkurses “Online Journalismus – Recherchieren und Bloggen” des Career Center der Humboldt Universität“

Portraitiert von Hannes.

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Janna wird 30, war ganz viel im Ausland und hat einen Sohn. Der wird vier. Freie Journalistin ist sie auch noch und ja, sie kriegt das alles unter einen Hut. Alles geplant? „Ja!“, sagt sie und lacht. „Ich habe auch noch einen Partner dazu“, aber der schreibt gerade seine Diplomarbeit, arbeitet quasi Vollzeit, bringt aber kein Geld nach Hause. Das ist also vorerst ihre Aufgabe.

Geschrieben hat sie immer schon gern, und als sie nach dem Abschluss mit ihrem Freund erst nach Tansania gegangen ist (und seitdem weiß, dass „keepi-lefti“ auf Kisuaheli „Kreisverkehr“ heißt) und dann mit ihm nach Köln zog, hat sie sich eben selbstständig gemacht. „Ich weiß nicht, ob ich naiv war, aber ich habe mir dabei nicht so viel gedacht. Wir hatten eine kleine Wohnung und es kamen viele Aufträge. Dadurch, dass es dann immer aufwärts ging, habe ich mir da keine Sorgen gemacht.“ So macht man das also. Seitdem schreibt sie für Unicum, den DAAD und das Goethe-Institut. Visionen braucht sie dafür nicht. „Ich mache halt das, was mir wichtig ist.“ Das sind vor allem Sprachen und Interkulturalität. Und wissenschaftliche Themen so aufzuarbeiten, dass jeder sie versteht.

Klare Ansagen sind ihr wichtig. „Was ich wirklich nicht mag, ist, wenn man irgendwas ansagt und es dann immer wieder zurückzieht.“ Sie ist eben eine, die was tut. Deshalb spricht sie nicht nur Englisch, Französisch und Spanisch, sondern auch ein bisschen Arabisch. Und hat schon in Syrien Deutsch unterrichtet, wo es ihr von allen Auslandsaufenthalten am besten gefallen hat. „Obwohl die arabisch-islamische Kultur ja ein sehr zwiespältiges Image hat, hat es mich am meisten angesprochen, weil ich die Menschen als sehr respektvoll und angenehm erlebt habe.“ Und weil sie eine Macherin ist, schreibt sie jetzt auch noch an einem Buch über Mehrsprachigkeit. Es gibt eben noch viel zu tun. Man könnte es ihr vielleicht übel nehmen, dass bei ihr alles so gut klappt. Wenn sie nur nicht so verdammt sympathisch wäre.

BEGiNE – Treffpunkt und Kultur für Frauen e.V.

Geschrieben von HU-Gastblogger Florian

Seit 1986 sorgt die BEGiNE in ihren Räumlichkeiten für ein dichtes Veranstaltungsprogramm für Frauen. Ob Zerstreuung, Workshop oder Diskussion. Der Verein ist aus Berlins Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken und für viele Frauen unverzichtbar.

Fassade-BEGiNEGeschichte des Hauses
Es begann im Berlin der 80er Jahre, als die Stadt noch eine kapitalistische Enklave war, von der Welt vergessen und noch nicht so wirklich sexy. Zu viel Platz, aber zu wenig Lebensraum und Freiheit. Vor allem für Frauen. 1981, in einer Zeit von Hausbesetzungswellen, besetzten feministische Aktivistinnen einen entmieteten und maroden Altbau in der Potsdamer Straße 139. Sie hatten Glück und konnten sich mit dem Senat schnell auf Verträge einigen und initiierten autonome Wohnprojekte, ein Frauenkulturzentrum, Schutzräume für Frauen und das deutschlandweit erste Hilfsprojekt für Prostituierte, „Hydra“. In der feministischen Szene waren sie Heldinnen, in der Hausbesetzerszene wurden sie wegen ihres Arrangements mit dem Senat als Verräterinnen diffamiert. Heute beherbergt der U-förmige Altbau ein  Wohnprojekt jeweils für Mädchen und Frauen, ein Frauen-Reisebüro und die BEGiNE, bestehend aus Frauen-Kulturzentrum und Frauenkneipe. Alles in allem ist die 139 das Epizentrum der Frauenbewegung im Kiez. Die heldenhaften Verräterinnen von früher sind heute nicht mehr da. Sie zerstreuten sich peu a peu in alle Winde. Doch ihre Ambitionen haben hier Wurzeln geschlagen.

Autonomie und ein bisschen Eierkuchen
Barbara und Kathi empfangen mich in der rustikal eingerichteten Frauenkneipe. Gemütlich, mit Eckkneipen-Charme plus kleiner Bühne. Barbara arbeitet seit 22 Jahren in der Begine, Kathi seit 8 Jahren. Sie wirken wie ein eingespieltes Team. Natürlich gibt es zwischen ihnen und zwischen allen Frauen, die sich in der BEGiNE engagieren, gewisse unterschiedliche theoretische Verortungen. Doch zu Grabenkämpfen kommt es deshalb nicht. „In der gemeinsamen Betätigung werden die unterschiedlichen Verständnisse der Frauen überwunden“, erzählt Barbara. Das miteinander wird demokratisch und antiautoritär gestaltet. Sowohl gemeinsame Entscheidungen als auch Eigenverantwortlichkeit bei Projekten . „Hierarchien sind zwar immer da, aber sie werden verringert. Es ist nicht alles Friede-Freude-Eierkuchen. Aber es ist anders!“

Kleine Revolutionen für Jederfrau
Kabarett, Lesungen, Diskussionsveranstaltungen, etliche Stammtische, Rechtsberatungen, Künstlerinnenberatungen, Tauschbörsen, Kartenspiele, handwerkliche Kurse, kreative Workshops und Strickkurse. An der großen feministischen Revolution wird hier nicht gehäkelt, doch für viele Frauen einen persönlichen Umsturz. Negative Alltagserfahrungen, Unsicherheiten und Leid können hier abgestreift werden. .„ Die Frauen haben hier ganz neue Möglichkeiten sich auszuprobieren und zu entfalten.“ Barbara hat schon viele Frauen in der geselligen Atmosphäre aufblühen sehen. Ob als Künstlerin, Projekteplanerin oder Konsumentin der Angebote.
Offen für absolut Jederfrau. Das klappt recht gut. In der BEGiNE wird fleißig über Klassengrenzen gehüpft. Die Harzt IV-Empfängerinnen spielen Skat mit den Wohlsituierten. Das hat etwas. Bei den Altersgrenzen wird nicht so viel herumgesprungen. „Junge Frauen sehen die Begine nicht als IHREN Ort. Andere Generationen haben oft andere Bedürfnisse.“, erzählen die Beiden. Der Feminismus entwickelt sich sehr schnell und differenziert sich stark aus.

BEGiNE


Frauen und Bewusstseinsschränkchen

Die Begine hat sich mittlerweile etabliert und ist eine Marke. Auch international. „In der Begine als Künstlerin aufgetreten zu sein ist nicht nichts.“ Anfragen aus England, Neuseeland oder Australien sind keine Seltenheit. Die Begine ist nicht nur ein Rückzugsort sondern Fabrik von Kreativität. Geschlechterrollen sind immer noch wirkmächtig und es macht einen Unterschied ob frau sich ausschließlich unter Frauen bewegt oder nicht. „Das fällt dann erst auf wenn man dabei ist. Da ist diese Energie.“ Barbara rudert dabei begeistert mit den Armen in der Luft, als ob sie in der Energie schwämme.“ „Da macht sich dann für alle Beteiligten ein Bewusstseinsschränkchen auf!“ Die Begine ist einer der wenigen Orte in Berlin, der ausschließlich für Frauen ist. Hartnäckige Nicht-Frauen, namentlich Männer, versuchen dennoch hin und wieder ihr Glück. Es kommt zu Diskussionen, auch das Wort „Diskriminierung“ fällt. Kathi hält das für Schwachsinn: „Die Begine ist keine Kneipe gegen Männer, sondern eine Kneipe für Frauen konzipiert. Frauen haben im Allgemeinen nicht die gleichen Möglichkeiten sich im öffentlichen Räumen zu repräsentieren.“. Bei Workshops die nicht in der Kneipe stattfinden sind auch Männer gern gesehen. Transsexuelle sind auch jederzeit willkommen. Für meine Wenigkeit war es auch kein Problem. Pissoirs gibt es trotzdem nicht. Und braucht es auch keine.

Zukunft der BEGiNE
Die engagierten Begine-Frauen haben durch ihre Arbeit viel erreicht und sind eine wichtige Institution im Kiez geworden. Bei der Verabschiedung deutet Barbara Hoyer aber noch einmal Befürchtungen an. Ein ungutes Bauchgefühl, ein halbleeres Glas, ein „man-weiß-ja-nie“ das im Kopf herum spukt.  Die finanzielle Unterstützung durch den Senat steht immer wieder auf wackligen Beinen. „In der Öffentlichkeit werden feministische Anliegen oft als überholt angesehen. Viele Leute glauben, dass die Forderungen nach Gleichstellung bereits erfüllt seien.“ Die BEGiNE muss auch in Zukunft in der Öffentlichkeit um ihre Existenzberechtigung kämpfen.

 

 

Die Musikerin und der Hausbesetzer – Gehweggedenken und Stolpersteine im Süden der Potsdamer Straße

Artikel von Gastblogger Bernhard, geschrieben im Rahmen des Sommerkurses 2012 “Online-Journalismus – Recherchieren und Bloggen” am Career Center der Humboldt Universität.

Der Gehweg erzählt Geschichten. In der Gegend um den Südteil der Potsdamer Straße die von Maria Leo und Klaus Jürgen Rattay.
Sie war eine Musikerin aus Leidenschaft, er ein Berliner Hausbesetzer. Es trennt beide ein halbes Jahrhundert, doch verbindet sie ein Idealismus, der sie dazu brachte, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – und der Ort ihres Gedenkens.

Seit Juni 2006 erinnert ein von der Leo Kestenberg Musikschule in Auftrag gegebener Stolperstein in der Pallasstraße 12 an Maria Leo. Hier hatte sie gelebt und gearbeitet.
Bereits in seinem Todesjahr wird ein an Klaus Jürgen Rattay erinnernder Gedenkstein von Unbekannten angebracht, und unerwartet von offizieller Seite nicht wieder entfernt.

Manchmal bleibt jemand stehen um die Namen zu lesen, meist jedoch nicht. Das bedeutet aber nicht, dass Gedenksteine sinnlos wären.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ lautet das Motto des Stolpersteinprojekts. Die Hauptauseinandersetzung mit der Geschichte und den Menschen, denen gedacht werden muss, findet nicht durch zufällig vorbeilaufende Menschen statt, sondern in der Vorbereitung und dem Akt des Verlegens an sich. Die Gedenksteine stehen symbolisch für die Erkenntnis, dass Erinnerung und Gedenken nichts ist, was von oben verschrieben werden kann, sondern etwas ist, das in persönlicher Auseinandersetzung und Engagement erarbeitet werden muss.

Maria Leo – Ein Stolperstein für eine Musikpädagogin

Frage ich Menschen, die an den Gedenktafeln vorbeigehen, ob sie diese bemerkt hätten oder sogar etwas über die Personen, denen gedacht wird, wüssten, so lautet die Antwort meist nein. Viele bemerken sie nicht einmal, wenn sie darüber stolpern.
Das ist schade, denn hinter jedem Stein steht eine eigene Geschichte.

Die 1873 geborene Maria Leo war in ihrem Leben vieles. Studentin, Frauenrechtlerin, Seminarleiterin und Lehrerin.Vor allem aber war sie Pianistin und Musikpädagogin.Stolperstein Pallasstr 12 (Schön) Maria Leo
Als Leiterin eines Musikseminars sorgte sie dafür, dass auch Frauen Zugang zu qualifizierter Ausbildung erhielten, die ihnen das Institut für Kirchenmusik in Berlin versagte.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verlor sie durch antisemitische Gesetzgebungen alle Anstellungen und Ämter, am Ende sogar ihren Pass, was ihr eine Ausreise unmöglich machte.
Um einer Deportation nach Theresienstadt zu entgehen setzte sie 1942 ihrem Leben ein Ende.

Stolpersteine wie der, der an Maria Leo erinnert wurden ursprünglich vom Begründer des Konzeptes, Gunter Demnig, auf eigene Faust verlegt. Heute ist das Gedenkkonzept offiziell anerkannt und hat Ausmaße angenommen, die eine einzelne Person längst nicht mehr bewältigen kann.
Deshalb unterstützt uns hier in Tempelhof-Schöneberg seit zwei Jahren das Oberstufenzentrum Bautechnik aus Spandau mit seinen Schülern und projektbegleitenden Lehrern bei der Verlegung der Steine “ erklärt Hannelore Emmerich von der AG Stolpersteine des Schöneberger Kulturarbeitskreis e.V.
Stolpersteine sind nicht nur eine Inschrift, sondern auch Symbol: Da sie aus Messing gemacht sind laufen sie mit der Zeit an. Sie müssen regelmäßig wieder aufgearbeitet werden und stehen sinnbildlich für eine Vergangenheit, die nicht vergessen werden darf sondern immer wieder aktiv erinnert werden muss.
Trotz parteipolitischer und rechtlicher Anerkennung des Projekts werden Entscheidungen, für wen und wo Stolpersteine verlegt werden nicht von oben getroffen. Es sind im Gegenteil Einzelpersonen, Hausgemeinschaften, Vereine, Schulklassen und in Schöneberg zu 40 Prozent Angehörige, die einen Stolperstein beantragen.
Hinter einem Stolperstein steht also das Interesse und vor allem das persönliche Engagement von Menschen, die sich intensiv mit der Vergangenheit auseinandersetzen wollen. Denn zum Beantragen eines Stolpersteins reicht es nicht aus, diesen lediglich zu bezahlen. Es ist eine intensive Recherche zu den Personen notwendig, denen gedacht werden soll.

Klaus Jürgen Rattay – Erinnerung an einen Hausbesetzer

Klaus Jürgen Rattay starb am 22. September 1981 mit gerade mal 18 Jahren.
Begeistert von der Energie, Solidarität und gemeinsamen Arbeit, die einer als ungerecht und nicht sozial empfundenen Wohnungsmarktpolitik entgegengesetzt wurde schloss er sich der Berliner Hausbesetzer_innenbewegung an. Bei einer Demonstration gegen Räumungen und den damaligen Innensenator Lummer werden die Protestierenden von der Polizei auf die nicht gesperrten Potsdamer Straße gedrängt.
An der Kreuzung Potsdamer Straße/Bülowstraße wird Klaus Jürgen Rattay von einem Bus frontal angefahren und stirbt.
Ermittlungen finden nicht wirklich statt und bis heute wurde niemand für den Tod zur Verantwortung gezogen.
Gedenktafel Potsdamer Str 127 (Schön) Klaus Jürgen RattayDer Gedenkstein für Klaus Jürgen Rattay wurde spontan als direkte Reaktion auf den Tod des Hausbesetzers verlegt und ist gleichzeitig politischer Protest. Auch wenn nicht genau klar ist, wer den Stein angebracht hat, lassen sich ein paar allgemeine Aussagen darüber treffen.
Im Gegensatz zu Stolpersteinen, denen eine intensive Recherche und Auseinandersetzung mit der Vergangenheit vorausgeht entsprang Rattays Gedenkstein einer gelebten Gegenwart.
Dies ist auch in der Form des Steines sicht- und spürbar. In Form eines Kreuzes wurden Steine aus dem Gehweg entfernt. Das Loch wurde mit Zement aufgegossen, in den dann eilig Name und Todesdatum geschrieben wurden.

Gehweg und Gedenken

Gedenksteine bringen vielleicht nicht jeden dazu, zu stolpern und stehenzubleiben.  Aber sie sind lebendiges Mahnmal dafür, dass sich Menschen mit der Vergangenheit und Gegenwart kritisch auseinandersetzen. Sie zeigen uns, dass es immer noch nötig ist, sich zu erinnern und dass es immer noch Menschen gibt, die bereit sind, das auch zu tun.

Eine tolle Zeit am Falk Realgymnasium

Von HU Gastblogger Ines Sieland

„Kein Kind darf allein gelassen werden“, sagt  Jutta Schauer-Oldenburg.
Wir sitzen bei einer Tasse Tee in ihrer gemütlichen Wohnung in Berlin-Moabit. Die 72 Jahre merkt man ihr wirklich nicht an. Sie ist eine lebensfrohe Frau mit einem sehr guten Gedächtnis und nimmt mich mit auf eine Reise zurück in ihre Schulzeit.

Das Falk Realgymnasium war eine Mischung aus Realschule und Gymnasium, geteilt in einen technischen und wissenschaftlichen Zweig. Jutta Schauer Oldenburg besuchte von 1950 bis 1954 (7. bis 10. Klasse) den technischen Zweig und erwarb den Realschulabschluss.

In dem damaligen Gebäude ist heute die Grundschule Tiergarten-Süd untergebracht, welche 2010 aus der Fusion der Fritzlar-Homburg Schule mit der Grips-Grundschule entstanden ist.

Heutige Grundschule Tiergarten-Süd

Es war eine sehr bewegte Schulzeit: der Zweite Weltkrieg war vorbei, Nachkriegsjahre, Berlin war besetzt und geteilt. „Die Besetzungszeit haben wir durch den 17. Juni 1953 erlebt und die Nachkriegszeit an der Schulspeisung gemerkt“, erinnert sie sich. Sie strahlt, wenn sie an ihre Schulzeit zurückdenkt, denn es war eine „schöne Zeit“.

Die Schule hatte einen musischen und sportlichen Schwerpunkt. Es gab einen Schulchor, die Schüler konnten bei Theateraufführungen oder Sportwettkämpfen ihr Können unter Beweis stellen. Es wurde auch viel gefordert. Den Anspruch könnte man mit dem des heutigen Gymnasiums vergleichen, meint Jutta Schauer-Oldenburg.

Neben ihrem Vater hat sie auch ihr damaliger Schuldirektor Dr. Franke geprägt. „Er war sehr dafür, dass die jungen Menschen, die in seiner Obhut waren, auch etwas lernten. Aber er hat auch sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir soziale Kompetenzen, wie Zivilcourage und Demokratieverständnis erlernten.“

Jutta Schauer-Oldenburg war 45 Jahre Krankenschwester mit ganzem Herzen und zeigt heute immer noch Zivilcourage. Sie engagiert sich als Quartiersrätin für ihren Kiez Moabit und ist als Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte tätig.

„Der Klassenverbund war spitze!“ sagt sie freudig über ihre Schulzeit. Noch heute haben die ehemaligen Schülerinnen und Schüler guten Kontakt und veranstalten regelmäßig Klassentreffen.

Verglichen mit der heutigen Zeit stellt sie fest, dass die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede nicht so groß waren. Es gab nicht so viel; man war auf dem gleichen Level. Die Schere zwischen arm und reich, Chancengleichheit und -ungleichheit ist heute viel größer.

Für Jutta Schauer-Oldenburg war die Schule sehr wichtig, denn sie war nicht nur Lernanstalt sondern gab auch Rüstzeug für das Leben mit. „Lernen ist der Faktor, um später Chancengleichheit zu haben und eine gesellschaftliche Teilhabe zu erleben. Die Kinder heute sind nicht schlechter oder besser als wir früher waren, doch sie scheinen irgendwie vergessen.“

Sie wünscht den Kindern eine solche Persönlichkeit, wie ihren Direktor
Dr. Franke, der ihnen etwas mit auf den Weg gibt. Die Schule muss stabilisieren. Es sind vielleicht kleine Einsteins, nur es merkt keiner.“, sagt sie. „Kein Kind darf allein gelassen werden.“

„Ich habe Zuhause ein lieber Mann“

Von HU-Gastbloggerin Irina Tkachenko

„Wer mich besonders beeinflusst hat? Viele Menschen würden an dieser Stelle berühmte Namen nennen“, – sagt Gülsen Aktas, Leiterin des Nachbarschaftstreffpunkts HUZUR. „Aber mich haben meine beiden Großväter geprägt. Ich habe sie sehr dafür geliebt, wie sie mich, uns, geliebt haben, es war so innig. Diese Liebe in einer elternlosen Zeit, in einer Zeit der Armut, das hat mich am Leben erhalten“.

Wir treffen uns zwei Stunden vor der Öffnungszeit in den Räumen des Vereins in der Bülowstraße. Als ich ankomme, sitzt Gülsen Aktas schon an ihrem Schreibtisch. Ich sehe eine lebhafte Frau mit einem wunderbar grün leuchtenden Schal. Sie lehnt sich an die Wand und erzählt, dass HUZUR schon vor sechs Jahren mit Hilfe von Lotteriemitteln und in Kooperation zwischen Esperanto – Aufsuchende Hilfen e.V. und dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg entstand. Da waren sie noch in der Katzlerstraße.

„Bis vor einem Jahr hatten wir noch sehr kleine Räumlichkeiten, da waren wir wirklich sehr unter uns, es war wie das verlängerte Wohnzimmer für die älteren Frauen“.

Ärzte, Krankenhäuser, Kliniken schickten die Leute zu HUZUR damit sie nicht alleine sind. Auch Nachbarn aus der näheren Umgebung kamen, um dort Zeit zu verbringen. Nach dem Umzug in die größeren Räume wurde das Angebot entsprechend erweitert und – darauf ist Gülsen Aktas ganz besonders stolz – HUZUR ist jetzt echt multikulturell. Es gibt Spanisch- und Türkischkurse, Flamenco-Abende…

Die Tage verlaufen im HUZUR strukturiert, um 9 Uhr morgens kommen die ersten Mitarbeiter. Es kommen einige Nachbarn, es wird Kaffee gekocht und geredet. Allerdings muss man diese Gespräche auch ein bisschen kanalisieren, damit es sich nicht in eine politisch gefährliche Richtung entwickelt.

„Da sind zwei ältere türkische Herren, sie erinnern mich ein bisschen an Ernie und Bert. Sie müssen jeden Tag ihre politischen Debatten führen, schimpfen immer über die Frauen mit Kopftuch“ – Gülsen Aktas schmunzelt – „das sind Kemalisten“.

Die SeniorInnen machen viele Ausflüge. Da waren, zum Beispiel, die Exkursion nach  Sachsenhausen, bei der die Frauen in Tränen ausgebrochen sind oder auch das Staunen im Jüdischen Museum, als es um die Parallelen oder gar Ähnlichkeiten zu der jüdischen Religion ging.

Es gab auch einen Ausflug zum Liebermann-Museum, begleitet von einem Filmteam. Als einer der Filmleute eine der Teilnehmerinnen fragte, ob sie den wisse, wer Liebermann sei, antwortete sie  prompt:  „Ja, ich habe Zuhause ein lieber Mann“.

Den Kampf gegen die Einsamkeit bezeichnet Gülsen Aktas als die größte Herausforderung vor der HUZUR steht. „Man muss Angebote bringen, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Aber wir leben hier und wir erleben, wie sie einsam sind und alleine sterben. Und erst nach ihrem Tod sehen wir dann auf einmal Verwandte“.

Nach Misserfolgen gefragt, sagt Gülsen Aktas, dass es in Berlin einfach zu wenige Projekte gibt, die sich für ältere Menschen einsetzen, ob nun mit Migrationshintergrund oder ohne. Sie bekommen einfach keine Regelfinanzierung.

„Die alten Menschen werden von der Gesellschaft einfach als Restposten behandelt, abgeschoben. Natürlich lesen wir immer wieder in Zeitungen oder wir sehen es im Fernsehen, dass jemand Tage-, Monatelang tot in seiner Wohnung lag und nicht gefunden wurde, aber wenn es uns hier passiert, dann ist es natürlich hart“.

Gertrude Sandmann – eine Entdeckung

Was für eine Ausstellung!

Der Besuch im Haus am Kleistpark fand statt, um für eine Recherche dieses Haus zu sehen. Es ist von Schließung bedroht. Und dann die lichtdurchfluteten Räume im dritten Stock. Blick auf Zeichnungen von klarer Schönheit, kraftvolle Pinselstriche, wundervolle Frauenporträts.

Gedanken an andere, wichtige Ausstellungen, die das Haus am Kleistpark kuratiert hat. Im August 2009 gelang es ihnen mit der Ausstellung „Maikäfer flieg“ die Anwohner/innen für die Geschichte des Hochbunkers in der Pallasstraße zu begeistern. Sie zeichnen verantwortlich für die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“, die jetzt zur Dauerausstellung geworden ist. Und das will der Bezirk Tempelhof-Schöneberg durch Schließung aufs Spiel setzen? Doch das ist eine andere Geschichte.

Gertrude Sandmann war Künstlerin und kämpfte Zeit ihres Lebens um die Emanzipation der Frauen. Ihre Zeichnungen sprechen für sich. Und dankenswerter Weise sind in der Ausstellung derer viele zu sehen.

In Vitrinen sind unter anderem Tagebücher der Künstlerin ausgestellt. Ebenso ein Katalog von einer Ausstellung der Künstlerin aus dem Jahr 1968. Gemeinsam mit der Bildhauerin Annemarie Haage waren ihre Werke schon einmal im Haus am Kleistpark zu sehen. Zu einer Zeit also, als Gertrude Sandmann nicht mainstream war, wurde sie hier der Öffentlichkeit präsentiert.

Gertrude Sandmanns außergewöhnliche Biographie vereint gleich mehrere Geschichten. Man kann sie als Beispiel für die Geschichte der künstlerischen Emanzipation der Frau, als ein Beispiel für die Geschichte der Emanzipation der Frau im Allgemeinen und den Überlebenskampf einer Jüdin während der Schoah lesen. Obwohl die Zeit in vielerei Hinsicht gegen sie war, ist sie sich Zeit ihres Lebens treu geblieben, ist für ihre Überzeugungen eingetreten und hat um ihr Recht auf Selbstbestimmung gekämpft.

Anna Havemenn - Getrude Sandmann

So Anna Havemann in einer Biographie, die im Zusammenhang mit der Ausstellung in der Reihe Jüdische Miniaturen des Hentrich&Hentrich Verlages und Centrum Judaicum erschien.

In der Biographie zeigt sich, dass Gertrude Sandmann vieles mit der Potsdamer Straße verbindet. Geboren 1893 im Prenzlauer Berg geboren, wuchs sie auf Am Karlsbad 11 (Ecke Flottwellstraße). Ihre Eltern hatten eine 20.000 Bände umfassende Bibliothek. Darunter viele Kunstbücher, denn ihr Vater sammelte Kunst.

Als sie studieren wollte, war der Zugang von Frauen zu den Universitäten fast unmöglich. In Berlin,…., setzte sich der konservative akademische Maler Anton von Werner (1843-1915) während seiner Zeit als Akademiedirektor (1874-1915) nachdrücklich gegen die Aufnahme von Studentinnen zur Wehr. (14)

Anton von Werner lebte und arbeitete damals in einer privaten Stichstraße, die von der Potsdamer Straße abging. Das Haus ist heute noch erhalten, Teil des leerstehenden Tagesspiegel-Geländes und unter Denkmalschutz.

Schräg gegenüber, im Hof der heutigen Potsdamer Straße 98, eröffnete der erste Berufsverband für Künstlerinnen in Deutschland eine Schule für Malerinnen. Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz studierten dort. Letztere unterrichtete von 1898 bis 1903 an der Schule, lernte Gertrud Sandmann kennen und schätzen.

Käthe Kollwitz über Gertrude Sandmann

Trotz der beruflichen Schwierigkeiten nahmen Ausstellungen von Frauen zu. Im Umkreis der Potsdamer Straße waren diese in der Sturm-Galerie von Herwarth Walden, dem Kunstsalon Gurlitt und der Galerie Paul Cassirer zu sehen. Die Ausstellungsbeteiligung von Frauen stieg im Druchschnitt seit dem Ende des Ersten Weltkrieges von 10 auf 27 Prozent am Ende der 20er Jahre. (20). Es ist anzunehmen, dass Gertrude Sandmann dabei war, denn sie beendete ihr Studium 1923 und lebte gemeinsam mit ihrer Mutter Am Karlsbad 11, in dem sie eine eigene Wohnung hatte.

Bereits in den 20er Jahren bekannte sich Gertrude Sandmann zu ihrer Homosexualität und war auch damit in Schöneberg gut aufgehoben, denn in der Bülowstraße, der Zieten- und Schwerinstraße gab es unzählige lesbische Clubs und Vereine. Die ablehnende Haltung der Jüdischen Gemeinde gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen war mit ein Grund dafür, dass Gertrude Sandmann 1926 aus der Jüdischen Gemeinde austrat. (24)

Durch ihre politische Aktivierung sah sie das nationalsozialistische Unheil früh und klar:

Nazi! – Kulturfeindlich! Antiliberal! Anti-Geist! Rückschritt!
Sie schaffen Gegensätze zwischen den Menschen statt Menschheit, Grenzen zwischen den Ländern, statt Erdgemeinschaft.
Gegen die Frauen! Muskel statt Kopf! Faust statt Geist! Gegen die Juden!
Ich war, leider, ich schäme mich, nie judenfreundlich, (Abwehr!) […] will nicht so sein, das Ähnliche ist am verhasstesten. Aber jetzt, es wäre feige, sich jetzt nicht als Jude zu bekennen! Die Juden müssen jetzt betont Juden sein […]. Tagebucheintragung, Mai 1932 (6)


1934 wurde sie aus dem Reichsverband bildender Künstler ausgeschlossen. 1935 bekam sie Berufsverbot.

Die emanzipatorischen Bestrebungen der homosexuellen Bewegung wurden von den Nationalsozialisten unterbunden. Lesbische Frauen wurden jedoch nicht explizit verfolgt, da die Nationalsozialisten diesen Lebensentwurf schlichtweg nicht ernst nahmen. Wenn sie inhaftiert wurden, dann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft oder kommunistischen Partei.

Gertrude Sandmann war als Jüdin, als Frau und als Vertreterin der modernen Kunst Repressalien ausgesetzt. In ihrem Tagebuch schildert sie die Situation und Demütigungen genau. Sie ging 1942 in den Untergrund, täuschte einen Selbstmord vor und konnte so überleben. Die Kapitulation Nazideutschlands erlebte sie im Versteck in der Eisenacher Straße 103.

Sie bekam eine Wohnung in der Eisenacher Straße 89 zugewiesen und stellte einen Antrag auf Entschädigung im Falle von „Schaden im beruflichen Fortkommen“. Der Stadtbezirk Schöneberg stellte ihre Werke mehrmals aus.

1974 schrieb Eva Kollwitz, die Tochter von Käthe Kollwitz in einem Katalog über sie: Sie tritt nicht nach außen: wörtlich, wie sinngemäß, aber in ihrer Zurückgezogenheit ist sie von heiterer Ruhe und dem Menschen zugewandt. Sie schafft ihre eigenen Paradiese, […] Es gibt Arbeiten der reinen Freude neben dem Schweren […]. Eine Eierschale schimmert wie Mondlicht, eine Frucht vermittelt das sinnliche Erlebnis des Schmeckens. […] Es gibt kein Frühwerk und kein Spätwerk der Sandmann: ein Akt der Zwanzigjährigen ist genauso ein zeichnerischer Wurf, wie er der Achtzigjährigen eigen ist. (78/79)

Gertrude Sandmann starb 1981.

Die Ausstellung ist bis 3. April 2011 geöffnet
Öffnungszeiten: Di – So von 10 bis 19 Uhr
Eintritt frei.
HAUS am KLEISTPARK,
Kunstamt Tempelhof-Schöneberg
Grunewaldstraße 6 – 7
10823 Berlin
Tel.: 90 277-6964

MikroINPUT / MakroOUTPUT

Von HU-Gastbloggern Tobias Drobisch und Michael Bosson

In Deutschland gründen Frauen deutlich seltener als Männer. Das ist eine Tatsache, ob das gerechtfertigt ist oder nicht, ist aber unklar. In Umfragen unter anderem von Cooper & Artz 1995 gibt es Hinweise darauf, dass Frauen zufriedener sind selbstständig zu sein als Männer. Also, warum gründen weniger Frauen eigene Firmen? Zum Beispiel waren im Jahr 2000 nur 27,5% aller Gründer in Deutschland Frauen.

Doch nicht alle Länder sind gleich. Laut einem Bericht der GEM von 2006 ist der Unterschied zwischen Mann und Frau in den westlichen Ländern sehr deutlich, während in den Entwicklungsländern kaum ein Unterschied zu sehen ist. In manchen dieser Länder gründen sogar mehr Frauen als Männer. Einer der wichtigsten Gründe dafür ist, dass deren Bevölkerungen schon beinahe gezwungen sind selbstständig zu sein, da es keine andere Möglichkeit gibt zu arbeiten, was als „necessity entrepreneurship“ bezeichnet wird.

Allerdings ist in reichen Ländern nicht klar, weshalb Männer häufiger gründen als Frauen. Doch gibt es gewisse Thesen, welche versuchen die Ursachen zu beschreiben.

Eine ist zum Beispiel die Risikoaversion der Frauen. Das bedeutet, dass Frauen nicht gerne Risiken eingehen. Die Angst vorm Versagen (fear of failure) ist bei Frauen wesentlich höher gewichtet als bei Männern. Diese beiden Punkte bedeuten, dass Frauen, obwohl sie eine Idee haben, größere Schwierigkeiten sehen als Männer, diese Idee umzusetzen. Ein weiterer Nachteil ist die Anzahl der Kontakte und Beziehungen, über die Frauen verfügen. Frauen haben weniger nützliche Netzwerke für Existenzgründung, da es weniger Gründerinnen gibt. Zusätzlich ist der Anteil an Frauen in den oberen Führungspositionen extrem gering.

Frauen haben bei der Existenzgründung also gewisse Barrieren. Dadurch werden oft sehr gute Gründungsideen nicht genutzt, was schade ist, da Deutschland jede Art von Innovation gebrauchen kann. Die Vorstellungen der Frauen und Männer sind oft sehr unterschiedlich. Frauen haben Ideen in Bereichen, auf die Männer nie gekommen wären, obwohl ein großes Potential existiert. Unserer Meinung nach sollten Frauen deshalb besser unterstützt werden.

In Berlin versucht „Goldrausch e.V.“ dieses Problem zu beheben. Der Verein wurde 1982 von engagierten Frauen gegründet und unterstützt Existenzgründerinnen und Unternehmerinnen mit zinslosen Mikrokrediten von 1000 bis 3000 Euro um ihr unausgeschöpftes Potenzial zu fördern. Banken verweigern ihnen manchmal Kredite, da die UnternehmerInnen oft nicht über die geforderten Sicherheiten verfügen.

Andrea Paeschke, Gründerin vom digitalen Anwaltssekretariat di.AS, hat für ihre Idee einen dieser Mikrokredite bekommen und kann die Nützlichkeit von Mikrokrediten bestätigen.

Es gibt viele Existenzgründerinnen die noch ein paar Euro brauchen. Banken geben meistens nichts. Es ist manchmal dieser Tropfen auf den heißen Stein, der gerade noch fehlt, und dafür sind Mikrokredite natürlich ideal. Meistens wollen Banken große Kredite geben. Der Aufwand ist zu groß. Die geben meistens keine kleinen Kredite. Oft ist es wirklich so, dass Leute einen kleinen Mikrokredit brauchen.“

Goldrausch e.V. finanziert sich über Spenden, Vereinsbeiträge und seit Anfang 2010 wird er durch die Berliner Senatsverwaltung Wirtschaft, Technologie und Frauen im Rahmen des Programms „Fraueninfrastruktur“ finanziell unterstützt. Insgesamt hat er bereits450 Frauenunternehmen und -projekte gefördert.

Goldrausch e.V. vergibt nicht nur Mikrokredite, sondern hat auch das Projekt Goldrausch Kontour ins Leben gerufen. Es ermöglicht Existenzgründerinnen die Nutzung eines riesigen Netzwerkes. Damit kann man zum Beispiel Beratung in Projektentwicklung und Konzeption bekommen. Außerdem ermöglicht es neue Kontakte zu knüpfen was Frau Paeschke als großen Vorteil sieht.

Es ist wichtig, ein funktionierendes Netzwerk zu haben … Es gibt ja eine Menge erfolgreicher Frauen, und wenn diese mit Rat und Tat und ihren Erfahrungsberichten anderen beistehen können, dann ist das eine super Sache.“

Wir bedauern die Benachteiligung von Existenzgründerinnen. Freuen uns aber, dass Vereine wie Goldrausch e.V. existieren, denn sie machen sich dafür stark, dieses Ungleichgewicht zu beheben. Mikrokredite können trotz ihrer Geringfügigkeit große Wirkung zeigen.

Links zum Thema:

Bundesweiten Gründerinnenagentur

Berlin.de

Bundesverband der Frau in Business und Management e.V.

Frauenbetriebe e.V.

Microlending News – Wie Microlending nach Deutschland kam: Eine Chronologie von 1995 bis 2000

Berichte:

GEM (Global Entrepreneurship Monitor) special topic reports: Women in Entrepreneurship

OECD

– LEED

– 2nd OECD Conference on Women Entrepreneurs in SMEs