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Kai Pünjer – Frischer Wind im Kiez

Geschrieben von HU-Gastbloggerin Paula.

image222 Jahre jung / politisch-engagierter Wahlberliner / 2011 aus Hamburg hergezogen / wohnt in der Nähe vom Nollendorfplatz /
im 3. Lehrjahr / Ausbildung bei Walter Services zum Kaufmann für Dialog-Marketing / möchte nach der Ausbildung studieren und sich selbstständig machen / trägt gern ausgefallene Kleidung / Silberschmuck und Accessoires / mag Kunst und klassische Musik / aber auch Charts / wie Lady Gaga, Rihanna, Miley Cyrus / liebt es die unterschiedlichsten Menschen kennen zu lernen / schlendert gern durch die Kaiser-Wilhelm-Passage / genießt das Kiez-Leben / ist bei der CDU / arbeitet lokal-politisch lieber für keine Partei / z.B im Quartiersrat Schöneberg und in der IG Potsdamer Straße / „Ich möchte, dass sich etwas ändert, wo ich dahinter stehen kann.”
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Luise

So gut kannte ich Luise nicht. Hatte nur sporadisch mit ihr zu tun.

Luise

Dennoch war sie für mich ein ganz warmer, ruhender Pol im Frauentreff Olga in der Kurfürstenstraße. Nachdem wir uns kennen lernten, blieben wir lange beim „Frau Frank“ und „Frau Wosnitza“. Ich duze Menschen schnell. Doch hier wurde mir ein langsames Annähern angeboten, das dennoch viel Offenheit ausstrahlte.

Im Frauentreff erinnere ich Luise, wie sie neben oder hinter dem Tresen stand. Sie war immer ansprechbar, gab Antworten, Hilfe, Essen, Kondome – je nachdem, was gerade gebraucht wurde. Mit ruhiger, zugewandter Stimme. Dennoch klar und bestimmt, in dem was sie ausdrücken wollte. Oder eben fragend, wenn sie selbst noch nicht ganz klar über etwas war.

Luise - Zeichnung von Anita Staud

Candy - Zeichnung von Anita Staud

Immer mit dabei: Candy. Ihre strubbelige, vierbeinige Begleiterin. Hier und auf der Straße. Zum Beispiel beim Straßenfest, beim internationalen Hurentag. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen war Luise daran gelegen, präsent zu sein und auch mit den AnwohnerInnen über die Situation auf dem Straßenstrich ins Gespräch zu kommen.

Kreative Hilfe gab Luise meines Wissens in zweierlei Hinsicht. Zum einen arbeitete sie mit der Künstlerin Anita Staud am Projekt Dreamvision. Aus den ersten Anfängen, in denen Anita Staud die Frauen in einem Skizzenbuch portraitierte, hat sich inzwischen ein Kunstprojekt entwickelt, das an anderer Stelle vorzustellen ist. Doch Luise ermunterte die Frauen schon früh auch in der Öffentlichkeit zu malen. Sie ging mit zum Kiezmosaik und schuf selbst Kleinode.

Luises Zeichnung am Kiezmosaik

Luises Zeichnung am Kiezmosaik

Luises Zeichnung am Kiezmosaik

Als ich diese sah, bezog ich die Düsterheit auf ihre Arbeit und die Situation der Frauen, die sie betreute. Denn Luise war für mich heiter, gelassen, wie der ruhige Pol in der Brandung, verlässlich und unbedingt vertrauenswürdig.

Aktiv beteiligt war Luise auch, als es im Vorfeld der richterlichen Vor-Ort-Begehung im Sexkaufhaus LSD darum ging, ein Zeichen zu setzen, dass dieses hier nicht erwünscht sei. Sie hatte die Anliegen der Prostituierten im Blick. Diese an dem Tag, wo ein Mediengewitter zu erwarten war, auf die Straße zu schicken, fand sie keine gute Idee. Dann schrieb sie: mir fällt gerade ein, dass wir hier seit Wochen Unterschriften contra Laufhaus von den Frauen gesammelt hatten. Es sind zwar nur 35 Unterschriften – aber immerhin. Könnten diese von Interesse für den 19. Mai sein? Diese Information gaben wir vom Quartiersrat Magdeburger Platz dann an die Richterin und die Presse weiter. Und ja, es war von Interesse.

Unerwartet bescherte ich Luise eine große Freude. Im Rahmen der Charme Offensive Potsdamer Straße wurden für die Broschüre Statements gesucht. Meine Anfrage, ob nicht auch einige Frauen etwas schreiben könnten, nahm sie gerne auf. Und dann kam diese Mail zurück: habe Deine Mail gelesen und bin ganz platt, dass Du Joy Markert kennst?! Das ist ja wohl mein absoluter STAR-HÖRSPIEL-Auto! Für den versuche ich gern „charmante Statements“ zu erhaschen.

Und noch eine weitere Begegnung bleibt mir in lebendiger Erinnerung. Im Quartiersmanagement Schöneberger Norden stellte Luise ein Brettspiel vor, mit dem im Frauentreff Olga die Besucherinnen auf die Gegebenheiten im Kiez aufmerksam gemacht werden sollten. Wo sind die Kindergärten, wo die Kirche, wo die Moschee – bitte nicht direkt davor stellen. Dazu gab es ein Frage und Antwortspiel in mehreren osteuropäischen Sprachen, das die Frauen über ihre rechtlichen und gesundheitlichen Rechte und Pflichte in Deutschland und im Zusammenhang mit ihrer Arbeit aufklärte. Bei der Vorstellung war Luise noch ganz aufgeregt, denn sie hatte das ursprüngliche Brett verloren. Das war ihr ganz arg. Sie hatte ein neues gemacht. Glücklicherweise waren die Spielfiguren nicht verschwunden. Eine Goldschmiedin, Freundin von Luise, hatte Frauen kreiert, circa drei Zentimeter groß. Alle individuell und als Prostituierte zu erkennen.

So wie ich sie kennen lernte, waren es diese kleinen Details, die Luise wichtig waren. Bei der Kreation eines Brettspiels ebenso wie im wirklichen Leben bei der detaillierten Aufmerksamkeit, die sie Menschen entgegen brachte.

Luises GrabVor drei Monaten nahm sich Luise das Leben.

Ihr Grab auf dem Friedhof der Luisenstadt Gemeinde ist mit Torf bedeckt und eingefasst mit weißen Steinen. Eine liebevolle letzte Ruhestätte.

Hinter dem Grab steht ein Baum. Der eine Ast ist knorrig, das Holz mit Borke umfasst. Der andere ragt gerade in den Himmel, das Holz ist kahl und ungeschützt.

Heute ist der 100. Internationale Frauentag. Ich möchte an die wunderbare Luise erinnern.

Wie gesagt, so gut kannte ich Luise nicht. Jetzt bin ich glücklich über jede Begegnung, die ich mit ihr haben durfte.

Friedhof der Luisengemeinde