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Was machen die eigentlich und wieso reißt es kaum jemanden vom Hocker?

Von einer HU-Gastbloggerin

Villa Schöneberg_02Es gibt Themen, die die Massen mehr begeistern. Doch was Sozialarbeit in Berlin leistet ist beeindruckend und spannend. Dazu gehört auch die Villa Schöneberg“ in der Frobenstraße. Weiterlesen

Wenn sie doch wenigstens Matrosenanzüge tragen würden!

Von HU-Gastblogger Florian

„Doch Froben hat den Schimmel kaum bestiegen, So reißt, entsendet aus der Feldredoute, Ihn schon ein Mordblei, Roß und Reuter, nieder. In Staub sinkt er, ein Opfer seiner Treue, Und keinen Laut vernahm man mehr von ihm.“

Mit diesen Worten beschreibt Heinrich von Kleist den Tod von Emanuel Froben in der Schlacht von Fellbelin, in der Preußen das Joch der schwedischen Besatzung abschütteln konnte.

Froben tauschte in dieser Schlacht sein Pferd gegen den auffälligen Schimmel des Kurfürsten, um so den Gegner zu verwirren. Prompt wird der junge Stallmeister dann auch an Stelle des Kurfürsten erschossen, damit dieser unterdessen die Schlacht gewinnen kann. Diese Heldentat für Kaiser, Volk und Vaterland hatte Froben bereits seinen Platz in preußischen Schulbüchern gesichert.  Es sollte aber noch weitere 200 Jahre und einige weitere Kriege dauern, bis ihm die volle Anerkennung für sein Opfertod zu Teil wurde. Denn im Jahre 1871 wurde die neuerbaute Parallelstraße der Potsdamerstraße ihm zu Ehren benannt. Der legendäre Emanuel Froben, Sinnbild preußischer Pflichterfüllung und Tugendhaftigkeit, ist damit also Namensgeber jener Straße,  die heute von Freiern aus ganz Berlin für ihren Transsexuellen-Strich geschätzt wird.

Als die Straße 1871 im Zuge der Stadterweiterung gegründet wurde, war das aber noch anders. Das erste Haus in der Frobenstraße macht dann auch gleich einen sehr gründerzeitlichen Eindruck, zwei schöne Ausfluchten, hohe Decken und alles vor kurzem renoviert. Bei dem angrenzenden Haus sind die französischen Kriegsreparationen auch gut angelegt worden, allerdings ist es heute in einem recht knalligem Rot gestrichen, wie das in einigen Bezirken Berlins gerne mit Gründerzeitbauten gemacht wird. Die Gegend rundherum ist angenehm ruhig – wenig Verkehr, einige Passanten und eine Traube spielender Kinder –was vor allem dem auffällt, der von der Potsdamerstraße kommt.  Von dem Altersheim gegenüber inspizieren ältere Damen die Passanten misstrauisch, bevor sie  sich wieder ihrer Gartenlaube zuwenden. Das Gebäude gegenüber reißt mich dann aber kurzfristig aus meinen Kaiserzeitphantasien heraus: Ein grauer Nachkriegsklotz, der ein Stockwerke mehr als die Gründerzeitbauten hat obwohl er deutlich niedriger ist.

Beim Überqueren der Bülow Straße (die weiter stadtauswärts übrigens zur Kleiststraße wird) darf man sich dann wieder wie 1871 fühlen. Nicht unbedingt wegen der Baustruktur der Straße, sondern wegen ihrer schieren Größe, das passt irgendwie besser zu der Zeit (vor allem als es die U1 noch nicht gab.) Die Straße ist also feierlich zum Sedanstag geschmückt, Soldaten mit Pickelhauben ziehen vorüber, dahinter die Kappelle, die „Heil dir im Siegerkranz“ und die „Wacht am Rhein“ spielt.

Hat man die Bülowstraße aber überquert, ist das Schwelgen im alten Preußen selbst mit der größten Einbildungskraft nicht mehr möglich. Den Anfang macht ein sozialer Wohnungsbau-Komplex, der sich von der Frobenstraße sicher 70m in die Bülowstraße hineinerstreckt. Gegenüber sind zwar Erker angebracht, aber ganz moderne. Unter diesen befindet sich das „Stehcafe Froben“, in dem es wie in den meisten 24h-Imbissen in U-Bahn-Nähe schmeckt, das scheint wohl genormt zu sein. Die einzige Reminszenz an das alte Preußen sind die in Fraktur geschriebenen Straßenschilder, manche von ihnen sogar an Jugendstil-Ständern befestigt. Während ich an auffällig vielen Kleinwägen, Golfs, Corsas, Fiestas vorbeigehe, stechen mir die üppigen Weinblätter am Ende der Frobenstraße ins Auge. Beim Näherkommen wundere ich mich über die quadratische Ausrichtung der Blätter, bis ich endlich begreife, dass sich unter den Weinblättern ein Gebäude, nämlich das Jugenzentrum „Villa Schöneberg“, versteckt. Während ich davor stehe, strömen Kinder aus der KiTa heraus. Wenn sie doch wenigstens Matrosenanzüge tragen würden!

Motivationsgeister für den Aufschwung

Sie sind überall, begrüßen einen über der Tür, vom Baum und haben ihren eigenen Platz im Garten. Die Villa Schöneberg in der Frobenstraße wird nun von Geistern belebt.

Sie kamen nicht ungebeten, sondern wurden in einem Workshop von den Kindern, Jugendlichen, Eltern und BetreuerInnen der Jugendeinrichtung gemeinsam mit Marina Prüfer gerufen. Vierzehn Tage arbeiteten sie in den Sommerferien mit Ton, Ytong und Holz.

Die Geister können eine Schutz- und eine Motivationsfunktion haben,“ sagt Marina Prüfer. „Sie reinigen den äußeren und den inneren Garten.

Für sie ist Kunst ein Barometer, dass in diesen 14 Tage offensichtlich auf Elan und Gestaltungsfreude stand. Ein kleiner Junge kommt, zeigt der Besucherin begeistert, was er gemacht hat. Diesen Geist, dieses Körbchen mit einem roten Herz, noch einen Geist, diese Vase und und und. Das hat sein Freund gemacht, hier etwas von seinem Vater. Zwischendurch sagt er immer wieder „Voll schön“, „Schau, wie schön das ist“, „das Herz hab ich ich am liebsten.“

Zwei Väter kommen vorbei und gehen zu dem Gartenstück, wo die Geister nun auf ihren Plätzen sitzen. Auch sie zeigen sofort „ihre Geister“. So etwas haben sie noch nie zuvor gemacht, sie holen auch die anderen von ihnen geformten Gegenstände hervor und bestaunen sie.  

Es ist ersichtlich, wie notwendig es ist für die Kinder und Jugendlichen, diese Oase der Kreativität auszubauen und die Vielseitigkeit des Projektes im Sinne von Kunst statt Gewalt zu erweitern,“ sagt Marina Prüfer und die kurzen Begegnungen mit den jungen KünstlerInnen bestätigt dies sofort. „Nun, am Ende dieses Projektes habe ich das Gefühl, das die Arbeit eigentlich erst jetzt richtig anfängt. Jugendliche und Kinder fragen, wann machen wir weiter, Marina.“


Bisher kam die Unterstützung vom Bezirksamt Schöneberg, dem Verein LebenSmittel e.V., KünstlerInnen des Netzwerkes der Rote Teppich, die mit ihrer Arbeitzeit, Knowhow und Materialspende, das Projekt ebenso unterstützten, wie die BBBank mit ihrer Gewinnsparmittelspende. Wie, nur das es irgendwie weiter geht, davon ist Marina Prüfer überzeugt. Denn es entstehen immer neue und weitere Skulpturen, eine Bank ist ihnen zugetragen worden, viele Menschen empfinden die Arbeit in der Gemeinschaft inspirierend und motivierend.

Marina Prüfer ist freischaffende Künstlerin und Systemischer Coach (BIF). Zeichnerin, Malerin, Publizistin, Multimediakünstlerin. Ihr Studio hat sie in der Belziger Straße und initiierte den Roten Teppich, der als roter Faden die globale Vision vieler Menschen symbolisieren soll, die davon überzeugt sind, dass Kunst statt Gewalt ein sichtbares Zeichen setzen kann.

1997 gründete sie den Verein LebenSmittel, der zeitgenössische soziokulturelle Aktivitäten in Wort, Bild, Ton und Gestalt fördert, künstlerische und kulturelle Projekte durchführt, die alle ganzheitlich orientiert sind. Thematik: Kunst, Kultur und Kreativität statt Gewalt – Baustelle Mensch mit soziokulturellen und pädagogischen Aspekten, Methoden und Werkzeugen zu bereichern.


Nun in diesem Sommer also in der Villa Schöneberg. „Hierbei ist Kunst, ihre Methoden und Techniken ein wunderbarer Transformator, Motivator und ein notwendiger Teil unserer Gesellschaft,“ sagt sie und zeigt dem kleinen Helfer, der sich hinzugesellt hat, wie die Lasierung auf den Ytong aufzutragen ist, damit die Steine der Witterung standhalten können. „Als Bildende Künstlerin und Systemischer Coach bevorzuge ich immer auch die Ansicht der Sozialen Plastik nach Josef Beuys und bin überzeugt davon, dass es wichtig ist für jeden Menschen, egal aus welcher Himmelsrichtung, dass er die Chance hat seinen Roten Lebensfaden zu entwickeln, ihn zu entknoten, zu entwirren.“


Happy End

Von HU-Gastblogger Frank Haberland

Die junge Frau visiert ihr Ziel an, wartet einen Herzschlag und drückt ab. Dann senkt sie die Spiegelreflexkamera und überprüft das Ergebnis.

Stefanie Klawitter recherchiert für ihren neuen Roman. Sie macht noch ein Foto und blickt die Frobenstraße entlang. Wind streicht ihr durch das schwarze Haar mit den pinken Strähnen. Sie lächelt breit. „Genau so habe ich mir das vorgestellt.“

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Foto: Stefanie Klawitter

Sie ist begeistert von Schöneberg. „Kann doch gar nicht sein, dass es so etwas gibt.“ Sie meint die Gegensätze. Der Kiez der Potsdamer Straße ist gleichzeitig dreckig und schick, traditionell und modern und ständig im Wandel. „Ich war mir sofort sicher: Hier geht’s hin.“ Zwischen Bülowstraße und Nollendorfplatz verortet Stefanie die Schicksalsgeschichte über einen Stricherjungen.

Kei (gesprochen ‚Kii‘) ist 17, als er von zu Hause wegläuft. Seine Familie lehnt seine Homosexualität ab. Er läuft weg. In Schöneberg will er zwischen Regenbogenfahnen und Schwulenklubs ein neues Leben beginnen. Aber auch dort läuft es schlecht für Kei. Er findet sich auf dem Transgender-Strich auf der Frobenstraße wieder. Immer wieder gerät er an brutale Freier und Schläger. Zurück nach Hause kann er nicht. Kei ist am Tiefpunkt seines Lebens. In dieser hoffnungslosen Situation macht ihm ein Freier ein fragwürdiges Angebot. Was hat der Mann mit ihm vor? Ist er Keis Rettung oder sein Verhängnis?

Diese Frage beanwortet Stefanie Klawitter im Sommer 2011, wenn ihr Debütroman in der Edition Doppelpunkt erscheint. Der ungewöhnlich lange Titel steht schon fest: „Im Licht der Straßenlaternen sah ich einen tanzenden Traum“.

Ein Traum wurde auch für Stefanie wahr, als sie ihren Autorenvertrag unterschrieb.

Wie ich mich gefühlt habe? Ganz ehrlich? Ich konnte es nicht glauben. Das kam ganz unerwartet.“ Aber Erich Schanda, Gründer der Edition Doppelpunkt, und sein Lektoratsteam erkannten Stefanies Potenzial. Der Verleger sieht die Hauptaufgabe der Edition darin, Geschichten auszuwählen, die es wert sind, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden. „Wir fördern gezielt junge, noch weniger bekannte Autorinnen und Autoren, weil diese im rein kommerziell ausgerichteten Verlagswesen kaum eine Chance haben.“

Heute sind es meist Kleinverlage, die Nachwuchsförderung betreiben. Und weil Erich Schanda diesen Anspruch ernst nimmt, stellt er Stefanie eine Lektorin und die kompetente Erfahrung des kleinen, aber engagierten Verlagsteams zur Seite.

Natürlich verändert sich dabei auch Stefanies Arbeitsweise. „Mehr Ernst, mehr Recherche“, fasst sie es zusammen. Keis Schicksal ist ihr ambitioniertestes Projekt und „ein riesen Haufen Arbeit.“ Ihre Augen leuchten. „Das ist alles so aufregend!“

Dabei konnte Stefanie schon Erfahrungen mit Veröffentlichungen sammeln. Erst vor wenigen Wochen erschien ihr Text „Aus. Geliefert.“ in einer Kurzgeschichtensammlung der Edition Doppelpunkt. Die Angst!-Anthologie versammelt 24 Geschichten von elf Autoren, aktuell wird die Krimi-Sammlung „Blutlese“ ausgeliefert.

Aber wie bringt die gelernte Mediendesignerin und Studentin der Medientechnik Schreiben, Studium und Privatleben unter einen Hut? „Also einen Zeitplan habe ich noch nicht gemacht. So funktioniert das bei mir auch nicht.“ Sie will das Schreiben nicht erzwingen. Im Augenblick schließt sie die Vorarbeiten zu ihrem Roman ab. Dazu gehört eine gründliche Recherche vorort. Wo übernachtet Kei? Welche Geschäfte besucht er? Wo trinkt er seine Cola und wie viel kostet sie? Jedes Detail ist der Autorin wichtig. Stefanie ist ein neugieriger Mensch. Sie spricht vier Sprachen und war schon mehrmals in Japan. Natürlich beeinflusst das auch ihre Geschichten. Ebenso wie Gespräche mit Polizisten oder die Preisliste der Eckkneipen.

Im Sommer 2011 wird all die Arbeit mit der Veröffentlichung des Romans ihr Happy End finden. Ob es auch eines für Kei gibt, wird sich erst dann zeigen.

Gegen transphobe Gewalt in der Frobenstraße

Am Freitag, den 4. September fand in Berlin-Schöneberg eine Kundgebung statt. Anlass waren mehrere gewalttätige Übergriffe einer lokalen Gang in dem Teil der Frobenstraße, wo transsexuelle Sexarbeiterinnen arbeiten. Die Berliner Vereine GLADT, Hydra, Subway, Treberhilfe und TransInterQueer hatten zu dieser Demonstration gegen Gewalt aufgerufen.

Der folgende Beitrag von Siegessäule TV gibt eine Zusammenfassung der Kundgebung. Ich werde dort zitiert mit den Worten, dass Gewalt gegen Menschen, weil einem/einer die Nase, das Gender oder der Beruf nicht passt, einfach nicht sein darf. Hier möchte ich noch hinzufügen, dass ich natürlich auch Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ablehne.

Der Beitrag macht die zur Zeit noch unversöhnlichen Positionen deutlich, die hier im Kiez existieren. Im Gebiet Bülowstraße, Potsdamer Straße, Kurfürstenstraße hat die Prostitution eine über 100jährige Tradition. Fast ebenso lang ist Schöneberg das Zentrum der Schwulenbewegung in Berlin.

Die immer wieder kehrenden Probleme und die Tatsache, dass in dieser langen Zeit keine für alle Seiten einvernehmliche Lösung gefunden worden ist, darf nicht zu Resignation führen. Die Situation zeigt eher die Komplexität des Themas. Zum Glück arbeiten verschiedene Gruppen, Gremien und Institutionen (z.B. die Mittwochs-Initiative) weiterhin für eine Lösung. Schritt für Schritt, beharrlich.

GLADT e.V., die einzige unabhängige Organisation türkeistämmiger Lesben, Schwuler, Bi- und Transsexueller und Transgender (LSBTT) außerhalb der Türkei, ist hier im Gebiet zu Hause. Koray Yilmaz-Günay von GLADT apellierte in seinem Beitrag am vergangenen Freitag für gegenseitigen Respekt.