Amerikaner und Engländer, vielleicht auch die Franzosen und andere wundern sich immer wieder über die Deutschen. Aber es ist nun mal so: 80 % Frauen und 80 % der Menschen über 50 wollen zur Miete wohnen. Jüngere Ehepaar um die 35 Jahre mit Kindern interessieren sich eher für Baugenossenschaften. „Wir dachten zuerst, dass die meisten bauen wollten, doch sie können das gar nicht finanzieren,“ berichtete Theo Killewald, von der Netzwerkagentur GenerationenWohnen bei der Veranstaltung „Wohnen bleiben im Kiez – Mehrgenerationenwohnen“, die Ende April im Nachbarschaftstreffpunkt „Huzur“ in der Bülowstraße stattfand.
In Tiergarten-Süd entlang der Flottwellstraße bietet sich ein etwas anderes Bild. Dort finden, traut man den Zeitungsberichten, Eigentumswohnungen und Wohnungen in den sogenannten Bauherrenmodellen recht guten Absatz. Doch es gibt auch andere Modelle.
Zum Beispiel die Wohngenossen. Sie sind eine Gruppe von Menschen (bis maximal 50 Leute) die sich gemeinschaftliches Wohnen wünschen und sich deshalb verschiedene Modelle und Lösungen angeschaut haben. „Eigentum war nicht realistisch, und wir wollen auch nicht unbedingt Eigentum bilden oder sogar neu bauen,“ berichtet Heike Jahn bei der Veranstaltung. „Schwierig war auch der Anschluss an Wohngenossenschaften.“
In Katrin Mahdjour von der GEWOBAG haben sie eine kongeniale Partnerin für ihr Projekt gefunden. Sie bekamen einen Liste des GEWOBAG-Gebäudebestandes in Schöneberg. Nach vielen Begehungen in verschiedenen Kiezen, Blick auf Nachbarschaften, Infrastruktur, Anschluss an öffentlichen Nahverkehr und Grünflächen, fasssen sie zur Zeit die Blumenthal- und Kurfürstenstraße als zukünftigen Lebensraum ins Auge. Wichtig ist den Wohngenossen dabei, nicht als Außerirdische zu landen, sondern „als Gruppe wahrgenommen zu werden und Wechselwirkung mit Wohnumfeld zu haben,“ sagt Heike Jahn.
Noch sind viele Einzelheiten bei dieser innovativen Herangehensweise zu klären. Zum Beispiel werden nicht alle Mitglieder der Gruppe auf einmal einziehen können. Einsickern ist hier das Zauberwort. Wenn eine Wohnung frei wird (nicht aufgrund von Verdrängung sondern freier Entscheidung der jetzigen MieterInnen), zieht ein Wohngenosse nach. „Eine gewisse Fluktuationsrate muss natürlich vorhanden sein, und sie werden nicht alle in einem Haus mit gemeinschaftlichen Bereich wohnen können,“ sagt Katrin Mahdjour.
„Der Bedarf an solchen Wohnmodellen ist groß, doch er wird in den Wohnungsbaugesellschaften noch nicht wahrgenommen,“ fügt sie hinzu. „Nur wenn Akteure den Weg einschlagen, sich zu Wort melden und als Interessierte auf dem Markt wahrgenommen werden, wird sich die Wohnungswirtschaft darauf einstellen und entsprechende Angebote vorhalten.“
Katrin Mahdjour beschreibt die Wohnungsbaugesellschaften als Chance, Gemeinschaft zu bilden und zu ermöglichen. Dabei hat sie auch gerade ältere Menschen im Blick. „Viele haben Angst im Alter nicht aufgehoben zu sein. Es müssen intelligente Lösungen gefunden werden, dass alte Menschen weiterhin in der Stadt wohnen können.“
Die GEWOBAG denkt dabei an Seniorenwohnhäuser und generationsübergreifendes Wohnen. Kiezzentren in den Wohnkomplexen sollen Vernetzung, Veranstaltungen, Kooperation und Beratungsangebote leicht zugänglich machen.
Stichworte sind hierbei die altersgerechte Anpassung und Vernetzung im Quartier. Die Bülowstraße 92-95 soll zum Modellprojekt werden. Hier soll trotz Modernisierungsmaßnahmen, selbstbestimmtes und bezahlbares Wohnen in kleinen Einheiten für alte Menschen möglich sein. Zur Zeit prüfen Feddersen-Architekten: wie kann Umbau gestaltet werden, so dass die Mieten bezahlbar bleiben? Wie können soziale, finanzielle und baulichen Bedarfe zusammen gebracht werden? „Bezahlbare Wohnungen werden in Zukunft gebraucht und und wenn es da noch keine Wege gibt dann müssen die gefunden werden,“ sagt Katrin Mahdjour. Und: „Wir müssen Hartz IV-fähig bleiben.“
Doch ist die GEWOBAG kein gemeinnütziger Verein, Gewinne müssen erwirtschaftet werden. Quadratmeterpreise von Euro 5,50 sind nicht als billig zu bezeichnen. Deshalb ist es ein Ziel der Modernisierung in der Bülowstraße, langfristig die Betriebskosten und die zweite Miete bezahlbar zu halten.
Vieles klingt, im Vergleich zum privaten Wohnungsmarkt, prima. Katrin Mahdjour ist überzeugt, dass all diese keine Utopien, sondern auch für den Privatmarkt wichtige Gedanken sind. Denn: „das Wohnumfeld wird besser, wenn es gemeinschaftliches Wohnungen gibt.“