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Besseres Coaching für Migranten

Von HU-Gastbloggerin Kerstin Litty

In der Steinmetzstraße in Berlin Schöneberg leben vor allem arabisch stämmige Migranten.

Hamad Nasser Leiter des Nachbarschaftstreffs Steinmetzstraße führt hier Beratungsgespräche zu sozialen, familiären oder beruflichen Fragen. So bekommt er tiefe Einblicke in die Bedürfnisse der Menschen im Kiez.

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Nachbarschaftstreff Steinmetzstraße (Foto: Litty)

Was Frauen und Männer gleichermaßen beschäftigt, seien gute Ausbildungschancen für ihre Kinder. Die Frauen wünschen sich ebenso ein glückliches Familienleben. „Für die Männer ist besonders die Erwerbstätigkeit von hoher Bedeutung. Viele sind leider arbeitslos. Sie haben aber einen starken Ehrgeiz in der Gesellschaft anzukommen“. Hamad Nasser arbeitet täglich mit Migranten und beobachtet, dass sie gerne arbeiten und sich integrieren wollen. Oftmals fühlten sie sich jedoch überfordert oder überlastet (Hamad Nasser).

Diese Überforderung erfahren oft auch nicht migrantische Arbeitslose und Arbeitende. Zum einen gibt es einen erheblichen Leistungsdruck auf dem Arbeitsplatz, andererseits fühlen sie sich durch Behörden und durch fehlende Anerkennung in der Gesellschaft oft stark unter Druck gesetzt.

Um in der Gesellschaft anzukommen, bzw. um integriert zu sein ist Arbeit jedoch dennoch sehr wichtig. Migranten kommen so mit Einheimischen in engen Kontakt. Beide Seiten können sich bei vielen auch sehr alltäglichen Gelegenheiten besser kennenlernen.

Wie kann es nun aber gelingen Migranten eine berufliche Perspektive zu geben, wobei man sie erst nimmt und auf ihre Fähigkeiten und Interessen eingeht?

Hamad Nasser meint aus Erfahrung, dass es wichtig ist die Menschen mehr zu coachen. „Man sollte Ihnen die Möglichkeit geben selbst mehr mitzugestalten und ihre Wünsche und Interessen ernst nehmen“. Dabei erzählt Nasser auch, dass Migranten in seinem Kiez manchmal bestimmte Berufe vorgeschlagen werden, obwohl ihre Interessen und ihre Begabungen woanders liegen.

Deshalb schlägt Hamad Nasser, der seit 2005 erfolgreich eine Vätergruppe für Migranten leitet ein „Einzelcoaching für Männer“ vor. Dabei sollten ihre eigenen Vorstellungen gestärkt und thematisiert werden um mögliche Berufswege für sie zu finden. Im Nachbarschaftstreff in der Steinmetzstraße beobachtet Herr Nasser die starke Neigung der vorwiegend arabischen Migranten sich selbst einzubringen und mitzuarbeiten.

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Mitarbeit in der Steinmetzstraße

Bei Migranten kann man ebenso eine starke Tendenz zur Existenzgründung beobachten. Auch diese Fähigkeit sollte man ernst nehmen und durch Mikrokredite unterstützen. Die Vergabe von Mikrokrediten wird auch in der 3. Welt oft angewendet um Existenzgründer zu unterstützen.

Ebenso erachtet Herr Nasser eine bessere Qualifizierung für die Integration auf dem Arbeitsmarkt als besonders wichtig.

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Hamad Nasser - Leiter des Nachbarschaftstreff Steinmetzstraße

Die unzureichende berufliche Bildung von Migranten fängt schon bei Jugendlichen an. Seit Mitte der neunziger Jahre sind die Ausbildungschancen von Jugendlichen mit ausländischem Pass rückläufig. Im Jahr 2004 lag die Ausbildungsquote ausländischer in Deutschland lebender Jugendlicher bei 25% wobei Deutsche zu 61% in einem Ausbildungsverhältnis waren. Darüber hinaus können Deutsche Jugendliche häufiger ein Studium wahrnehmen. Die Sozialwissenschaftlerin Ursula Boos-Nünning kritisiert in ihrem Buch zur beruflichen Bildung von Migranten das verschenkte Potenzial für Wirtschaft und Gesellschaft.

Auch die Menschen im Steinmetzkiez haben ein starkes Potenzial und sollten mehr nach ihren Interessen und Fähigkeiten gefördert werden. Bei Ausbildungen und Weiterbildungen kann dabei ein besseres Coaching eine Schlüsselfunktion haben, um zu verhindern dass Menschen in Berufen weitergebildet werden die nicht zu Ihnen passen und deshalb wenig erfolgversprechend sind.

Ein Nachmittag im Nachbarschaftstreff

Von HU-Gastbloggerin Kerstin Litty

Im nördlichen Berlin Schöneberg nahe der Potsdamer Straße liegt die Steinmetzstraße. Ruhig wirkt die Straße auf mich, schattig kühl. Wie eine Oase in der man sich vom lauten Großstadttrubel erholen kann.

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Foto: Kerstin Litty

Was mich hierher führt? Ich interessiere mich für den Nachbarschaftstreff in der Steinmetzstraße 68. Der Nachbarschaftstreff ist ein sehr wichtiger Ort hier im Kiez an dem die die soziale Vernetzung von Migranten und Nichtmigranten ermöglicht wird.

Hamad Nasser, Leiter des Nachbarschaftstreffs begrüßt mich herzlich. Leider hat er gerade nicht viel Zeit, weil gleich eine Schüleraustauschgruppe aus Palästina hier eintreffen wird. Deshalb ist hier auch gerade viel los. Einige Frauen sind eifrig mit dem Zubereiten von Speisen an der offenen Küche beschäftigt und unterhalten sich angeregt auf Arabisch.

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Foto: Kerstin Litty

Eine nette junge Frau bietet mir einen Tee an und ich komme mit zwei arabischen Herren ins Gespräch, die gemütlich an einem Tischchen sitzen und das Geschehen beobachten. Hassan ist 63 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Palästina. Fast jeden Tag ist er hier im Nachbarschaftstreff, trinkt Kaffee und unterhält sich mit anderen Kiezbewohnern. Auch seine fünf Kinder besuchen regelmäßig den Treff. Nehmen Nachhilfeunterricht und Musikunterricht. Seine Kinder bedeuten ihm alles und er wünscht sich, dass sie eine gute Zukunft haben und eine gute Ausbildung bekommen. Dabei ist er sehr stolz dass drei seiner Kinder bereits studieren. Was er besonders gut kann? „Fußball spielen. Das hat ihm schon immer Spaß gemacht“. Auch seinen Sohn begleitet er zum Fußballverein und ist beim Training und beim Spiel immer dabei.

Hier im Nachbarschaftstreff wird diese Einbeziehung der Väter in die Bedürfnisse der Kinder sehr gefördert, erklärt Hamad Nasser.

Unser Gespräch wird unterbrochen. Die palästinensische Schülergruppe ist jetzt angekommen und begrüßt uns nacheinander mit einem freundlichen As-salamu Alaikum.

Der andere Gesprächspartner ist Ali, 60 Jahre und ursprünglich aus dem Libanon. Er geht auch sehr oft in den Treff und wohnt gleich nebenan. Ali ist handwerklich begabt und hat ebenso viele Jahre als Koch gearbeitet. Der Nachbarschaftstreff ist für ihn etwas Besonderes. Seit 2005 gibt es hier den Treffpunkt und er war „vom ersten Stein an“ dabei. Ali lebt seit 35 Jahren in Berlin und hat schon viel gesehen, aber einen Ort wie diesen gebe es nicht in der Stadt. Das Besondere ist, das hier nicht nur eine Familie unter sich ist. Viele kommen zusammen und lernen sich kennen.

Ali hat selbst keine Kinder, aber die Kinder hier im Nachbarschaftstreff sind mittlerweile fast wie seine eigenen.

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Foto: Kerstin Litty

Auch Hamad Nasser ist stolz, dass es hier eine starke arabische Kommunity gibt.

Mittlerweile haben die Frauen ein lecker aussehendes arabisches Buffet für die palästinensische Gruppe gezaubert. Herr Nasser lädt mich noch freundlich zum Essen ein, aber ich muss leider gehen. Die warme angenehme Atmosphäre hier werde ich aber so schnell nicht vergessen.