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Gertrude Sandmann – eine Entdeckung

Was für eine Ausstellung!

Der Besuch im Haus am Kleistpark fand statt, um für eine Recherche dieses Haus zu sehen. Es ist von Schließung bedroht. Und dann die lichtdurchfluteten Räume im dritten Stock. Blick auf Zeichnungen von klarer Schönheit, kraftvolle Pinselstriche, wundervolle Frauenporträts.

Gedanken an andere, wichtige Ausstellungen, die das Haus am Kleistpark kuratiert hat. Im August 2009 gelang es ihnen mit der Ausstellung „Maikäfer flieg“ die Anwohner/innen für die Geschichte des Hochbunkers in der Pallasstraße zu begeistern. Sie zeichnen verantwortlich für die Ausstellung „Wir waren Nachbarn“, die jetzt zur Dauerausstellung geworden ist. Und das will der Bezirk Tempelhof-Schöneberg durch Schließung aufs Spiel setzen? Doch das ist eine andere Geschichte.

Gertrude Sandmann war Künstlerin und kämpfte Zeit ihres Lebens um die Emanzipation der Frauen. Ihre Zeichnungen sprechen für sich. Und dankenswerter Weise sind in der Ausstellung derer viele zu sehen.

In Vitrinen sind unter anderem Tagebücher der Künstlerin ausgestellt. Ebenso ein Katalog von einer Ausstellung der Künstlerin aus dem Jahr 1968. Gemeinsam mit der Bildhauerin Annemarie Haage waren ihre Werke schon einmal im Haus am Kleistpark zu sehen. Zu einer Zeit also, als Gertrude Sandmann nicht mainstream war, wurde sie hier der Öffentlichkeit präsentiert.

Gertrude Sandmanns außergewöhnliche Biographie vereint gleich mehrere Geschichten. Man kann sie als Beispiel für die Geschichte der künstlerischen Emanzipation der Frau, als ein Beispiel für die Geschichte der Emanzipation der Frau im Allgemeinen und den Überlebenskampf einer Jüdin während der Schoah lesen. Obwohl die Zeit in vielerei Hinsicht gegen sie war, ist sie sich Zeit ihres Lebens treu geblieben, ist für ihre Überzeugungen eingetreten und hat um ihr Recht auf Selbstbestimmung gekämpft.

Anna Havemenn - Getrude Sandmann

So Anna Havemann in einer Biographie, die im Zusammenhang mit der Ausstellung in der Reihe Jüdische Miniaturen des Hentrich&Hentrich Verlages und Centrum Judaicum erschien.

In der Biographie zeigt sich, dass Gertrude Sandmann vieles mit der Potsdamer Straße verbindet. Geboren 1893 im Prenzlauer Berg geboren, wuchs sie auf Am Karlsbad 11 (Ecke Flottwellstraße). Ihre Eltern hatten eine 20.000 Bände umfassende Bibliothek. Darunter viele Kunstbücher, denn ihr Vater sammelte Kunst.

Als sie studieren wollte, war der Zugang von Frauen zu den Universitäten fast unmöglich. In Berlin,…., setzte sich der konservative akademische Maler Anton von Werner (1843-1915) während seiner Zeit als Akademiedirektor (1874-1915) nachdrücklich gegen die Aufnahme von Studentinnen zur Wehr. (14)

Anton von Werner lebte und arbeitete damals in einer privaten Stichstraße, die von der Potsdamer Straße abging. Das Haus ist heute noch erhalten, Teil des leerstehenden Tagesspiegel-Geländes und unter Denkmalschutz.

Schräg gegenüber, im Hof der heutigen Potsdamer Straße 98, eröffnete der erste Berufsverband für Künstlerinnen in Deutschland eine Schule für Malerinnen. Paula Modersohn-Becker und Käthe Kollwitz studierten dort. Letztere unterrichtete von 1898 bis 1903 an der Schule, lernte Gertrud Sandmann kennen und schätzen.

Käthe Kollwitz über Gertrude Sandmann

Trotz der beruflichen Schwierigkeiten nahmen Ausstellungen von Frauen zu. Im Umkreis der Potsdamer Straße waren diese in der Sturm-Galerie von Herwarth Walden, dem Kunstsalon Gurlitt und der Galerie Paul Cassirer zu sehen. Die Ausstellungsbeteiligung von Frauen stieg im Druchschnitt seit dem Ende des Ersten Weltkrieges von 10 auf 27 Prozent am Ende der 20er Jahre. (20). Es ist anzunehmen, dass Gertrude Sandmann dabei war, denn sie beendete ihr Studium 1923 und lebte gemeinsam mit ihrer Mutter Am Karlsbad 11, in dem sie eine eigene Wohnung hatte.

Bereits in den 20er Jahren bekannte sich Gertrude Sandmann zu ihrer Homosexualität und war auch damit in Schöneberg gut aufgehoben, denn in der Bülowstraße, der Zieten- und Schwerinstraße gab es unzählige lesbische Clubs und Vereine. Die ablehnende Haltung der Jüdischen Gemeinde gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen war mit ein Grund dafür, dass Gertrude Sandmann 1926 aus der Jüdischen Gemeinde austrat. (24)

Durch ihre politische Aktivierung sah sie das nationalsozialistische Unheil früh und klar:

Nazi! – Kulturfeindlich! Antiliberal! Anti-Geist! Rückschritt!
Sie schaffen Gegensätze zwischen den Menschen statt Menschheit, Grenzen zwischen den Ländern, statt Erdgemeinschaft.
Gegen die Frauen! Muskel statt Kopf! Faust statt Geist! Gegen die Juden!
Ich war, leider, ich schäme mich, nie judenfreundlich, (Abwehr!) […] will nicht so sein, das Ähnliche ist am verhasstesten. Aber jetzt, es wäre feige, sich jetzt nicht als Jude zu bekennen! Die Juden müssen jetzt betont Juden sein […]. Tagebucheintragung, Mai 1932 (6)


1934 wurde sie aus dem Reichsverband bildender Künstler ausgeschlossen. 1935 bekam sie Berufsverbot.

Die emanzipatorischen Bestrebungen der homosexuellen Bewegung wurden von den Nationalsozialisten unterbunden. Lesbische Frauen wurden jedoch nicht explizit verfolgt, da die Nationalsozialisten diesen Lebensentwurf schlichtweg nicht ernst nahmen. Wenn sie inhaftiert wurden, dann aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft oder kommunistischen Partei.

Gertrude Sandmann war als Jüdin, als Frau und als Vertreterin der modernen Kunst Repressalien ausgesetzt. In ihrem Tagebuch schildert sie die Situation und Demütigungen genau. Sie ging 1942 in den Untergrund, täuschte einen Selbstmord vor und konnte so überleben. Die Kapitulation Nazideutschlands erlebte sie im Versteck in der Eisenacher Straße 103.

Sie bekam eine Wohnung in der Eisenacher Straße 89 zugewiesen und stellte einen Antrag auf Entschädigung im Falle von „Schaden im beruflichen Fortkommen“. Der Stadtbezirk Schöneberg stellte ihre Werke mehrmals aus.

1974 schrieb Eva Kollwitz, die Tochter von Käthe Kollwitz in einem Katalog über sie: Sie tritt nicht nach außen: wörtlich, wie sinngemäß, aber in ihrer Zurückgezogenheit ist sie von heiterer Ruhe und dem Menschen zugewandt. Sie schafft ihre eigenen Paradiese, […] Es gibt Arbeiten der reinen Freude neben dem Schweren […]. Eine Eierschale schimmert wie Mondlicht, eine Frucht vermittelt das sinnliche Erlebnis des Schmeckens. […] Es gibt kein Frühwerk und kein Spätwerk der Sandmann: ein Akt der Zwanzigjährigen ist genauso ein zeichnerischer Wurf, wie er der Achtzigjährigen eigen ist. (78/79)

Gertrude Sandmann starb 1981.

Die Ausstellung ist bis 3. April 2011 geöffnet
Öffnungszeiten: Di – So von 10 bis 19 Uhr
Eintritt frei.
HAUS am KLEISTPARK,
Kunstamt Tempelhof-Schöneberg
Grunewaldstraße 6 – 7
10823 Berlin
Tel.: 90 277-6964

Wowereit im HAUS am KLEISTPARK mittemang

Die Nachricht, dass der Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit bei seiner Tour durch Tempelhof-Schöneberg auch im Pallasseum Station machen würde kam recht kurzfristig. Dennoch war das Gedränge dann so groß, dass es echt schwer war, ihn vor die Kamera zu bekommen.

Er ist da!

Er ist da!

Wowereit im Scherenschnitt

wäre bei 'nem Quiz schon zu erkennen

Wowereit hinter Kollegen

Dahinter isser!

Wowereit im QM-Büro Schöneberger Norden

Herzlich willkommen im Schöneberger Norden

Doch dann saß er im VorOrt Büro des QM-Büros, mit seinem Bürgermeister-Kollegen Ekkehard Herrn Bandt und hörte zu. Sigrid Witthöft von der Pallasseum Wohnbauten KG sprach über die Erfolge des Pallasseums sprach, das längst kein Moloch mehr ist. Sie sagte auch, dass dort die Mieten sozial verträglich bleiben sollen. Denn nicht nur neue MieterInnen sind erwünscht und tummeln sich teilweise auf Wartelisten, sondern auch die MieterInnen, die bereits in der zweiten und dritten Generation hier wohnen, sollen nicht verdrängt werden.

Dann kamen AkteurInnen der Sozialen Stadt zu Wort. Unter anderem war es lustig, dass Frau Gut die bezirkliche Koordinatorin Quartiersmanagement ist und auch eine Frau Glück in die Arbeit eingebunden ist. Und lustig war es auch, als Quartiersmanager Peter Pulm von den manchmal hitzigen Debatten mit dem Quartiersrat sprach und Bürgermeister Wowereit entgegnete „Warum soll es Ihnen denn besser gehen als mir mit dem Parlament.“

Die Stimmung war also bestens und Wowereit hatte dann noch die technische Frage, ob denn die vielen Satellitenschüssel wirklich sein müssten. Schön sei ja das Projekt „Von Innen nach Aussen“ des Künstlers Daniel Knipping, mit dem die BewohnerInnen auch etwas von sich nach außen preisgeben. Ach wirklich – individuelles TV-Geschehen sei also nur mit individuellen Schüsseln möglich. Nun gut.

Dann begann der Rundgang durch diese Wohnanlage, in der eine Kleinstadt von circa 1.500 bis 2.000 Menschen lebt. Die laute Potsdamer Straße, Ex-Standort des Sportpalastes, Standortentwicklung und auch die ganz Kleinen waren da.

Wowereit und Kita Kinder

Kita im Pallasseum

Irgendwann kamen dann die QuartiersrätInnen Gerhard Haug und Heide Rienits zum Zuge und sofort zur Sache. Das Bezirksamt, respektive Stadtrat Bernd Krömer, möchten die alt-ehrwürdige Kulturinstitution HAUS am KLEISTPARK mitsamt der Leo-Kestenberg-Musikschule aus Kostengründen schließen.

In einem Antrag fordert der Quartiersrat Schöneberger-Norden die BVV Tempelhof-Schöneberg nun auf, die von der Bezirksverwaltung geplante Schließung des Standortes Haus am Kleistpark und Leo-Kestenberg-Musikschule abzulehnen und sich für den Erhalt dieses kulturell bedeutenden Schöneberger Standortes einzusetzen.

In dem Antrag wird die kommunale Galerie Haus am Kleistpark und die Leo-Kestenberg-Musikschule als Schönebergs kultureller Leuchtturm auf überregionaler und internationaler Ebene und wichtiger Stabilisierungsfaktor für das Quartiersmanagementgebiet Schöneberger Norden und als das wesentliche Bindeglied zur neuen Galerienszene im Gebiet der Potsdamer Straße und Kurfürsten-/Bülowstraße bezeichnet. Außerdem wird auf die historisch bedeutsame Tradition verwiesen, denn es ist das einzig erhaltene Gebäude am ehemaligen Standort des Botanischen Gartens, hier wurde der Naturschutz begründet. Der Quartiersrat bemängelt, dass eine Verlagerung von Galerie und Musikschule erheblich höhere Kosten für den Bezirk verursachen würden.

Auch die Initiative proHaK, in der sich KünstlerInnen und AnwohnerInnen zusammen geschlossen haben, erklärten in einer Pressemitteilung, die ebenfalls bei dem Wowereit-Besuch verteilt wurde:

Damit schießen sie ein Eigentor! Sie koppeln sich damit endgültig davon ab, zur Mitte Berlins zu gehören, denn anders als in Charlottenburg, Mitte und vielen anderen Bezirken gibt es in Tempelhof-Schöneberg keine überregionalen Kultureinrichtungen.
Wir sehen, dass diese Bezirksentscheidung von gesamtstädtischer Bedeutung ist.
Wenn das Haus am Kleistpark – als eine der drei wichtigsten kommunalen Galerien – fällt, könnte dies einen Domino-Effekt erzeugen und nach und nach könnten auch die anderen dezentralen Einrichtungen wegbrechen.
Ein Desaster für die Kulturstadt Berlin, die von ihrer Vielfalt lebt.

Praktisch so ein vor-Ort-Termin. Da ist die Bevölkerung dran.

Noch vor der HAUS am KLEISTPARK Sache

Gemeinsam Wowereit und Band

Und der Regierende Bürgermeister reagierte empathisch und prompt und forderte gleich mal seinen Bürgermeisterkollegen auf, das Haus nicht zu verkaufen. Sprach’s und spazierte weiter durch’s Quartier.

Doch noch ist das Haus am Kleistpark nicht winterfest. Hier zwei wichtige Termine:

Montag, 25.10.:  Sitzung der Fraktionen um 18.00 Uhr Rathaus (nicht öffentlich)

Mittwoch, 27.10.: BVV Sitzung 17.00Uhr, entscheidende Sitzung (öffentlich)