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Not rund um die Bahnhöfe Yorckstraße

Vor den Eingängen der Bio Company an der Yorckstraße stehen dieser Tage zeitweise Sicherheitsbeamte, die Kundentoiletten sind verschlossen. Hinter der Bio Company und an anderen Stellen des Hellweg Parkplatzes vermüllen Kot, Spritzen, Tempotaschentücher und auch Kleidungsstücke die Ecken. In den U-und S-Bahn Stationen ekeln sich Benutzer*innen vor Uringestank und machen um die schlafenden Junkies einen großen Bogen. Anwohner*innen des Kulmer Kiezes beklagen sich über eingetretene Haustüren und Spritzen in den Kinderwägen.

Yorckstraße – der Hardcore-Bahnhof

Seit Mitte April 2017 veranstaltet das Quartiersmanagement Schöneberger Norden Kiezgespräche zum Thema „Drogenhandel und Konsum im KulmerKiez“. Unter dem Titel „Der KulmerKiez wünscht sich RESPEKT“ veranstalteten Träger und Nachbar*innen im Dezember 2017 ein Winterfest auf dem Vorplatz der U-Bahn. (Bericht des QM hier).

Beschwerden der circa 20 Anwohner*innen (30 Anwesende) beim 5. Kiezgespräch im Februar 2018 über mangelndes Engagement und Einsatz in dieser für sie unerträglichen Situation begegnete der BVG-Abgeordnete mit dem Verweis es gäbe im Vergleich zur Yorckstraße wesentlich schlimmere Bahnhöfe in Berlin.

Dies wurde nicht gern gehört. Doch hingewiesen sei hier auf eine umfangreiche Anfrage des Abgeordneten Florian Graf (CDU) vom 28. November 2017 zum Thema: „Kriminalität an den Bahnhöfen Tempelhof-Schönebergs.“ Aus der Antwort (Dezember 2017) geht hervor, dass die S- und U-Bahnhöfe an der Yorckstraße im Zeitraum 2012 bis 2017 in Bezug auf die registrierten Straftaten an den insgesamt 32 S- und U-Bahnhöfe im Bezirk Tempelhof-Schöneberg an vierter Stelle standen.

  • U-Bahnhof Wittenbergplatz = 1052 Straftaten
  • U-Bahnhof Nollendorfplatz = 968 Straftaten.
  • Tempelhof insgesamt 781 Straftaten (S-Tempelhof = 267 / U-Bahnhof Tempelhof = 514)
  • Yorckstraße insgesamt 775 Straftaten (S-Bahnhof Yorckstraße = 210 / S-Bahnhof Großgörschenstraße = 33 / U-Bahnhof Yorckstraße = 532)

Im Jahr 2017 wurden am S-Bahnhof Yorckstraße = 11, am S-Bahnhof Großgörschenstraße = 1 und an der U-Bahnhof Yorckstraße = 62 Straftaten registriert. Leider kann die beim Kiezgespräch anwesende Polizei keine Aussage darüber machen, ob die Kriminalität der Dealer und Junkies innerhalb des eigenen Milieus stattfände oder ob auch Menschen außerhalb des Milieus akut gefährdet seien.

Subjektives Angstgefühl versus Zahlen

Seit mehreren Monaten ist das QUTREACH Präventionsteam Schöneberg Nord im Gebiet unterwegs. Sie unternehmen sogenannte „Spritztouren“, um sich ein eigenes Bild über die Verhältnisse zu machen. „Liebe Leute,“ schreiben Sie am 30. Januar auf ihrer Facebookseite. „Heute waren wir auf Spritztour rund um den Hellweg Baumarkt in der Yorckstraße. Fazit: 132 Spritzen in 2h eingesammelt! Vor ca. 2 Wochen haben wir im selben Spot ca. 200 Spritzen gefunden.“

Die Streetworker Natalie, Dennis und Lars haben auch einige Gespräche mit Konsument*innen geführt und beschreiben sie als „aufgeschlossen, entspannt, relaxed“, besonders wenn sie gerade eine Droge konsumieren konnten. Viele sagten, sie würden in Zukunft mehr aufpassen, die Spritzen wieder verschließen und sogar entsorgen, hätten Verständnis gezeigt. Ob sie auch danach handelten beim nächsten Mal sei damit überhaupt nicht gesagt. Gleichzeitig seien ihnen auch Konsument*innen begegnet, denen all dies völlig egal sei.

Bild: Projekt

In den Monaten ihrer Arbeit hier im Kiez schockiert es Natalie am meisten, wie würdelos die Gesellschaft mit den Junkies umginge. Es seien kranke Menschen, sie bräuchten die Drogen und der gesamte Körper entspanne nach dem Setzen einer Droge und damit auch der Darm. Doch da sie in der Bio Company oder auch an anderen Orten nicht die Toilette benutzen dürften, müssten sie sich in die Büsche verkrümeln. Das sei beschämend und verschmutze die Umgebung.

Dennis hat neben der professionellen auch die „Papa“-Perspektive. Den „kurz mal checken-Blick“ bei den Besuchen auf den lokalen Spielplätzen mit seiner 6-jährigen Tochter. Auch diese sei darin schon sehr geschult und wisse ganz genau, auf was sie zu achten habe. Ihm „vermiese das manchmal die Sicht auf die Welt.“

Lars spricht von einem wachsenden Verständnis. Früher habe er die Konsument*innen nicht abgelehnt, sich aber weiter keine Gedanken um ihre Not gemacht. Gleichzeitig sieht er mit seinen geschulten Augen viel mehr Spritzen herumliegen, die ihm zuvor nie aufgefallen seien.

Alle drei haben Verständnis für abgenervte Anwohner*innen. Anwohner*innen denen es schwer falle bei bedrohlichen, plötzlichen Begegnungen zum Beispiel im eigenen Hausflur – eigentlich einer privaten Sicherheitszone – Wut mit Empathie, Ekel mit Toleranz zu ersetzen.

Frust, Sorge und Anklage

Und so ist auch das 5. Kiezgespäch zunächst durch Anwohner*innen geprägt, die sich ihren Frust, ihre Sorgen und ihrr Wut von der Seele reden. Denn das Sicherheitsgefühl vieler Anwohner*innen ist erschüttert, besonders auch wenn ihre Kinder alleine unterwegs sind. Andere vermissten eine sofortiges Erscheinen der Polizei, als sie in für sie brenzligen Situation den Notruf wählten.

Es hilft kaum zu hören, dass das Betätigen der Notrufsäule in den Bahnhöfen die Videoüberwachung triggert und damit sofort die BVG und die Polizei die Szene auf dem Bildschirm habe. Die Notrufe würden dann nach Priorität abgearbeitet. Außerdem sei die Polizei täglich vor Ort und ermittele auch verdeckt.

Zwei Einzelfallhelfer beschäftige die S-Bahn und bezahle sie aus eigener Tasche. Löblich möchte man sagen, doch die beiden sind in ganz Berlin unterwegs. Sicherheit flößt auch nicht das Wissen ein, dass der Zuständigkeitsbereich des S-Bahn Personals direkt am Ausgang, also an letzten Treppenstufe endet. Der nächste Schritt liegt im bereits im öffentlichen Straßenland und damit im Zuständigkeitsbereich der Polizei.

Die Streifen der BVG sind 2 bis 3 Mal in der Woche für längere Zeit präsent. Und führen mindestens einmal in der Woche mit der Polizei Doppelstreifen durch. Bis Anfang Februar hätten sie aufgrund von Beschwerden 25 Platzverweise an Obdachlose und Konsument*innen ausgesprochen, 15 Menschen aus der Trinkerszene des Ortes verwiesen und 3 Anzeigen wegen Land und Hausfriedensbruch ausgestellt.

Anwesende verweisen darauf, dass Sie als zahlende Nutzer*innen einen Anspruch auf eine saubere U- und S-Bahn hätten. Der Ruf wird laut nach Prämien für Kontrolleur*innen, die schwarzfahrende Konsument*innen erwischen. Die Forderung nach mehr Kameras, nach effektiver Vertreibung der Hehler und Konsument*innen.

Die Polizei weist auf die Gesetze in unserem Rechtsstaat. Auf die Tatsache, dass der Drogenkonsum stadtweit steige. Wenn er von der Yorckstraße vertrieben würde, tauche er eben an anderer Stelle wieder auf und käme irgendwann auch wieder zurück. Die U7 sei eine wichtige Transportstrecke für die Dealer und die Polizei ermittele verdeckt. Auch die Betäubungsmittelszene sei wachsend. Der Anblick wenn sich ein*e Konsument*in eine Spritze setze sei höchst unschön. Doch sei nur der Verkauf strafbar, nicht aber der Konsum.

Empathie, Strafvereitelung und Koexistenz

Nach einer Stunde Kiezgespräch, bei dem Schuldzuweisungen, Hilflosigkeit, Wut und Frustration von Anwohner*innen überwiege, schaffen es Lars und Dennis (Natalie kann nicht dabei sein) mit einer sehr persönlichen, empathischen und auch fragenden Beschreibung ihrer Arbeit und ihrer Herangehensweise, eine Atmosphäre von leichtem Verständnis und auch Interesse zu schaffen. Zumindest für die Situation der Konsument*innen. Denn die seien ganz unten. Die Dealer seien diejenigen, die Straftaten begehen, kriminell aggressiv sind.

Änderungen seien nicht kurzfristig zu erwarten. Doch was könnte helfen, was haben sie von anderen Orten wie z.B. dem Leopoldplatz für Anregungen. Sie wollen Spielplatzbelebungen, Drogenprävention, verweisen darauf, dass die Konsument*innen Fixerstuben durchaus annehmen. Dort könnten Krankenschwestern und Sozialarbeiter*innen tätig sein und langfristig eine Beziehung aufbauen. Doch da die Szene ständig wandere könne eine Mobile Fixerstube eine praktikable Antwort sein.

Schade, dass es dann zu einem kurzen Kompetenzgerangel durch die Vertreter*in der Suchthilfekoordination des Bezirksamts kam, die bis dahin geschwiegen hatte. Sie verwies mehrmals darauf, dass Profis diese Arbeit machen müssen und die Streetworker nicht zuständig seien. Dass wichtige und finanziell umfangreiche Anträge des Bezirks fast abgabereif seien und gute Aussichten auf umfangreiche finanzielle Hilfe beständen. Doch dass das Thema so komplex sein, dass dies nicht von heute auf morgen geht. Die Schwere des Verwaltungshandelns lähmt.

Doch dann bedanken sich einige Anwesende für die Kiezgespräche und für die bisher gelungenen Schritte, für das in Kontakt sein. So fühlen sie sich der Lage nicht vollständig ausgeliefert. Es ist doch eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen notwendig! Es ist schwierig genug, zum Einen den kranken Konsument*innen zu helfen und den kriminellen Dealern das Handwerk zu legen.

An diesem Abend ließen die Streetworker Lars und Dennis für kurze Zeit die Möglichkeit erahnen und erspüren, wie eine für alle einvernehmliche Koexistenz und damit ein Gewinn für die Nachbarschaft sein könnte. Dies geschah nicht traumtänzerisch oder naiv. Denn sie kennen ihre größte Angst bei ihrer Arbeit in den Straße um die Yorckstraße: eine*n Tote*n zu finden.

Ahorn muss Platin weichen

Das Stadtquartier Bautzener Straße heimst in den letzten Monaten einen Preis nach dem anderen ein. Es erhielt es die höchste Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ( DGNB) auch Platin-Zertifikat und seit März 2016 ist es Preisträger des Berliner Wettbewerbs KlimaSchutzPartner des Jahres.

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Warum freuen sich die Nachbarschaft denn nun nicht über dieses ökologische, nachhaltige, behutsame Bauvorhaben?

Die Bautzener Brache war als wichtige Biotopflächenanteil ausgewiesen,“ betont A. Bähr, eine der drei Anwohnerinnen, die Ende April eine Einwohnerversammlung zu der Bebauung initiierten. „Hier wuchsen vor den Rodungsarbeiten allein vier verschiedene Ahornarten: Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Eschen- Ahorn, Rot-Ahorn, neben Weiden, Robinien und Wildkräutern. In der Abendschau am 25. April wurde medienwirksam gezeigt, dass auf dem Dach des Paul Löbe-Hauses ein neuer Bienenstand eingeweiht wurde. Hier, wenige Kilometer südlich davon, holzten sie gerade einen Teil der Bienenweide meiner Völker und der meiner Nachbarimker rücksichtslos ab.“

Seit im Oktober 2012 die erste Informationsveranstaltung zur Bebauung der Bautzener Straße stattfand – also lange bevor klar wurde, welch hohe ökologische Standards die Grünfläche zubetonieren würden – rumort es im Gebiet. Es gab eine Einwohnerversammlung (Mai 2013), die erste Bürgerbeteiligung (September 2014 bis Oktober 2014), im November 2015 lag dann die Auswertung der umfangreichen Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der Eingaben der BürgerInnen vor. Es folgte der zweite Beteiligungsschritt der Träger öffentlicher Belange (Januar 2016 bis Februar 2016), die jetzige Einwohnerversammlung vom 28. April und bis zum 11.5. 2016 läuft noch die Öffentliche Auslegung des B-Plan 7-66VE, bei dem die AnwohnerInnen ihr Recht wahrnehmen können, gegen diese Bauprojekt Einwände vorzubringen.
Einsicht in die Unterlagen
Weitere Informationen zur Situation rund um die Bautzener Brache

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Einwände senden an: Amt für Stadtentwicklung Schöneberg, Rathaus Schöneberg stadtplanung@ba-ts.berlin.de

Zwischen diesen Bürgerbeteiligungsterminen waren Investor und Bezirksamt weiter tätig, ohne jedoch bei den AnwohnerInnen den Anschein zu erwecken, dass ihre Einwände eingearbeitet würden. Zu der letzten Einwohnerversammlung am 28. April 2016 erschien nun eine Mannschaft aus circa 20 BezirkspolitikerInnen, ExpertInnen, ArchitektInnen, LandschaftsplanerInnen und dem Investor.

Mit ihnen saßen circa 150 AnwohnerInnen in der Mensa der Havelland Grundschule, um sich zu informieren, an vielen Stellen ein ironisches „Hört, hört“ zu bekunden und an anderen laut ihren Unmut auszudrücken.

Die Kontrahenten kennen sich, viele der Argumente werden seit Jahren wiederholt und ping-pong-mäßig ausgetauscht. An diesem Abend herrscht mal wieder klarer Frust bei den AnwohnerInnen. Denn was ist noch zu erwarten, wenn die Bagger bereits unterwegs sind, obwohl doch das Beteiligungsverfahren noch läuft?

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Anders als auf anderen umstrittenen Bauflächen gibt es auf der Bautzener Brache, einem ehemaligen Eisenbahngelände, keinen Rechtsanspruch des Eigentümers auf Baurecht. Die Brache ist nach wie vor nach §35 BauGB Außenbereich. Ein Baurecht ist an diesem Ort einzig eine Willensentscheidung der Politik und kann an dieser Stelle versagt werden.

Es gibt eine Alternative !
Welche Chance kann in solch einer Situation ein neuer und umfangreicher Alternativvorschlag haben, den Matthias Bauer bei der Einwohnerversammlung vorbrachte erläuterte? Ist es das richtige Objekt am falschen Platz, fragte er und beamte gleich einen Alternativbauplatz auf die Leinwand.

Doch zuvor erläuterte er anschaulich, wie das Gebiet zwischen Landwehrkanal und Sachsendamm in den nächsten Jahren durch Baumaßnahmen verdichtet wird.

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Seinen fundierten Erläuterungen, folgte seine simple Frage. Wie wäre es denn, wenn die Wunderwohnungen ein paar hundert Meter weiter südlich zwischen der Monumenten- und Kolonnenstraße auf dem Gelände der BSR gebaut würden? „Das Grundstück ist ein bisschen kleiner, doch bekommt man ein städtebauliche Kante geschlossen, da ist jetzt eine Lücke,“ erläuterte er. „Es ist nachts ein Parkplatz, der tagsüber leersteht. Auf diese Weise könnte die Bautzener Straße im Grünsystem integriert bleiben.“

BSR

Der richtige Platz für das Bautzener Stadtquartier?

Schade, dass nach 2 Stunden Statements von Experten und circa 25 Minuten Statements durch die BesucherInnen keine Zeit zum Austausch mehr gab. Dann hätte der Ping-Pong-Ball vielleicht die Platte verlassen und hätte doch noch einmal erneut und dann auch anders geschlagen werden können.

Das richtige Projekt
Die Präsentation des Projektes hatte die ersten 45 Minuten der Veranstaltung eingenommen. „Mir ist wichtig, Ihnen noch mal zu sagen, dass wir von der ersten öffentlichen Vorstellung des Projektes, alles so wie vorgestellt eingehalten haben,“ begann der Investor. „Wegen der klimatischen Durchlüftung haben wir viele Sorgen gehabt. Wir mussten höhere Schallvorschriften hinnehmen, was sich auch finanziell nieder geschlagen hat.“ Er sprach von Bioenergie und dass alle Wohnungen mit Abwasserwärme zu heizen seien. Dass er die kontrollierte Wohnraumbelüftung an anderer Stelle kennen gelernt habe und diese nicht nur funktioniere, sondern ihn auch begeistere. Dass man zur Zeit einen Parkplatz für zwei Wohnungen plane und wenn diese nicht gebraucht würden, bereit sei, zusätzlich 600 Stellplätze für Fahrräder zu schaffen. Es gäbe eine Lärmschutzwand wegen der S-Bahn. Man käme über den noch zu bauenden Biomarkt auf der anderen Straßenseite später in den Gleisdreieckpark. „Was wir versprochen haben, wird bis heute eingehalten,“ betonte er zum Schluss noch einmal.

Der Architekt betonte für ihn sei das „Bauvorhaben ein Glücksfall, weil ich hier einen Bauherrn hatte, der Nachhaltigkeit sehr unterstützt hat. Die ganze Energieseite ist so konsequent durchgeführt, wie ich es noch nie vorher gesehen habe.“ Der geplante Supermarkt käme – da unterirdische – ohne unschönen Baukörper aus, die kleinen Läden garantierten eine lebendige Straßenfront. Der Großgörschenplatz würde multifunktional. Und da seien dann ja auch noch die Sport- und Fitnessflächen im Bereich Yorckstraße.

Schöner Supermarkt unter der Erde

Günstige Mietwohnungen würden entstehen, nur 10% seien über 100 qm groß, der Fokus sei auf kleinen bezahlbaren Wohnungen. „Es war ein Glücksfall, dass wir einen Bauherrn haben, der Mietwohnungen baut, die in verantwortlicher Hand bleiben und nicht schnell veräußert werden,“ begeisterte er sich am Ende noch einmal.

Dann sprach eine Landschaftsarchitektin von 13.000 qm Außenanlagen, drei Innenhöfen mit Kleinkinderspielbereich, zwei größeren Spielbereichen, einem Biotopflächenanteil. Die 39 geschützte Bäumen, die gefällt worden wären, würden durch 72 Ersatzpflanzungen kompensiert, plus den 39 Bäume auf der Tiefgarage. Ein Grundstück würde nicht bebaut und dem Park zugeschlagen. Wachsen solle Efeu und wilder Wein, Pflanzen, die über das ganze Jahr blühen und einheimisch seien.

A. Bähr hatte die Argumente der AnwohnerInnen umfassend erläutert.  Unter anderem sagte sie:  „Die Bautzener Brache ist die notwendige Verbindung zum Gleisdreieckpark. Sie ist das fehlende Stück für eine durchgehenden Fahrrad- und Fußgängerverbindung im Grünen. Die Radwegverbindung zwischen dem Südkreuz und dem Potsdamer Platz kann entlang der Bautzener Brache ohne ungünstige Umwege über die Monumentenbrücke geführt werden. Die Bautzener Brache ist Teil der Belüftungsschneise entlang der Bahntrassen. Die Bautzener Brache ist ein notwendiges Teilstück des Biotopverbunds.
Wieso wird der Wert dieser natürlichen Ressourcen in Berlin nicht erkannt und geschützt?
Wieso wird dieses Gelände, für das kein Baurecht erteilt werden muss, an einen Investor verhökert?
Wieso wird nicht ernsthaft an einem grundlegenden Konzept gearbeitet, wie mit den Natur- und Grünflächen, vor allem unter den Bedingungen des Klimawandels und Artenschwunds umgegangen werden sollte?“

Dagegen die Einschätzung von Wolfram Siewert, Landschaftsarchitekt und beauftragt mit der Umweltprüfung: „Die Bilanz hat gezeigt, dass nicht viel wertvolle Sachen da waren. Ein Vergleich mit dem, was geplant wird, hat ergeben, dass es keine Verschlechterung gibt.“ Siewert erläuterte weiterhin, dass Bodenverunreinigungen beseitigt wurden, das Klima keine erheblichen Beeinträchtigungen erführe. Für die Fledermäuse seien jetzt schon Ersatzniststätten geschaffen und dem Girlitz, der unter besonderer Beobachtung in Berlin steht, würde auch nichts passieren.

Warum gerade hier?
Also alles paletti und ein Schelm, wer denkt, dass das Grundstück gegenüber seinem eigenen Baumarkt Hellweg an der Yorckstraße so wertvoll ist, dass Alternativen nie auch nur ansatzweise bedacht wurden?

Wir haben diese Einwohnerversammlung als Anwohnerinnen beantragt, weil wir in den Jahren unserer kritischen Beobachtung der Bauplanung immer mehr den Eindruck gewannen, dass hier entlang der Bautzener Straße unter allen Umständen den Wünschen des Investors entsprochen werden soll,“ bringt A. Bähr vor.“Entgegen aller Einwände der Nachbarschaft, des BUNDs, des Bezirks und der Senatsverwaltung, entgegen Einwände der IHK und der Polizei und anderer Träger öffentlicher Belange soll hier gebaut werden. …. Für uns Nachbarinnen soll der Eindruck entstehen, dass es sich hier um ein Vorzeigeprojekt für den sozialen Wohnungsbau handele, so sehr wird Werbung für das Projekt gemacht, so sehr werden Einwände und Bedenken dem Willen hier zu bauen untergeordnet.

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„Wie wird die Wohnqualität sein im Bautzener Stadtquartier?“

Tatsächlich aber handelt es sich hier um ein Projekt eines Privatinvestors, der vor allem ein Interesse hat: Er will auf diesem Grundstück, das bisher kein Baurecht hat und dass er sehr günstig als Brachland im Außenbereich erwerben konnte gewinnbringend investieren. Allein durch die Schaffung von Baurecht wird der Wert der 2,2 ha großen Fläche um mehr als das 10fache steigen. Und dazu verhelfen ihm insbesondere unsere Bezirksstadträtin Frau Dr. Klotz und der Amtsleiter für Stadtentwicklung Herr Kroll, die dem Investor unter allen Umständen Baurecht und die Baugenehmigung verschaffen wollen.

Natürlich sieht der Bezirk das anders. Bereits vor der Veranstaltung war ein sechsseitiges Statement von Bezirksstadträtin Frau Dr. Klotz verteilt worden. Doch aufgrund der vermehrt bei ihrem Vortrag erklingenden Unmutsäußerungen verlas sie dieses nicht vollständig. Hier das Abschlusszitat aus dem Statement, dass sie, wenn nicht wortwörtlich dann doch sinngemäß vorbrachte.

Der vorgelegte Bebauungsplan für das neue Quartier Bautzener Straße wird sicherlich diejenigen nicht überzeugen, die gegen jedweden Neubau auf dieser Bahnbrache sind – so wie an vielen anderen Stellen in der Stadt auch. Innerhalb des vorgegebenen Rahmens (privater Eigentümer, notwendiger Wohnungsneubau, Grünflächenversorgung, Lärmschutzproblematik) stellt der Bebauungsplan einen ausgewogenen Weg dar, der die unterschiedlichen Interessen zum Ausgleich bringt.

Den Wunsch einiger Anwohner_innen dort nicht zu bauen, kann ich zwar nachvollziehen. Eine öffentliche Grünanlage wird aber kein privater Investor auf dem Gelände realisieren und der Bezirk ist dazu nicht in der Lage. Berlin wird in den kommenden Jahren einen deutlichen Bevölkerungszuwachs, vor allem in den Innenstadtbereichen erleben. Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und kleinen Haushalten wird größer werden. Hier haben wir die Chance einen kleinen Teil dieser Nachfrage zu befriedigen. Das neue Quartier ist bestens an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und das Radwegenetz wird auch an dieser Stelle ausgebaut. Das vermeidet zusätzlichen Autoverkehr und ist damit ein Beitrag zum Klimaschutz.

Wird es einen Effekt bei diesem Bauvorhaben haben, dass die Welt drum herum sich seit 2012 inzwischen stark verändert hat?

Politik, die die Bewohner nicht befragt, die ist von uns auch nicht mehr gefragt,“ eröffnete ein Anwohner, den Teil der Veranstaltung, auf der BürgerInnen zu Wort kamen.

Können die AnwohnerInnen jetzt nur noch zuschauen, ob ihre Befürchtungen sich bewahrheiten?

Ich wohne seit 16 Jahren in Bautzener Straße 2,“ sagt eine Anwohnerin „direkt gegenüber dem neuen Fitness. Ich glaube, dass wir Wohnungsbau brauchen. Doch warum prüft niemand in dieser Stadt den Leerstand. Wie zum Beispiel im Riemers Hofgarten. Wir brauchen kleine Wohnungen, ich kann aber aus meiner 4,5 Wohnung nicht raus, weil kleinere Wohnungen teurer sind. Und hier in der Bautzener Straße mangelt es an großen Wohnungen.“

Ich bin ein bisschen überrascht über den Tenor dieser Einwände,“ gibt ein junger Mann zu bedenken. „Ich hätte gedacht, dass die Leute hier nicht nur an sich und Grünflächen denken, sondern auch an die Leute die Wohnungen suchen. Wir müssen etwas gegen Verdrängung tun, aber dafür sind privaten Investoren nicht die Lösung.“

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„Wir ändern nichts mehr, auch wenn noch so lange protestieren,“ sagt ein älterer Mann, der von sich sagt, sich früher politisch betätigt zu haben und deshalb aus Erfahrung spricht. „Aus meinem Fenster gucke ich nur noch auf schreckliche Architektur. Die roten Häuser am Lokdepot und jetzt diese Architektur. Was will der Architekt uns damit sagen, mit der Architektur, auf die ich jetzt immer schauen muss.“

Viele sind unzufrieden, mit dem was Dialog genannt wird, aber was viele nicht als Dialog empfinden,“ führt eine andere aus. „Wir wissen von der Wohnungsnot, wir haben jetzt gehört, dass der Gleisdreieckpark verkleinert wird, wir haben gelernt, dass mehr Verkehr kommen. Dann sind da ganz viele offene Fragen. Bei anderen Projekten gibt es ein Controlling, bei dem das Projekt immer wieder mit den sich ändernden Bedingungen abgeglichen wird. Wird es einen Effekt bei diesem Bauvorhaben haben, dass die Welt drum herum sich inzwischen verändert hat?“

Bleiben in diesem Prozess nur Fragen offen?