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Ein kleines Stück Orient in Berlin

Said Harroud hat Ende letzten Jahres ein ganz besonderes Café-Restaurant in Berlin aufgemacht. Wie es dazu kam und was genau das besondere ist hat er mir in einem Interview erzählt.

Herr Harroud, am  3.11.2017 haben Sie das Café Amitie in Berlin-Schöneberg eröffnet. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und was war Ihre Motivation?

Das Café-Restaurant hat einen einen emotionalen Hintergrund. Ich habe in Marokko Jura studiert und bin dann 2006 nach Berlin gekommen und habe erst Wirtschaftsrecht und dann Germanistik und französische Philologie studiert. Vorher habe ich in Marokko bereits mein Bäckerdiplom gemacht und habe dann 10 Jahre in Deutschland als Bäckermeister gearbeitet. Aufgrund der unschönen Atmosphäre in der Bäckerei habe ich beschlossen meinen eigenen kleinen Laden aufzumachen.

Und warum haben Sie sich gerade für Berlin-Schöneberg entschieden.

In Berlin ist es aufgrund der knappen Auswahl an freien Geschäften und der sehr hohen Mietpreise schwierig einen passenden Laden zu finden. Im schönen Prenzlauer Berg hätte es fast geklappt, dann aber sollten die Kosten für den Abriss und Umbau des Gebäudes von mir getragen werden und das wollte ich nicht. Als ich nach Berlin kam, habe ich in Lichtenberg gewohnt, was mir weniger gefallen hat. Daher bin ich offen für den Westteil und habe diese Ladenfläche entdeckt.

Das Café Amitie ist kein gewöhnliches Café mit einem 08/15 Konzept. Erklären Sie mir, was das Besondere an dem Café ist und warum Sie sich entschieden haben es genau so zu eröffnen?

Das Café Amitie ist kein Café, sondern ein Café-Restaurant. Hier gibt es marokkanische Patisserie-Spezialitäten und typisch marokkanische Gerichte. Das Konzept ist einzigartig in Berlin und sonst eher in Nordrhein-Westfalen vertreten. Der Laden ist noch schöner als in meinen Vorstellungen geworden. Das Ambiente mit den original marokkanischen Lampen ist sehr eindrucksvoll.

Lief alles wie geplant und einfach von der Hand das Café zu eröffnen? Was waren die größten Schwierigkeiten während der Gründung?

Der Laden war vorher ein Friseur, daher musste einiges umgebaut werden. Das habe ich alles allein gemacht. Ein Problem war unter anderem die Müllentsorgung, da dies sehr kostenintensiv war. Ein anderes war der schwere Unfall, den ich während der Bauarbeiten hatte. Da meine Decken ca. 4,30m bin ich beim Streichen von der Leiter auf eine Glasvitrine gefallen und habe mir vier Rippen gebrochen.

Wie läuft es seither für Sie und Ihr Café-Restaurant?

Im Südteil wo das Café liegt gibt es leider sehr wenige Geschäfte. Hier leben viele türkische Familien, die eher türkische Läden besuchen. Aber jetzt wird es wärmer und vor meinem Laden gibt es eine wunderschöne Terrasse und es geht aufwärts.

Was war das Schönste was Sie bisher in Ihrem Café erlebt haben?

Ich mache alles allein, da das Geld für Personal leider fehlt. Daher bin ich glücklich wenn meine Gäste glücklich sind. Sie schauen erst kritisch und sind dann begeistert vom Ambiente.

Sind Sie glücklich mit der Entscheidung Café-Gründer zu sein?

Ich weiß noch nicht, ob das eine gute Idee war.

Welches Publikum besucht Ihr Café?

Es ist ein sehr internationales Publikum. Vor allem Franzosen und Deutsche besuchen das Café-Restaurant.

Sieht das Café in 12 Monaten noch genauso aus?

Es wird noch besser, da ich noch sehr viele Ideen habe. Zum Beispiel möchte ich noch eine Lounge aus marokkanischem Holz einrichten.

Was würden Sie abschließend anderen Café-Gründern für einen Tipp geben?

Man muss in erster Linie ein gutes Konzept haben. Ein gut kalkulierter Business- und Finanzplan ist sehr wichtig. Auch wird am Anfang viel Hilfe beim Umbau benötigt. Am Besten von der Familie, da dies kostengünstig ist. Das Geld sollte man am Anfang mindestens 10 Monate lang nach der Eröffnung für alle anfallenden Kosten zurücklegen. In der Gastronomie braucht man einen sehr langen Atem da die Leute erst nach und nach in die Geschäfte kommen. Auch sollte man Geld in Marketing investieren, wenn man auf ein langfristiges Geschäft setzt.

 

 

„von dort bis hier“ – Zeitgenössische KünstlerInnen von der afrikanischen Diaspora in Deutschland stellen aus

Yassine Balbzioui zeichnet und malt wo er geht und steht. Schon immer. In Casablanca, Bordeaux, Berkeley, Paris, Dakar, und Berlin. Es ist eine natürliche Handlung für ihn, wie Aus- und Einatmen. So ist er in permanentem Austausch mit dem Raum, der ihn umgibt. „Ich brauche Raum und den gibt es in Berlin, so wie in Marokko“ sagt er. „Hier kann ich atmen. Es gibt hier freien wilden Raum. Ich habe hier auch schon viele Füchse gehesen. Für mich ist es wichtig, diese Art von Freiheit in einer Stadt zu finden.“

Am 26. Januar eröffnet Yassine Balbziouis Ausstellung „PARADE“ in der GALERIE LISTROS. Sie ist der Auftakt der Ausstellungsreihe „von dort bis hier – Künstlerische Reflexionen translokaler Autobiografien“. Hier setzen sich bis April 2013 elf KünstlerInnen aus der afrikanischen Diaspora mit ihrer biographischen Herkunft künstlerisch auseinander und führen einen Diskurs über ihre persönlichen Erfahrungen und Prägungen in zwei Kulturen.

Vernissage: Yassine Balbzioui PARADE
Donnerstag, den 26. Januar, 19 Uhr
GALERIE LISTROS
Kurfürstenstrasse 33, 10785 Berlin

 

Mit dabei sind zum einen KünstlerInnen wie El Loko, Mansour Ciss, Manuela Sambo, David Amaechi Dibiah und Ivor Sias, die bereits seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Zum anderen beteiligen sich KünstlerInnen, die erst in den vergangenen Jahren Deutschland als Lebensort gewählt haben wie Christophe Ndabananiye, Engdaget Legesse oder Dalila Dalléas Bouzar. Auch der Aspekt, in der zweiten Generation zwar afrikanische Wurzeln zu haben jedoch in Deutschland aufgewachsen zu sein, wird mit der Präsentation von Werken des Afro-Deutschen Künstlers Ransome Stanley berücksichtigt.

Die Biografie jedes Menschen ist prägender Bestandteil seiner Existenz. Individuelle zwischenmenschliche Begegnungen und Erfahrungen sowie kulturelle und gesellschaftliche Gegebenheiten definieren seine Persönlichkeit und Sicht auf die Welt. Insbesondere KünstlerInnen schöpfen in ihrem kreativen Schaffensprozess häufig aus den eigenen biografischen Erlebnissen.

So zeigt Christophe Ndabananiye unter anderem „schlafende Menschen“, eine Serie von Zeichnungen. „Ich habe sehr viele Menschen so liegen sehen, tot, und ich wünschte, sie würden schlafen,“ sagt Christophe Ndabananiye. „Ich setze mich mit Vergangenem oder Gegenwärtigem auseinander und halte dies mittels unterschiedlicher künstlerischer Medien fest.“

Für einige KünstlerInnen eröffnet die Außenperspektive auf ihre afrikanische Heimat einen Raum der Untersuchungen und Entdeckungen, der von Neu- oder Deplatzierung geprägt ist.

„In meiner Arbeit als Künstler habe ich in den vergangenen zwanzig Jahren verschiedene Einflüsse aufgesaugt und verarbeitet, nach dem gesucht, was meine Bilder zu dem Besten von mir selbst macht,“ erklärt Engdaget Legesse sein Konzept der „Empty Spaces“. „Ich habe meine alten Bilder übermalt. Es sind neue „leere Räume“ auf den alten Leinwänden entstanden.“

Nicht immer verweisen die Arbeiten der teilnehmenden KünstlerInnen offensichtlich auf Motive afrikanischer Kulturen oder kommentieren sozio-politische Begebenheiten auf dem Kontinent. In „von dort bis hier“ geht es vielmehr um die Art und Weise, wie der persönliche Lebensweg zwischen verschiedenen Kulturen die Arbeit der KünstlerInnen prägt, was die jeweiligen KünstlerInnen ausmacht. Ihr individuelle Werdegang ist dabei eine Leitlinie.

So stellen Manuela Sambo und Daniel Sambo-Richter in ihrer Ausstellung „Magnetfeld“ ihre künstlerischen Positionen gegenüber. Durch die langjährige Auseinandersetzung mit der Arbeit des jeweils anderen, sieht das Künstlerpaar Gemeinsamkeiten, die auf den ersten Blick für den Außenstehenden nicht deutlich sind. Damit geht es in ihrer Ausstellung auch um einen starken und fast intimen Dialog der Kulturen mit den Mittel der Kunst, der Malerei.

Mit der Ausstellungsserie „von dort bis hie“ erweitert die GALERIE LISTROS ihr Konzept, das seit der Gründung 2003 zu einem Perspektivwechsel auf das gängige Afrikabild einlädt. Themenbezogene Schwerpunkte wählend arbeitete sie bisher hauptsächlich mit nicht-afrikanischen KünstlerInnen in Deutschland, die sich mit afrikanischen Themen auseinandersetzen. Eine wichtige Frage hierbei war immer wieder: „Wie schafft es Kunst, eine gesellschaftliche Realität durch unterschiedliche Strategien zu reflektieren?“

Diese Frage beschäftig auch einige der Diaspora KünstlerInnen. In „Think Traces“ bezieht sich David Amaechi Dibiah auf das Prinzip der „Zero Spiral“ von den Mathematiker Lere O Shankunle und will die Notwendigkeit eines verantwortungsbewussten Handelns und Regierens aufzeigen. Nicht nur in Afrika sondern weltweit.

„Themen wie Unterdrückung, Ignoranz, Identität, Religion, Umweltmanagement dürfen und sollten keine Problemfelder mehr sein. Völkerwanderungen, die in der Geschichte der Menschheit schon immer stattgefunden haben, müssen positiv gesehen werden, denn sie sind eine Chance zur Weiterentwicklung,“ betont David Dibiah. “Was wäre denn zum Beispiel Berlin heute ohne die Sueben namens Semnonen, ohne die slawischen Stämme, die sich damals hier niedergelassen haben?“